Können Sie sich einen Porsche ohne Lenkrad vorstellen?
Meschke: Ein Porsche wird immer ein Fahrzeug sein, das man selbst fahren möchte und selbst fahren kann. Trotzdem gibt es natürlich Aspekte des autonomen Fahrens, die für uns interessant sind: Stauassistenten oder automatisches Einparken zum Beispiel. Es ist reizvoll, wenn ich die Fahrt ins Büro während der Rush Hour schon für mein erstes virtuelles Meeting nutzen kann. Oder denken Sie daran, wenn Sie zum Essen verabredet und vielleicht etwas spät dran sind – und Sie können das Auto automatisch einparken lassen. Das ist praktisch. Im Stau und beim Parken werden die Funktionen des autonomen Fahrens schon bald ein „Must Have“ sein.
Welche Funktionen wird Porsche über Park- und Stauassistenten hinaus anbieten?
Bis zum vollständig automatisierten Fahren gibt es unterschiedliche Stufen. Wir werden je nach Baureihe mehr oder weniger Funktionen anbieten. Bei Themen wie autonomes Fahren oder Konnektivität müssen wir Lösungen anbieten, die perfekt zu den Bedürfnissen unserer Kunden passen.
Und wann planen Sie, solche Themen auf den Markt zu bringen?
Mit den neuen Generationen des Panamera und des Cayenne sind wir bereits konsequent die nächsten Schritte im Bereich der Assistenzsysteme gegangen. InnoDrive ist ein Beispiel dafür, wie wir die technischen Möglichkeiten Porsche-typisch applizieren. Das ist ein Schritt in Richtung teilautonomes Fahren. Um sich Überblick über den Verkehr zu verschaffen, nutzt das System im Wesentlichen die Radarsensorik und den Spurhalteassistent für die Seiten- und die Längsführung in Kombination mit hochpräzisen 3D-Streckendaten aus dem Navigationssystem. Einen Stauassistenten und den Parkassistent plus gibt es im Cayenne im kommenden Jahr – je nach Markt natürlich etwas zeitversetzt. Einen richtigen Sprung machen wir dann mit dem Mission E Ende des Jahrzehnts. Grundsätzlich gilt: Es gibt im Moment unglaublich viele Möglichkeiten, wie man Technologie nutzen kann. Für uns ist es wichtig, die wichtigsten Themen für Porsche herauszufiltern und uns auf die zu konzentrieren.
Welche Lösungen sind relevant für eine Marke wie Porsche?
Wir werden zunehmend Funktionen “on demand“ anbieten. Das heißt: Der Kunde kann bei Bedarf jederzeit neue Funktionen dazu erwerben – auch lange nach dem Kauf des Autos und gegebenenfalls auch nur temporär. Sei es einmalig gegen eine Gebühr, als Flatrate oder im Abo.
Welche Funktionen bieten sich für Sie denn als on demand-Angebot an?
Denkbar ist zum Beispiel, sich Module aus dem Bereich des autonomen Fahrens individuell zusammenzustellen. Stellen Sie sich vor, Sie könnten sich per Software-Update over-the-air kurzfristig ein paar zusätzliche PS oder eine andere Fahrwerksabstimmung runterladen, wenn Sie am Wochenende auf die Rennstrecke wollen – oder dynamisches Scheinwerferlicht, wenn Sie eine lange Nachtfahrt vor sich haben.
Wie wirkt sich das auf die Rendite aus?
Wir müssen jetzt massiv in die Entwicklung investieren. Denn diese neuen Dienste werden nicht vom Himmel fallen. Bisher haben wir vor allem in die herkömmliche Fahrzeugentwicklung investiert, jetzt stärken wir die Entwicklung von Services deutlich. Aber es gilt auch: Wir wollen und müssen mit den neuen Diensten und Services Geld verdienen. Dafür benötigen wir vor allem Konzepte für ressourcenarmes Wachstum, bei denen wir nicht immer alle Ressourcen selbst besitzen müssen.
Das wird aber nicht ausreichen, oder?
Nein, eine andere Idee ist die Mark-Webber-Funktion, wie wir sie nennen – nach dem Rennfahrer und unserem Markenbotschafter. Damit ließe sich das Fahrzeug autonom über eine Rennstrecke wie den Nürburgring bewegen – so wie Webber fahren würde. Das Auto fährt den Idealkurs und zeigt, wie Kurven perfekt angebremst werden, wo am besten geschaltet und beschleunigt wird. Zuerst speichert eine Software den genauen Kurs, den Mark Webber auf einer Rennstrecke fährt. Diese Daten nutzt dann das autonome Fahrzeug und fährt den Kurs identisch nach. Anschließend kann der Kunde das Steuer wieder übernehmen, sich die Ideallinie zeigen lassen und seine Fähigkeiten als Fahrer über direktes Feedback vom Fahrzeug trainieren und verbessern. Technisch ist das bereits möglich. Natürlich kann sich der Fahrer nach und nach steigern und dazulernen. Im ersten Schritt lässt er den virtuellen Mark Webber fahren und lernt den Kurs kennen. Dann fährt er selber und lernt nach und nach vom virtuellen Coach. Zuerst fährt er mit 40 Prozent der Geschwindigkeit, dann mit 50, dann mit 60. Und natürlich sind verschiedene Rennstrecken als Optionen wählbar. Oder aber unterschiedliche Rennfahrer – vielleicht fahren Sie ja lieber wie Walter Röhrl.
Widerspricht das nicht der DNA von Porsche?
Nein, ganz im Gegenteil. Für uns sind die Digitalisierung und das autonome Fahren keine Bedrohung, sondern eine große Chance. Autonomes Fahren und Porsche passen sehr wohl zusammen, wir interpretieren es Porsche-typisch und kombinieren das, was Porsche ausmacht mit den Möglichkeiten der neuen Technologien.
Sind Ihre Kunden bereit, für solche Angebote Geld auszugeben?
Durchaus. Erstens gehen viele unserer Kunden am Wochenende gerne auf die Rennstrecke. Zweitens kann die Nutzung einer so besonderen App gut einen vierstelligen Betrag kosten. Passend dazu buchen Sie sich vielleicht online für das Wochenende auf der Rennstrecke eine Zusatzversicherung über unsere Online-Plattform, die es übrigens jetzt schon gibt.
Wie darf man sich das vorstellen?
Seit Anfang September bieten wir schon für unsere Kunden in Deutschland situativ online buchbare Zusatzversicherungen an. Wir nennen dieses Angebot „Porsche Shield“. Ein rein digitales Produkt, das nicht direkt mit dem Fahrzeug zu tun hat, unseren Kunden aber Mehrwert bietet. Für solche Dienste ist ein Porsche-Kunde durchaus bereit, Geld in die Hand zu nehmen.
Reicht Ihr traditionelles Geschäftsmodell nicht mehr aus, um die Profitabilität zu sichern?
Das Selberfahren wird bei Porsche hoffentlich noch lange am wichtigsten bleiben. Ein Porsche-Sportwagen wird eines der letzten Automobile mit Lenkrad sein. Aber autonomes Fahren wird die Effizienz der Fahrzeugnutzung dramatisch verändern. Wir müssen daher davon ausgehen, dass wir spätestens mit der Ära des autonomen Fahrens deutliche Wachstumspotenziale neben dem Fahrzeug schaffen müssen. Deswegen wollen wir mittelfristig einen zweistelligen Prozentsatz unseres Geschäfts mit digitalen Diensten erwirtschaften.
Verbrauchsangaben
911 GT3: Kraftstoffverbrauch kombiniert 12,9 – 12,7 l/100 km; CO2-Emission 290 – 288 g/km