Wer besonders viel Geld anlegen will, braucht in der Schweiz künftig nicht mehr viel Geduld. Wenn Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen einen neuen Asset-Manager zum Verwalten ihres Kapitals beauftragen, vergehen bisher häufig Wochen und Monate und viele Abstimmungsschleifen, bis die Formalien erledigt sind und Kunden tatsächlich anlegen können. Der Züricher Vermögensverwalter Vontobel nutzt die Digitalisierung, um diesen Prozess um mehr als die Hälfte der Zeit zu verkürzen. Und zugleich bietet er seinen Kunden mehr wertvolle Informationen. Das sichtbare Ergebnis ist eine App, mit der ein neuer Kunde jederzeit den Fortschritt der Vertragsanbahnung nachvollziehen kann. „Wir haben uns von der Autoindustrie inspirieren lassen“, sagt Asset- Management-Chef Axel Schwarzer. Das klingt überraschend. Aber für Schwarzer war klar: Wenn seine Kunden ein Mandat zur Vermögensverwaltung erteilen, sollen sie jederzeit Zugriff auf relevante Informationen bekommen. Und sie sollen sehen, wie weit die „Produktion“ der Verträge vorangeschritten ist – ganz wie nach der Konfiguration eines Sportwagens von Porsche.

Auch in der Finanzbranche ist die Digitalisierung der zentrale Megatrend für nahezu sämtliche Bereiche. Die Asset- Manager von Vontobel etwa zapfen für ihre aktiven Kapital markt-Strategien mithilfe von Big Data und künstlicher Intelligenz neue Wissensquellen an. Nun hat das Asset Management mit der neuen Client-App ein Instrument entwickelt, um den Kontakt zu den Kunden zu verbessern. Mit einem klaren Ziel: „Finanzprodukte erzeugen im Gegensatz zu Konsumgütern kaum Emotionen“, sagt Schwarzer. „Umso wichtiger ist es, unsere Arbeit möglichst transparent zu machen und um unsere Produkte herum ein für die Kunden vertrautes Ökosystem zu schaffen.“

Asset Management galt als nicht standardisierbar

In vielen Branchen und auch im klassischen Bankgeschäft sind benutzerfreundliche Apps längst Alltag, Millionen Kunden fragen täglich unterwegs Kontoumsätze ab und sehen zwischen Mittagssnack und Espresso nach, wie sich ihr Wertpapierdepot entwickelt hat. Im Asset Management allerdings ist so etwas noch die Ausnahme: Die Verwaltung großer Vermögen ist komplex und galt lange Zeit als Individualgeschäft und damit als „nicht standardisierbar“ – genau das ist aber Grundvoraussetzung, um Prozesse zu digitalisieren und zu vereinfachen. Für Schwarzer ist die neue App Ausdruck eines grundlegenden Umdenkens: „Unsere Branche ist es gewohnt, von den internen Prozessen her zu denken“, sagt er. „Das haben wir nun umgekehrt und den Kunden in den Fokus gerückt.“

Die App sei letztlich nur die Oberfläche, die der Kunde zu sehen bekomme, so Schwarzer. Damit sie die gewünschten Informationen jederzeit verfügbar macht, hat Vontobel gemeinsam mit Porsche Consulting die vorgelagerten Arbeitsabläufe fit für die Digitalisierung gemacht. Ein Kernelement

dabei: Das sogenannte Onboarding – die Anbahnung eines neuen Mandats bis zum Abschluss der Verträge – wurde in einzelne Module unterteilt. Der Vorteil: Innerhalb dieser Teilschritte lassen sich die zu treffenden Entscheidungen zu bestimmten Optionen zusammenfassen. Damit wird der Prozess standardisiert, die mitwirkenden Bereiche können sich untereinander und mit dem Kunden einfacher abstimmen. Das ist ein wesentlicher Punkt. Denn neben den zuständigen Onboarding-Managern sind auch Spezialisten aus Vertrieb, Reporting, Compliance und Controlling involviert, rund ein halbes Dutzend Abteilungen. Hinzu kommen zwischengeschaltete Abstimmungsschleifen mit dem Kunden. Häufig müssen zum Beispiel mehrere Abteilungen prüfen, ob bestimmte Investitionen möglich sind, die der Kunde wünscht. Dank eines mit der Client-App vernetzten internen Workflow-Tools können sämtliche Beteiligte parallel an einem Auftrag arbeiten und beispielsweise sehen, wer den Kundenwunsch bereits geprüft hat. Sobald die finale Freigabe vorliegt, bekommt der Kunde den neuen Status automatisch über seine App mitgeteilt.

Von Kunden getestet und für gut befunden

Die App unterstützt den Prozess weit über das Abschließen und Verwalten von Verträgen hinaus. Die Kunden können jederzeit Reports im gewünschten Umfang über den aktuellen Stand ihres Mandats abrufen sowie Benchmarks konfigurieren und auswählen, um die Performance der Vontobel-Asset- Manager einschätzen zu können. Das ist in der Branche der Vermögensverwalter ein großer Fortschritt, denn üblicherweise bekommen Kunden einmal pro Quartal eine Übersicht mit Daten über ihr Portfolio, die zu dem Zeitpunkt bereits mehrere Wochen alt sind. „Wir wissen, dass die zusätzlichen Informationen sehr gut ankommen“, so Schwarzer. Nachgewiesen wurde das auch durch die ersten Tests der Porsche-Berater: Sie ließen Vontobel-Kunden an sogenannten Click-Dummies die Funktionalitäten der App testen, bevor sie final programmiert wurde.

Zusätzlich zur App für die Kunden hat Vontobel noch eine weitere, sogenannte Insight App für die eigenen Manager entwickelt. Sie macht Kennzahlen zur Performance von Vontobel-Produkten, Kunden, Wettbewerbern und Märkten ebenso auf Knopfdruck verfügbar wie Daten aus dem Controlling und dem Vertrieb. „Kapitalmärkte und Unternehmen werden immer noch stark davon geprägt, was einzelne Akteure glauben“, sagt Schwarzer. „Wir wollen Wissen bei uns im Unternehmen objektivieren, transparent und damit für alle unsere Manager nutzbar machen. Dazu ist ein kultureller Wandel nötig. Das Teilen von Informationen soll mehr wert sein als das Bunkern.“

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