Sparkassen stehen in der Mitte der Gesellschaft: Mit einem dichten Netz aus über 20000 Geschäftsstellen in ganz Deutschland betreut die Sparkassen-Finanzgruppe hierzulande rund 50 Millionen Privatkunden und rund zwei Millionen Unternehmen. Das Geschäftsvolumen von rund 2900 Milliarden Euro sichert der größten Kreditinstitutsgruppe Deutschlands einen Marktanteil von über 40 Prozent bei Privateinlagen sowie im Mittelstand. Bei Handwerkskrediten sind es sogar über 70 Prozent.

Als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute kommen Sparkassen der Aufgabe nach, örtliche Unternehmen mit Krediten zu versorgen und der Bevölkerung sichere, verzinsliche Geldanlagen zu bieten. Im 19. Jahrhundert entstanden sie in Deutschland als zuverlässige Möglichkeit für finanzschwache Bevölkerungsschichten, Vorsorge für Alter und Krankheit zu treffen. Diese Ausrichtung auf Verantwortung und Nachhaltigkeit wirkt bis heute. Die Geschäftsphilosophie der deutschen Sparkassen lautet „Fair. Menschlich. Nah.“ Vor allem die Nähe ist es, die den Unterschied macht. Mit ihrem Fokus auf die regionale Wirtschaft und Privatanleger aus der Umgebung verfolgen Sparkassen einen in jeder Hinsicht kundennahen Ansatz.

Wettbewerb und Kostendruck zwingen zu Effizienz

Doch die Lage der Sparkassen ist nicht so bequem, wie es angesichts ihrer Marktpräsenz scheint. Neue Wettbewerber drängen in das Retail-Geschäft mit Kontoführung, Anlagen, Krediten und Versicherungen. Direktbanken im Internet verzichten auf stationäre Beratung und können so die Preise drücken. Zusätzliche regulatorische Anforderungen und niedrige Zinsen erhöhen den Kostendruck und zwingen Sparkassen zu einer effizienteren Arbeitsweise – ohne jedoch ihren hohen Anspruch an persönliche Beratung und regionale Verankerung aufzugeben.

Dass das kein Widerspruch sein muss, hat die Kreissparkasse Böblingen gezeigt und ihre Filialen nach den Prinzipien des Lean Managements neu ausgerichtet. Gleichzeitig besinnt sich das Geldinstitut auf seine Kernkompetenz und baut die Kundennähe noch stärker aus: „Unser Ziel ist, mit jedem Kunden mit Potenzial mindestens ein Mal im Jahr einen Dialog zu führen“, sagt Carsten Claus, seit 1999 Vorstandsvorsitzender. Das Geldinstitut ist eine von über 400 Sparkassen in Deutschland und bietet den rund 370 000 Einwohnern im süddeutschen Landkreis Böblingen mit 57 Geschäftsstellen viele Anlaufstellen für direkte Interaktion. „Es stellten sich uns die Fragen: Wo generieren wir Einlagen? Wo haben wir Kundenkontakte? Das sind die Filialen. Und wir waren herausgefordert, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen“, so Claus.

Der persönliche Dialog ist Gold wert. Er schafft Vertrauen und ist die Basis dafür, dass die Sparkassenmitarbeiter ihre Kunden kennen und optimal beraten können. Die individuelle Zuwendung ist jedoch teuer. „Der Kunde ist bereit, für gute Beratung zu bezahlen. Aber er ist nicht bereit, für komplizierte Prozesse zu zahlen“, erklärt Michael Fritz, stellvertretendes Vorstandsmitglied. Um Verschwendung zu eliminieren und sich effizient für die Zukunft aufzustellen, arbeitete die Kreissparkasse Böblingen mit Porsche Consulting zusammen. Die Berater sollten helfen, die Prozesse in den Filialen zu optimieren, zu standardisieren und zu verschlanken. „Ziel war es, mehr Zeit für den Kunden zu haben und im Vertrieb systematischer vorzugehen“, so Fritz.

Im Oktober 2012 startete das Projekt in vier Pilotfilialen, ein halbes Jahr später folgte die Ausweitung auf die weiteren Standorte. „Wichtig war, zunächst die Filialleiter mit ins Boot zu bekommen, denn unsere hoch motivierten Mitarbeiter sind unsere Botschafter“, erklärt Vorstandschef Claus. Im Fokus stand das sogenannte Shopfloor-Management der Kreissparkasse. „Alle Filialleiter haben eine Grundqualifikation zum Thema Lean Management erhalten. Sie haben die Prinzipien bei Porsche im Werk selbst gesehen und inzwischen einen Blick für das entwickelt, was Verschwendung in ihrem Prozess ist“, berichtet Dr. Matthias Tewes, Partner bei Porsche Consulting.

Mittlerweile leiten die Sparkassenmitarbeiter selbst Workshops

Um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) in die Wege zu leiten, haben die Filialleiter die Standards selbst mitentwickelt. Denn die mussten auf eine Filiale mit zwei Mitarbeitern in einer kleinen Gemeinde genauso passen wie auf die großen Direktionsfilialen. „Die Berater haben sich auf uns und unsere Individualitäten eingelassen. Das kam sehr positiv an“, so Fritz. So wurde beispielsweise standardmäßig definiert, wie die Kundenansprache erfolgen soll oder die Beratung mithilfe des Sparkassen-Finanzkonzepts gehandhabt wird. Um den Austausch der Filialleiter mit ihren Mitarbeitern effizient zu gestalten, wurden sogenannte Teamboards eingerichtet. „Das Teamboard gewährleistet, dass Probleme schnell erkannt und abgestellt werden und dass die Mitarbeiter über alles Wichtige informiert sind, aber auch nicht mit Informationen überhäuft werden“, so Tewes. Von aktuellen Kennzahlen über die Einsatzplanung bis zum Stimmungsbarometer der Filiale sind hier alle Informationen knapp und nach einheitlichen Standards aufbereitet.

Die Verbesserungen kamen bei der Belegschaft gut an und haben zu einer nachhaltigen Bewusstseinsänderung geführt, wie Kreissparkassenchef Claus feststellt: „Mir hat kürzlich eine Geschäftsstellenleiterin berichtet, dass ihre Arbeit zunächst zugenommen hat. Trotzdem ist sie mit vollem Engagement dabei, da sich die Mehrarbeit später vielfach auszahlt.“ Einer der Geschäftsbereichsleiter habe sogar die gemeinsame Joggingrunde mit ihm kurzfristig abgesagt – er müsse noch etwas für den anstehenden KVP-Workshop vorbereiten, lautete der Grund.

Mittlerweile leiten die Sparkassenmitarbeiter selbst Workshops und geben ihr Wissen an andere weiter. „Die Lean-Philosophie ist jetzt im Tagesgeschäft und in der Kultur der Sparkasse verankert“, so Tewes. Ob sich die schlanken Prozesse auch für die Kunden bemerkbar machen? „Der Schlüssel zum Erfolg ist die Anzahl der Gespräche“, sagt Fritz mit Blick auf die Absatzzahlen. Heute führen knapp 50 Prozent der Berater mehr als vier Kundengespräche am Tag. „Das ist eine signifikante Steigerung“, stellt Claus zufrieden fest. Damit sei die Basis gelegt – und die Kreissparkasse wird auch weiterhin für individuelle Beratung und persönliche Ansprache stehen.

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