Yasuhisa Toyota im Großen Saal der Hamburger Elbphilharmonie. Deren Wand aus insgesamt über 10 000 Gipsplatten ist ein Entwurf von Toyota und seinem Team. Die unterschiedlich gefrästen Krater sollen den Schall perfekt streuen

Unten an der Bühne steht eine Besuchergruppe, aus deren Mitte heraus eine Frau gerade mit saalfüllender Stimme Leonard Cohens „Halleluja“ anstimmt. Yasuhisa Toyota, 65, beobachtet die Szene von einem der oberen Ränge der Hamburger Elbphilharmonie aus – und hält sie auf seinem Smartphone fest. Denn genau das ist es, was der Japaner mit seinen Konzertsälen erreichen will! Die Menschen bewegen und inspirieren, sie für pure Musik begeistern. Toyota hat einige der spektakulärsten Konzertsäle der Welt mit seinem Akustikdesign geprägt, darunter die Casa da Música von Rem Koolhaas in Porto, die Walt Disney Concert Hall von Frank Gehry in Los Angeles – und eben auch die „Elphie“, sein jüngstes Werk. Klar, dieser zurückhaltende Mann liebt die Musik, aber nicht nur deshalb versteht er sich auf Anhieb bestens mit Andreas Henke, dem Geschäftsführer der legendären Audiofirma Burmester. Der beste Akustikdesigner der Welt und der Chef der ersten Adresse in Sachen High-End-Audio kannten sich vorher noch nicht und stellen doch schnell viele Gemeinsamkeiten fest. Toyota erklärt ihm sein aufwendiges Gipsplättchenkonstrukt für die Elbphilharmonie, Henke erzählt ihm von seiner Vorstellung von gutem Sound – und wie er diese mit seinem Unternehmen umsetzt. Es wird ein Gespräch über die Liebe zur Musik und die ewige, hoffnungslose Jagd nach dem perfekten Klang.

Andreas Henke: Herr Toyota, können Sie eigentlich noch nebenher Musik hören – ohne auf deren Klangqualität zu achten?

Yasuhisa Toyota: Nein, das gelingt mir kaum.

Mir geht es da ähnlich. Die Beschallung in Restaurants zum Beispiel – die ist doch meist eher fürchterlich!

Finde ich auch. Aber sagen Sie: Sie stellen auch Soundsysteme für Autos her. Stört Sie da eigentlich nicht das Motorengeräusch?

Das kommt auf den Klang des Motors an. (lacht) Aber mal im Ernst: Auch zu Hause haben die wenigsten einen vollkommen entkoppelten Musikraum. Einzelne Geräusche wie Schritte oder das Schlagen von Türen sind deutlich störender als der eher gleichförmige Sound einer Abgasanlage. Bei voller Hingabe kann das Gehirn den ziemlich gut ausblenden. Und unsere Kunden sind viel unterwegs, telefonieren häufig und benötigen deshalb die beste Sprachqualität. Oder sie wollen mal ein paar Minuten nicht erreichbar sein und ihre Seele mit guter Musik verwöhnen. Manche schreiben uns sogar, dass sie bei allzu viel Trubel im Haus auch mal in die Garage gehen, um Musik zu hören. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr Leben ähnlich ist: Fahren Sie oft im Auto?

Wer wie ich in Los Angeles lebt, tut das zwangsläufig. Wobei ich persönlich im Wagen eher die absolute Ruhe suche.

Yasuhisa Toyota, Akustikdesigner, Panamera Turbo, 2017, Porsche AG
Yasuhisa Toyota: „Im Wagen suche ich die absolute Ruhe“

Echte Ruhe ist in unserem Geschäft ja ohnehin selten. Sie haben schließlich den Klang einiger der berühmtesten Konzertsäle auf diesem Planeten geprägt. Auch wenn Sie in Los Angeles zu Hause sind – Sie müssen sehr viel unterwegs sein...

Und wenn es nach meiner Frau geht: zu viel. Ich sage immer: Ich habe meinen Zweitwohnsitz im Flugzeug. (lacht) Normalerweise bin ich ungefähr die Hälfte des Jahres unterwegs. Aber gerade jetzt ist es noch extremer. Meine Frau zumindest zählt inzwischen die Tage, an denen ich zu Hause bin. Im Januar war es eine Handvoll, im Februar noch weniger … Allein mein Trip diesen Monat: Da bin ich die ganze Zeit auf Reisen – Paris, Hamburg, München, London! Man arbeitet an Projekten, spricht mit Architekten. Es gibt im Moment – vor allem in Europa – einfach eine große Nachfrage nach guter Akustik.

Europa ist ja auch die Heimat der klassischen Musik. Mich schockiert zwar immer, wie wenig klassische Musik noch verkauft wird. Aber umso mehr freue ich mich, dass immer mehr Menschen zu Konzerten gehen. Die Leute haben offensichtlich eine große Sehnsucht nach authentischem Klang und wollen keine komprimierte Musik, die das Gehör verstopft, die Nerven strapaziert und einen vergessen lässt, wie Instrumente wirklich klingen. Wir wurden nicht für Computer-Musik oder Null-eins-Prozesse geboren. Gesellschaftlich halte ich das für eine bedenkliche Entwicklung, aber für unseren sehr natürlichen und „livehaftigen“ Klang ist das ein starkes Argument – das bekommen wir zumindest immer wieder zu hören. Sie müssten doch auch spüren, dass „das Echte“ einen Lauf hat, oder?

Es wird heute auf jeden Fall sehr viel mehr Mühe und Geld in das Geschäft mit klassischer Musik investiert. Und auch wenn die einzelnen Projekte nicht direkt miteinander zusammenhängen, so beflügelt doch das eine offenbar auch das andere. Wir haben den Saal in Kopenhagen gemacht, dann in Helsinki, wir haben in St. Petersburg gearbeitet … Und jedes Projekt inspiriert das nächste, und das neueste soll natürlich oft noch einmal größer und spektakulärer sein als das vorangegangene.

Haben Sie denn einen Lieblingssaal?

Bitte was? Da kann ich nur folgende Geschichte erzählen: Vor einigen Jahren klingelte bei mir am 1. Januar das Telefon. Es war Waleri Gergijew, der Dirigent und Intendant des russischen Mariinsky-Theaters. Der saß gerade mit Mariss Jansons, dem lettischen Dirigenten zusammen, und es war wohl schon etwas getrunken worden. Die zwei hatten diskutiert: Gergijew war der Meinung, dass die Akustik in der Sapporo Concert Hall die beste sei, Jansons dagegen bevorzugte die Kawasaki Symphony Hall. Bei beiden ist die Akustik von mir, und die Herren wollten nun wissen: „Yasuhisa, welche ist besser?“ Da habe ich nur gefragt: „Waleri, sag einmal: Wie viele Kinder hast du?“ Da hat er sehr schnell verstanden. (lacht) Kennen Sie denn schon den Saal in Hamburg, die Elbphilharmonie?

Leider noch nicht – ich bin heute zum ersten Mal hier. Aber ich war schon in einigen anderen Ihrer Säle. Und ich bin schon sehr auf die „Elphie“ gespannt, denn ich stelle mir Ihre Arbeit bei dem Grundriss dieses Saales ehrlich gesagt wahnsinnig schwierig vor. Wenn man mal versucht, es einfach nach ein paar physikalischen Prinzipien abzuschätzen: Selbst wenn ein Dirigent von seiner Position aus mit der Akustik glücklich ist, dann heißt das ja noch lange nicht, dass der perfekte Sound auch auf Platz xy ankommt...

Da haben Sie allerdings recht. Das ist eine große Herausforderung, weil es eigentlich unmöglich ist, überall den identischen Klang zu schaffen. Aber für mich ist es immerhin ein Ansporn. Und ich freue mich besonders, wenn nach einem Konzert Menschen auf mich zukommen, und jeder sagt: „MEIN Platz war der beste!“ Dann weiß ich, dass ich gute Arbeit geleistet habe. Die Leute wollen von mir immer hören: Was ist der perfekte Sound?

Dabei gibt es den ebenso wenig, wie es das perfekte Gemälde gibt. Die Wahrnehmung von Perfektion ist subjektiv und immer auch flüchtig, nur temporär. Ich halte da von Absolutheitsansprüchen nicht viel.

Und da haben Sie vollkommen recht. Am Ende entscheidet das persönliche Empfinden, ob einen der Klang erfüllt und befriedigt. Und die Geschmäcker sind einfach auch sehr unterschiedlich.

Trotzdem muss die öffentliche Erwartung an Sie riesig hoch sein. Dabei sagt jeder, der etwas von Akustik versteht: 100 Prozent Sound überall, das geht gar nicht.

Das stimmt. Es gibt innerhalb jedes Saales unterschiedliche Klangerlebnisse, und jeder Platz hat seine besonderen Qualitäten. Ich rate deshalb auch dazu, sich in einem Saal die Konzerte von möglichst unterschiedlichen Plätzen anzuhören.

Zumal es auch darauf ankommt, was dem Gast wichtig ist: Der eine will den Dirigenten erleben, der andere hat ein Faible für die erste Violine...

Richtig, und das ist sicherlich ein Unterschied zu Ihrer Arbeit im Audiobereich. Im Konzertsaal kann man sich viel mehr auf einen bestimmten Teil eines Ensembles konzentrieren. Generell finde ich es aber gut, dass unterschiedliche Säle auch einen unterschiedlichen Klang haben, dass man in Wien ein anderes Erlebnis haben kann als in London. Letztlich war das schon immer so, nur früher sind die Leute nicht so intensiv gereist und hatten keine Möglichkeit für Vergleiche. Das ist bei Ihrer Arbeit doch vermutlich ähnlich: Jeder Hersteller hat seine eigene Klangphilosophie, die unterschiedlichen Geschmäckern folgt.

Yasuhisa Toyota, Akustikdesigner, Elbphilharmonie Hamburg, 2017, Porsche AG
Toyota: „Unterschiedliche Säle haben einen unterschiedlichen Klang “

Das ist richtig. Und während der Kunde für seine Anlage daheim aus vielen Möglichkeiten wählen kann, ist er mit der Entscheidung für ein Fahrzeug heute an zwei oder drei Soundsysteme gebunden. Aber wir versuchen, unsere Vorstellungen und die Wünsche des Kunden unter einen Hut zu bekommen. Das heißt: verschiedene Klangmodi für unterschiedliche Vorlieben, Musikrichtungen oder Fahrsituationen zu schaffen – und das bei einem ziemlich klar definierten Hörraum. Im Home-Bereich ist das anders, denn wir wissen nicht, wie der Kunde eingerichtet ist. Gibt es dort viel Glas? Parkett, Stein oder Teppiche? Dabei hängen 50 Prozent der Klangqualität von der Einrichtung ab! Insofern haben wir im Auto denselben Vorteil wie Sie: Wir kennen den Raum und können mit dieser Vorgabe das Hörerlebnis optimieren. Haben Sie denn bei Ihrer Arbeit immer eine Vorstellung vom perfekten Sound?

Nun, bei mir hängt das Ergebnis immer sehr von der Zusammenarbeit mit den Architekten ab. Aber um es kurz zu machen, nein, ich habe kein festes Idealbild von Akustikdesign. Mir geht es nicht darum, immer einen besonders hellen oder dunklen Klang zu erzeugen. Wenn man meine Arbeit unbedingt auf einen Stil herunterbrechen möchte, dann wäre es wohl dieser: Ich will einen möglichst neutralen, natürlichen Klang.

Und der ist in der heutigen Zeit, in der sich Leute so sehr an Special Effects gewöhnt haben, nicht immer populär...

Kann sein. Aber genau deshalb mag ich klassische Musik, guten Jazz. Eigentlich jede Musik, die ohne elektrische Unterstützung auskommt. Leider haben sich sogar Musiker inzwischen sehr an sie gewöhnt. Letztes Jahr war ich zum Beispiel in Indien eingeladen, und es sollte ganz klassische, einheimische Musik gespielt werden – das zumindest hatte ich erwartet. Aber dann wurde alles durch Lautsprecher gejagt, die Trommeln klangen so überzogen. Mir gefiel das nicht, aber je lauter es war, desto zufriedener waren die Musiker.

Ihre Konzertsäle sind also auf puren Musikgenuss ausgelegt?

Auf jeden Fall möchte ich möglichst neutrale Orte schaffen. Säle, die der jeweilige Dirigent für sich selber am besten interpretieren kann. Und nicht etwa solche, die sich besonders gut zum Beispiel für Mozart eignen. Ich will inspirieren, nicht erklären.

Wie genau können Sie den Klang eines Saals am Anfang vorhersehen?

An sich gar nicht. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass die meisten Leute meinen Beruf kaum verstehen. Die sind verunsichert: Ist das nun Kunst? Oder ist es ein technischer Job? Ist es halb und halb? Wie ich das mache, was ich mache, da bin ich mir manchmal ja selbst nicht ganz sicher.

Das kenne ich. Ich denke, es hat tatsächlich viel mit Kunst zu tun, denn wir geben einer Kunstform, der Musik, einen spe­ziellen Ausdruck, einen Charakter. Bei Ihnen kommt noch die Architektur hinzu. Da beschäftigt man sich mit vielen wissenschaftlichen Fragen, aber das tun Bildhauer, Maler oder Fotografen ja auch.

Ich sage immer: Selbstverständlich müssen wir mit der neuesten Technologie und Wissenschaft arbeiten. Aber es braucht dabei vor allem viel Gefühl für die Materie selbst, einen Sinn für die Kunst. Wir benutzen Computerprogramme, aber egal was wir konstruieren: Der schönste Saal ist nichts ohne Musik. Und Musik ist Kunst. Meine Arbeit lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken.

Und letztlich ist es auch die Aufgabe eines Dirigenten und seines Orchesters, sich den Saal mit seinen Stärken – und vielleicht auch Schwächen – zu erarbeiten...

Absolut. Es ist ein Zusammenspiel von so vielen Faktoren. Ich vergleiche meine Tätigkeit oft mit dem Beruf des Arztes. Ärzte gab es, lange bevor das Röntgen erfunden wurde. Heute ist es alltäglich, aber wer keine medizinische Ausbildung genossen hat, der wird auf einem Röntgenbild recht wenig erkennen. Und danach kam die Erfindung des MRT! Der Beruf an sich ist also gleich geblieben, aber die Technik hat ihn sehr verändert. Und die Befunde richtig zu deuten ist dann noch einmal etwas anderes – nämlich auch eine Frage der Erfahrung.

Zumal man trotz aller technischer Fortschritte nie das Handwerk und das persönliche Gefühl verlieren sollte, mit klassischen Mitteln zu arbeiten und zu fühlen. Schließlich tun wir das Ganze nicht für Computer und Messwerte, sondern für Menschen, die Musik erleben wollen.

Exakt! Denn so viel Geräte auch können, sie können natürlich nicht alles. Und danach richten wir uns auch. Kein Computer kann mir sagen, wie das Design am Ende sein muss. Das ist meine ganz persönliche Entscheidung.

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Verbrauchsangaben

911 Turbo

WLTP*
  • 12,3 – 12,0 l/100 km
  • 279 – 271 g/km
  • G Klasse

911 Turbo

Kraftstoffverbrauch* / Emissionen*
Kraftstoffverbrauch* kombiniert (WLTP) 12,3 – 12,0 l/100 km
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 279 – 271 g/km
CO₂-Klasse G