Armin Tement misst vorsichtig eine kleine Menge Wein in einem Messzylinder ab und gießt sie in das bereits halb gefüllte Glas. Er schwenkt es, riecht, kostet. Dann schenkt er jedem seiner Gäste einen Schluck der Mischung ein. Mit seinem konzentrierten Blick unter dem schwarzen Haarschopf und dem Messinstrument sieht Tement ein bisschen aus wie ein Alchemist kurz vor dem Durchbruch. Doch er ist nicht berühmt dafür, Eisen in Gold zu verwandeln. Er ist ein Meister jenes magischen Prozesses, der aus Trauben Wein werden lässt.
Tement ist einer der bekanntesten und gefragtesten Winzer Österreichs. Sein Vater Manfred hat das Familienweingut in der Südsteiermark in den 1980er-Jahren groß gemacht. Als geradezu legendär gelten seine Fähigkeiten des Verkostens und Cuvetierens, also der Kunst, aus verschiedenen Fässern einen Wein zu erschaffen, der perfekt balanciert und besser als seine Bestandteile ist. Tement junior gilt manchen sogar als noch talentierter als sein Vater. An diesem Tag arbeitet er an einer ganz besonderen Mischung. Vor ihm sind auf einem alten Holzfass verschiedene Weinflaschen aufgereiht. Neben ihm stehen Alexander Baron von Essen, einer von Deutschlands renommiertesten Weinimporteuren, und Holger Schramm, Sommelier und Leiter des Porsche-Restaurants Christophorus in Stuttgart. Sie sind in den Tement’schen Keller gekommen, um gemeinsam mit Armins Vater Manfred und Josef Arweck, Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Presse der Porsche AG, zu entscheiden, wie der eigens für Porsche produzierte Wein schmecken soll.
Der Anlass für die exklusive Weinkreation ist festlich: Im Frühsommer 1948 rollte der erste Sportwagen der Marke auf die Straße, konstruiert von Ferry Porsche, dem Sohn von Ferdinand Porsche. Zur Feier dieses Jubiläums beschloss das Unternehmen, einen eigenen Wein produzieren zu lassen, die „Cuvée 356“. Weil Ferry Porsche Österreicher war und der Porsche 356 „Nr. 1“ Roadster noch in Gmünd/Kärnten produziert wurde, sollte auch der Wein aus Österreich kommen. Und weil dafür nur eines der besten Weingüter infrage kam, fiel die Wahl auf die Tements.
Deren Gut liegt in Ehrenhausen an der Weinstraße, unmittelbar an der österreichisch-slowenischen Grenze, rund 250 Kilometer entfernt von Gmünd. Das südsteirische Anbaugebiet wird oft mit dem Piemont oder der Toskana verglichen: eine scheinbar endlose Hügellandschaft, meist sanft gewölbt, dann wieder mit steilen, fast senkrecht aufsteigenden Wänden. Weingärten bedecken einen Großteil der Hänge. In den Tälern rauschen Bäche durch kleine Wälder, auf den Kämmen stehen stolze alte Bauernhäuser. Mitten hindurch schlängeln sich enge Straßen – wie gemacht für Rallyelegende und Südsteiermark-Fan Walter Röhrl. Im Frühling und Sommer sind die Hügel üppig grün, im Herbst leuchten sie in kräftigen Rot-, Braun- und Goldtönen. In den Senken halten sich oft Nebelfetzen, während über ihnen eine sogar im November noch erstaunlich starke Sonne strahlt.
Die südliche Steiermark ist aber nicht nur berühmt für ihre landschaftliche Schönheit, sondern auch für ihre außergewöhnlichen Weine – oder, wie es Manfred Tement formuliert: „In so einer besonderen Landschaft muss auch etwas Besonderes wachsen.“ Unangefochtener König der Rebsorten ist dort der Sauvignon Blanc, der lange nicht als großer Wein galt. Tement war vor 30 Jahren einer der Ersten, der das Potenzial dieser Traube erkannte. „Ich war immer überzeugt, dass es nicht die eine beste Rebsorte gibt, sondern dass es auf das Anbaugebiet ankommt“, sagt er. „Hier in der Südsteiermark bringt es der Sauvignon zur Vollendung.“ Die Fachwelt hat ihm längst recht gegeben: Weinpapst Robert Parker bewertete Tements Sauvignon Blanc „Ried Zieregg“ 2015 mit 97 von 100 Punkten.
Der Sauvignon war es auch, der Porsche und Tement zusammenbrachte. Alexander Baron von Essen kennt die Winzerfamilie schon lange: „Aus meiner Sicht keltern die Tements einen der besten Sauvignons der Welt.“ Im Dezember 2017 verkostete er auf ihrem Weingut gemeinsam mit Porsche-Markenbotschafter Walter Röhrl erstmals mögliche Cuvées – und fand das Ergebnis höchst vielversprechend.
Diese Vorauswahl steht nun vor Armin Tement auf dem Fass. Gemeinsam sollen die Experten den Jubiläumswein perfektionieren. Nach drei Kostdurchgängen hat sich die Gruppe auf eine Basis aus Weißburgunder und Morillon geeinigt, vollendet mit Sauvignon Blanc und Grauburgunder. Dann träufelt Tement vorsichtig zwei Prozent mehr Sauvignon in die Phiole, schenkt den Umstehenden nochmals hoffnungsvoll ein – und siehe da, das winzige Quantum genügt, um dem Wein noch mehr Leben und Frische einzuhauchen.
Anerkennend gemurmelte Ahs und Ohs hallen von den hohen Wänden des Kellers wider. Sommelier Schramm steckt seine Nase noch einmal tief ins Glas, dann nickt er zustimmend. „Das ist gut – das ist sehr gut! Chapeau!“, ruft er begeistert aus. Der Alchemist hat optimal gemischt.
Die Südsteiermark
Das traditionsreiche Weinbaugebiet liegt im Süden Österreichs an der slowenischen Grenze auf 350 bis 600 Metern über dem Meeresspiegel. Wegen der warmen Tage und kühlen Nächte werden die Trauben dort besonders aromatisch. Die vielen Hügel sorgen für ein vielfältiges Terroir. Der Boden besteht teils aus verwitterten Korallenriffen des Urmeeres, auf denen besonders Burgundersorten sehr gut gedeihen, teils aus Ton, Mergel (Opok) und Sand. Berühmt sind vor allem die Weißweine. Die wichtigsten Sorten sind Sauvignon Blanc, Muskateller, Weißburgunder und Chardonnay, der dort Morillon heißt.
„Cuvée 356“: der Jubiläumswein
Der Wein zum Porsche-Jubiläum wurde bei der offiziellen Feier am 8. Juni 2018 im Porsche Museum in Stuttgart-Zuffenhausen kredenzt. Besucher des Museums können die „Cuvée 356“, zusammengesetzt aus 65 % Weißburgunder, 18 % Morillon, 12 % Sauvignon Blanc und 5 % Grauburgunder, im Restaurant Christophorus in Stuttgart ordern. Er ist auch im Museumsshop erhältlich. Darüber hinaus beliefert Weinimporteur Alexander Baron von Essen ausgewählte Restaurants mit dem edlen Weißwein. Aber auch Privatpersonen können innerhalb Deutschlands den Jubiläumswein bei ihm bestellen: zum Flaschenpreis von 19,50 Euro (inkl. MwSt., 18 Flaschen Mindestbestellmenge, Lieferung frei Haus).
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.cuvee356.com.
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Nr. 387