„Die Israelis fordern uns – und das ist gut so!"

Nach Berlin und dem Silicon Valley ist Tel Aviv die nächste Station auf der Reise in die digitale Zukunft. Mit einem Innovation Office vor Ort und der Investition in Venture Capital Fonds will sich Porsche Talente und innovative Technologien sichern. Wir haben Lutz Meschke, Vorstand für Finanzen und IT bei Porsche, beim Besuch der neuen Partner im „Silicon Wadi“ begleitet.

Rennräder an der Wand;  Schoßhündchen, die zwischen offenen Glaskästen hin und her flitzen, und ein Panoramablick auf Tel Avivs Hauptschlagader: den Rothschild Boulevard. Den einen gilt er als Flaniermeile, den anderen als Startrampe für innovative Technologien.

Die Start-up-freundlichste Region der Welt

Die hip durchgestylte Dependance des Co-Working-Hubs Mindspace ist einer der gut vernetzten Brutkästen der Szene. Während nachts in den Bars und Clubs rund um den Boulevard gefeiert wird, als ob es kein Morgen gäbe, wird hier bereits am Übermorgen gebastelt. Nach dem Silicon Valley gilt der Großraum Tel Aviv als Start-up-freundlichste Region der Welt. Das kommt nicht von ungefähr: Zwar gibt es in Israel keine nennenswerten Rohstoffe – und dazu einen ungelösten politischen Konflikt, der das Land in der Region isoliert.

Dafür konzentrieren sich in dem Schmelztiegel des kleinen Staates Einwanderer mit den unterschiedlichsten Talenten. Nach dem Bestreben der Anfangsjahre, mit diesem Saatgut „die Wüste zum Blühen zu bringen“, konzentriert sich Israels Pioniergeist heute auf den Hightech-Sektor. Und weil der Staat Unternehmensgründungen großzügig unterstützt, können es sich Investoren erlauben, auch Ideen zu fördern, die im ersten Moment vielleicht verrückt erscheinen. Kein Wunder also, dass inzwischen viele multinationale Konzerne ihre Entwicklungszentren nach Israel verlegt haben.

Neues Innovation Office von Porsche

Auch Porsche ist seit Februar 2017 Teil dieses Ökosystems. Ein zweistelliger Millionenbetrag, investiert in die zwei Venture Capital Fonds Grove und Magma, soll nur der Anfang sein. Das neue Innovation Office von Porsche ist eine winzige Wabe im Bienenkorb und befindet sich mitten im Geschehen.

Lutz Meschke blickt durchs Fenster im dritten Stock: auf eine Villa mit Palmengarten, 1924 erbaut, heute Heimat für „lone soldiers“, junge Soldaten ohne Familie im Land. Gleich dahinter ragt ein blau verspiegelter Büroturm in den wolkenlosen Himmel. Daneben blättern Graffiti von einem Abrisshaus. Militär, Business und Subkultur – besser lässt sich Tel Avivs Seele wohl nicht fassen.

„Diese Stadt ist extrem“

Meschke: „Diese Stadt ist extrem. Extrem pulsierend, extrem jung. Die Leute hier wollen jede Minute ihres Lebens auskosten – das ist schon ein Kontrast zu Westeuropa. Diese Mentalität befruchtet natürlich auch die Start-up-Szene. Viel erleben wollen heißt ja auch: Du musst schnell viel erreichen.“

Einer, der sich mit beidem bestens auskennt, ist Dov Moran. Erfinder des USB-Sticks und Manager des Venture Capital Fonds Grove. Am Vorabend sitzt der 62-Jährige auf einem grünen Ohrensofa neben den neuen Geschäftspartnern von Porsche im exzentrischen Restaurant Nanuchka – und angelt wie alle anderen mit der Gabel vegane Hausmannskost von geteilten Tellern. Rote-Beete-Carpaccio, Teigtaschen mit Pilzfüllung, georgisches Gebäck. Die Musik ist laut, die Kellnerinnen sind tätowiert. Und Moran, der nicht nur Milliardär, sondern auch Vegetarier ist, lächelt zufrieden. Macht mit dem Smartphone ein Foto von seiner Serviette, auf der ein Vers geschrieben steht: „Erträume, wer du sein kannst.“

Die Geschichte hinter dem Nanuchka ist eines der Märchen dieser Stadt. Jahrelang war der Laden voll, weil seine Besitzerin machte, was sie am besten konnte: deftige georgische Küche. Ihr Rezept: Viel Fleisch plus viel Alkohol ergibt wilde Abende. Dann wurde sie Veganerin und stellte entgegen allen Ratschlägen auch ihr beliebtes Restaurant um. Heute gilt Tel Aviv als veganste Stadt der Welt – und das Nanuchka als charmanter Vorreiter. Der Erfolg ist geblieben, wenn nicht gewachsen. Ein schönes Gleichnis für die Transformation, die Porsche bevorsteht.

Lösungen für digitale Mobilität

Wie kann der traditionelle Sportwagenhersteller ohne Identitätsverlust den Ton angeben, wenn es zukünftig um Lösungen für digitale Mobilität geht – wie können Mythos und die jahrzehntelange Erfahrung dabei nutzen?

Meschke: „Es war ein Riesensprung, das Thema vor zwei Jahren überhaupt in die Köpfe zu bringen, so weit weg war das für uns alle. Das haben wir gut hinbekommen, aber jetzt müssen wir den richtigen Speed in der Umsetzung finden. Es geht ja nicht nur darum, Technologie und Know-how zuzukaufen, mit Start-ups zusammenzuarbeiten oder mit Venture Capital Fonds. Die eigentliche Frage ist, wie wir diesen neuen Mindset in den Kern des Unternehmens transportieren.“

Porsche in Tel Aviv

Seit der Gründung der Porsche Digital GmbH 2016 ist viel passiert, wurde ein  Digital Lab in Berlin aufgezogen, hat Porsche mit weiteren Satelliten die Fühler ausgestreckt, erst im Silicon Valley – und jetzt in Tel Aviv.

Was zugleich auffällt: Hier wird Tacheles geredet. Erstmal müssen sich die Stuttgarter anhören, dass sie zwar mit Sicherheit großartige Autos herstellen, die Israelis dieser Industrie jedoch generell nicht mehr viele Jahre geben, zumindest nicht in ihrer herkömmlichen Form.

Meschke: „Ich bin überzeugt, dass in den Megacitys der Zukunft nicht mehr der Fahrzeugbesitz entscheidend sein wird, sondern Mobilität-on-demand. Und wer sagt denn, dass ein Uber-Nutzer nicht auch gerne zwischen Premium oder Economy-Variante wählen würde? Vielleicht wird sich auch irgendwann alles in der Luft abspielen, mit Drohnen. Aber auch das wird ein Markt sein, den wir uns teilen müssen. Unser Mythos trägt uns vielleicht noch etwas länger als die Volumenhersteller. Aber dann muss das Geld zu einem großen Teil woanders herkommen.“

Zukunftsszenarien

Spinnereien und Zukunftsszenarien werden über den Tisch gereicht wie die Teller mit dem bunten Mix aus Tradition und Avantgarde darauf. Während sich Morans Partnerin die zukünftige Marke Porsche als exklusiven Club vorstellt, mit Concierge-Service und eigener Kreditkarte, ist dieser schon dabei, sich auszumalen, wie das sich selbst reinigende Gefährt dazu aussehen könnte. Ganz nach seinem Motto: Keine Idee ist zu dumm.

Meschke: „Völlig ‚out of the box‘. Solche Impulse sind genau das, was wir brauchen. Im letzten Jahr habe ich gemerkt, dass wir noch deutlich offener sein müssen, was den Unternehmenszweck von Porsche angeht. Unsere Firmenkultur ist vom Ingenieurwesen geprägt. Wir sind sehr gut darin, Dinge immer weiter zu optimieren. Aber das werden wir nur noch ein paar Jahre so machen können. Dann muss es komplett neue Lösungen geben, und dafür müssen wir uns jetzt bereits öffnen: nicht nur in Richtung Start-up-Szene, sondern auch in Richtung anderer Industrien. Alles wächst ja immer mehr zusammen. Außerdem sollten wir lernen, noch besser die Perspektive des Kunden einzunehmen, statt am Markt vorbei zu entwickeln, weil wir zu verliebt in die eigene Technologie sind.“

Elektrifizierung, Digitalisierung, Konnektivität

Moran nickt, dabei kommt er selbst aus der technischen Ecke. Halbleiter, Chips, Hardware, das ist seine Welt. Sein Venture Capital Fonds Grove hält deswegen nach dem „komplizierten Zeugs“ Ausschau. So habe er zum Beispiel das Start-up Mobileye beraten, deren kamerabasierte Sicherheitssysteme heute in vielen Fahrzeugen stecken – und die sich selbst steuernde Autos immer wahrscheinlicher machen.

Meschke: „Das ist eine unserer größten Herausforderungen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass unser Sportwagen eines der letzten Autos mit Lenkrad sein wird. Mit dem autonomen Fahren wird sich unsere Welt komplett verändern. Elektrifizierung, Digitalisierung, Konnektivität – das kann man alles stemmen, kann sich Geschäftsmodelle dazu ausdenken, aber dafür müssen wir erst noch unsere Nische finden.“

Immerhin, mit dem Thema Motorsport lässt sich einiges machen. Zum Beispiel könnte man den Autopiloten als Lehrmeister nutzen, sich von einem Profi wie Porsches Markenbotschafter Mark Webber virtuell die perfekte Linie zeigen lassen, um dann selbst das Lenkrad zu übernehmen. Ganz entkoppeln werden sich die Welten nicht, auf die digitale Welle werde eine analoge Sehnsucht folgen, glaubt Meschke. Beides smart zu verbinden, das sei die Challenge.

Meschke: „Anders als viele neue Player auf dem Markt bringen wir eine starke Tradition mit. Was wir uns in Jahrzehnten aufgebaut haben, können wir nicht einfach über den Haufen werfen. Wir wollen ja keine Mobilität ohne unsere Autos erfinden.“

Veränderung als einzige Konstante

Moran erzählt, wie ihm 1988 vor einer Präsentation der Laptop ausfiel. Das war die Geburtsstunde des USB-Sticks, des Massenspeichers für die Hosentasche. Es sei zuvor einfach niemand auf die Idee gekommen, die vorhandene Schnittstelle für einen Datenträger zu nutzen.

Moran: „Ihr seid auf dem richtigen Weg. Aber eines Tages werdet Ihr die Geschichte loslassen. In meinen Unternehmen war Veränderung stets die einzige Konstante. So ist Israel zur Start-up-Nation geworden: Wer es zu gemütlich hat, wer nicht kämpfen muss, der ist nicht produktiv.“

Kombina-Staat

Moran bietet an, bei der Auswahl von Leuten und Kooperationen vor Ort zu helfen. Dass jeder jeden kennt im kleinen Land, ist kein Allgemeinplatz. Durchaus stolz berufen sich Israelis auf ihren „Kombina-Staat“, in dem alles über das persönliche Netzwerk organisiert wird: schnell und effektiv. Es wird bereits während des Armeediensts geknüpft. Der Konflikt mit den Nachbarländern ist omnipräsent – und die Armee ist ständig dabei, aufzurüsten und ihre Verteidigungstechnologien weiterzuentwickeln. Wer den Wehrdienst verlässt, nimmt sein Wissen in die Wirtschaft mit.

Moran: „Wo hast du gedient? Das ist unsere erste Frage, wenn wir jemanden kennenlernen. Und es sagt viel aus. Ein Pilot hat den Überblick, aber wenig Gefühl fürs Detail. Die ganzen smarten Jungs, die jetzt Cyber Security machen, kommen alle aus der 8200, das ist die Elite-Einheit des Geheimdiensts.

Meschke: „Es war ein Riesensprung, das Thema vor zwei  Jahren überhaupt in die Köpfe zu bringen, so weit weg war das für uns alle. Das haben wir gut hinbekommen, aber jetzt müssen wir den richtigen Speed in der Umsetzung finden. Es geht ja nicht nur darum, Technologie und Know-how zuzukaufen, mit Start-ups zusammenzuarbeiten oder mit Venture Capital Fonds. Die eigentliche Frage ist, wie wir diesen neuenMindset in den Kern des Unternehmens transportieren.“

Schnittstelle zum analogen Leben

Als Lutz Meschke am nächsten Morgen auf dem Rothschild Boulevard vor einem der baumüberkronten Kaffee-Kiosks sitzt, den Schnittstellen zum analogen Leben in der Hightech-City, wirkt er wie aufgeputscht: Das Herumspinnen mit den Israelis beim Abendessen, die buntscheckige Szene auf der Dachterrassen-Bar Speakeasy, diese Blase der Heiterkeit im Irrsinn des Nahen Ostens, hedonistisch und doch energisch, lässt ihn über Kulturunterschiede nachdenken, nicht nur zwischen Deutschland und Israel – sondern vor allem im eigenen Unternehmen.

Meschke: „In Deutschland herrscht die Denke vor, dass wir eine sehr erfolgreiche Industrie sind, an der unheimlich viele Arbeitsplätze hängen, und dass wir keine disruptiven Entscheidungen treffen dürfen. Es heißt immer: dosiert, überlegt. Aber in einer disruptiven Welt hast du keine Zeit, Dinge dosiert zu machen. Du kannst nicht vorher alles bis ins kleinste Detail überprüfen. Wir müssen von der Start-up-Kultur lernen, dass von zehn Ideen vielleicht neun sterben werden. Das sagt ja schon der Name: Risikokapital.“

Auf dem Boulevard schlängelt sich gerade ein junger Mann auf seinem Hoverboard mit ordentlich Chuzpe zwischen Eltern auf E-Bikes hindurch, die noch eilig ihre Kinder in die Kita bringen. Entspannt flaniert wird hier nur am Schabbat. Die Lebenshaltungskosten sind hoch in Tel Aviv, die Arbeitstage lang.

„Die Israelis sind auf Zack“

Meschke: „Die Israelis verlangen ein ganz anderes Tempo von uns. Die Leute hier sind auf Zack, die wollen loslegen. Im Februar haben wir gesagt: Ja, die Fonds sind interessant für uns. Für unsere Verhältnisse waren wir dann auch recht schnell, haben in vier Wochen die endgültige Entscheidung getroffen. Aber ich habe schon gemerkt, die Israelis werden unruhig, das ist für die zu lang. Und dieses ständige Fordern tut uns gut.“

Als IT-Vorstand trägt Meschke die Rolle des Mediators, muss zwischen dem Mutterschiff und den digitalen Satelliten vermitteln, und dabei zwischen zwei oft konträren Auffassungen von Arbeitskultur.

Kulturen schnell zusammenbringen

Meschke: „Zwar ist es gerade trendy, sich Turnschuhe zum Anzug anzuziehen, aber in der Realität wollen sich alle nur ums Kerngeschäft kümmern und Autos bauen. Deswegen sollen sich die jungen Pflänzchen außerhalb erstmal ein Stück weit frei entwickeln dürfen. Aber dann müssen wir die zwei Kulturen schnell zusammenbringen. Es reicht nicht, der neuen flippigen Welt ab und an mal was über den Zaun zu werfen. Auf der anderen Seite werden unsere Ingenieure es zu Recht nicht akzeptieren, nur Themen umzusetzen, die jemand von außen entwickelt hat.“

Dazu kommt ein weiterer interkultureller Unterschied: In einem Start-up arbeitet man auch mal 20 Stunden am Stück, will sich nicht von Regeln ausbremsen lassen.

Digitale Satelliten als Inspirationsquelle

Meschke: „Wir müssen die Leute begeistern, ja ihnen die Ängste nehmen. Davor, dass sich die Welt verändert, dass es deinen Arbeitsplatz so nicht mehr geben wird. Wir müssen ihnen Appetit machen auf eine Welt, in der Maschinen die stupiden Arbeiten übernehmen und die Menschen kreativ und analytisch sein dürfen. Dafür ist es aber natürlich erforderlich, sie mitzunehmen auf diese Reise.“

Die digitalen Satelliten sind deswegen nicht nur Experimentierkästen für neue Technologen, sondern auch Inspirationsquelle für Mitarbeiter, die vor Ort Start-up-Kultur schnuppern und Kooperationen miterleben können. Durch den Ausbau ihrer digitalen Kompetenzen sollen alle Mitarbeiter zu Treibern der Transformation werden. Verantwortlichkeiten werden sich deshalb nicht mehr nur auf einen Bereich beschränken wie bisher.

Meschke: „Teilweise funktioniert diese neue Struktur schon sehr gut. Das bedeutet aber auch, dass nicht mehr wie in der Vergangenheit jedes Produkt, jeder Prozess erstmal bis ins Detail getestet wird, bevor man mit der Umsetzung beginnt. Dann ist die Technologie nämlich veraltet, oder die Prozessansätze sind nicht mehr en vogue. Stattdessen teilen wir jedes Thema in kleine Schritte auf und gehen nach relativ kurzer Zeit in die erste Umsetzung. Dabei lernt man gleich den nächsten Schritt für die Weiterentwicklung und hat schon in kurzer Zeit ein Produkt, das man als Pilot nutzt. Vielleicht erstmal nur intern, vielleicht ist es auch schon so  gut, dass man sich vom Kunden Feedback holen kann. Dann geht man in die nächste Runde. So können wir die Kunden rechtzeitig einbinden.“

Aber nicht nur die Kunden wollen ernst genommen werden. Junge Ingenieure kommen heute nicht mehr aus dem Frontalunterricht, sondern lernen schon in der Uni, mit Start-ups zusammenzuarbeiten, sich zu vernetzen.

Auf der Suche nach einer spannenden Arbeitswelt

Meschke: „Früher hat ein Porsche-Mitarbeiter nie darüber nachgedacht, das Unternehmen je zu verlassen. Jetzt finden die jungen Leute unsere Produkte zwar toll, aber in erster Linie sind sie auf der Suche nach einer spannenden, flexiblen Arbeitswelt. Wenn man ihnen das als Industrieunternehmen nicht bieten kann, ist man nicht interessant.“

Von der zweifachen Öffnung, sowohl intern als auch nach außen, erhofft sich Meschke, das Silodenken endgültig aus den Köpfen zu vertreiben.

Meschke: „Das ist bei uns recht ausgeprägt: Stolz ist man vor allem auf das, was aus der eigenen Abteilung kommt. Aber damit blockieren wir uns selbst.“

Typisch deutsch?

Meschke: „Natürlich fühlt man sich wohl mit dem, was man kennt, womit man immer Erfolg hatte. Es ist menschlich, erstmal mit Zurückhaltung zu reagieren. Deswegen gehen wir jetzt zu den Leuten und sagen: Hört mal, es gibt ein Ziel, an dem arbeitet ihr jetzt im Team, definiert gemeinsam die Vorgehensweise. Ihr habt die Verantwortung, wartet nicht auf einen von oben, der euch sagt, was zu tun ist! Das ist wie im Sport, dann kann man auch die Erfolge im Team feiern.“

430-Millionen-Dollar-Deal

Apropos feiern. Gerade spricht die Szene von nichts anderem als dem 430-Millionen-Dollar-Deal, mit dem der deutsche Zulieferer Continental eines der Start-ups aus dem Portfolio von Magma gekauft hat, dem zweiten Venture Capital Fonds, in das Porsche gerade investiert hat.

Entsprechend aufgeladen ist die Stimmung bei Magma. Der Fonds sitzt im selben Glasturm wie Facebook direkt am Rothschild Boulevard. Doch es gibt noch einen anderen Grund. Manager Yahal Zilka beugt sich über seinen Laptop: Gerade hat Google-Tochter Waymo per Video verkündet, dass ihre erste voll autonome Flotte im Stadtverkehr von Phoenix unterwegs ist. Was gestern Abend noch Science-Fiction war, ist plötzlich Realität. Die Uhren scheinen jetzt noch lauter und schneller zu ticken.

Start-up Argus Cyber Security

Aber erst einmal geht es weiter, zum gerade verkauften Start-up Argus Cyber Security. Gestern Abend hat Dov Moran erzählt, er habe dem Gründer damals geraten, sich nach acht Jahren in der Elite-Einheit des Geheimdiensts auf die Automobilbranche zu konzentrieren. Nur drei Jahre später gilt die Firma des 31-Jährigen als weltweit führend darin, Autos gegen Hacker-Angriffe zu schützen.

Auf der Fahrt in den Norden Tel Avivs verliert sich das Gefühl, dass sich die Ereignisse überschlagen. Schuld ist der Dauerstau. Dafür wird klar, wieso hier die erfolgreiche Navigations-App Waze erfunden wurde – ebenfalls ein Magma-Schützling.

Attacken aus dem Cyber-Space

Auf einem ruhigen Parkplatz wartet eine junge Mitarbeiterin von Argus und lässt Meschke hinters Steuer steigen. Auf ihrem Schoß balanciert sie einen Laptop. Während sie Meschke bittet, auf dem Parkplatz Runden zu drehen, spielt sie die Hackerin. Tippt über den Laptop Befehle ins Nervensystem des Autos, die erst noch relativ harmlos den Scheibenwischer oder den Blinker aktivieren. Doch plötzlich spielt die Geschwindigkeitsanzeige verrückt – und schließlich gurgelt ein furchtbares Geräusch aus seinen Eingeweiden – die Bremsen blockieren.

Mit solchen Demonstrationen klappert das Start-up derzeit die Branche ab und zeigt, dass heute kein modernes Fahrzeug vor Attacken aus dem Cyber-Space gefeit ist. Im Gegenteil, sagt Gründer Ofer Ben-Noon. Über all die Schnittstellen sei es mit der wachsenden Konnektivität sogar leichter, ein Auto zu hacken als ein Smartphone.

System überwacht Fahrzeuge in Echtzeit

Argus bietet seinen Kunden ein System, das es erlaubt, Fahrzeuge in Echtzeit zu überwachen und Angriffe von Hackern aufzuspüren, abzuwehren und gleichzeitig zu analysieren. Das ist wichtig, weil sich Cyber-Angriffe ständig weiterentwickeln.

Demnächst erwartet Meschke die hauseigenen Hacker in Deutschland. Sich nach außen zu öffnen, das heißt auch, Kritik anzunehmen – und wenn es bedeutet, dass das eigene Produkt im wahrsten Sinne des Wortes „zerhackt“ wird.

Meschke: „Ich lerne unheimlich viel hier, ich bin ja kein Ingenieur, das ist auch eine wichtige Fortbildung für mich. Heute sind wir als IT-Abteilung ja längst ein Teil des Produkts. Das ist auch ein weiteres Argument für bereichsübergreifendes Arbeiten im Unternehmen. Elektronik und IT lassen sich heute nicht mehr trennen.“

Die Technologie von Argus wird bald in vielen Fahrzeugen zu finden sein. Für Meschke ein Zeichen, wie wichtig es ist, vor Ort zu sein, wenn sich Porsche den Zugang zu relevanten Technologien und Talenten sichern will.

In Tel Aviv gibt es 600 Firmen für Cyber Security

Meschke: „Allein in der Cyber Security gibt es hier 600 Firmen. Wie sollen wir die aus der Ferne filtern? In Tel Aviv geht es für uns darum, zu fragen: Wie muss unser Produkt zukünftig in Hinblick auf Digitalisierung, Konnektivität und Elektrifizierung aussehen und welche Sicherheits-Features brauche ich? Die brauchen hier keine großen Investitionen, sondern Validierung und Coaching – und das können wir bieten.“

Auf dem Weg zum Flughafen ist doch noch ein schneller Abstecher ans Meer drin. Zum Baden ist es zu kühl, dafür tanzen Kitesurfer mit ihren bunten Schirmen über die Wellen. Zeit für ein Resümee.

„Wir kitzeln die größte Leistung raus“

Meschke: „Es ist gar nicht lange her, da waren wir selbst noch ein relativ kleines Unternehmen. Wir haben gelernt, mit wenig Mitteln viel zu erreichen; mit kleinen Budgets erfinderisch umzugehen. Also sollte uns die Start-up-Kultur eigentlich nicht so fremd sein. Unser Motto war immer: Nicht unbedingt die meisten PS, aber wir kitzeln die größte Leistung raus. Das ist unsere Stärke. Jetzt geht es darum, unseren Leuten zu vermitteln: Ja, du bist ein toller Typ, du hast viel erreicht für uns, wir brauchen dich – bitte nimm das in die Zukunft mit!“

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