„Wachstum ist anstrengend“

Im Interview mit Wolfgang Schäffer vom Westfalen-Blatt spricht Porsche-Chef Matthias Müller über steigende Verkaufszahlen, effiziente Motoren und Zukunftspläne.

Westfalen-Blatt: Wieder einmal ein neues Rekordjahr. Sind sie nur stolz darauf oder macht es Ihnen auch ein wenig Angst?

Müller: Zunächst erfüllt einen das Ergebnis mit Stolz, man ist zufrieden, dass wieder ein Geschäftsjahr erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Das ist ja schließlich kein Selbstläufer. Da zeigen sich auch immer wieder Probleme, die es zu lösen gilt. Es gibt beispielsweise Märkte, die schwächeln, oder wir müssen uns mit der Qualität beschäftigen.

Auf der anderen Seite steht mit Blick auf die vergangenen vier Jahre auch fest: Wachstum ist anstrengend. Wachstum kostet Geld, erhöht die Fixkosten, bedeutet mehr Mitarbeiter. Die Zahl der Porsche Mitarbeiter hat sich fast verdoppelt. Da müssen wir natürlich aufpassen, dass unsere Unternehmenskultur keinen Schaden nimmt. Unter diesen Gesichtspunkten habe ich zwar keine Angst, aber zumindest großen Respekt vor dem Wachstum. Uns muss allen bewusst sein, dass die Herausforderungen mit zunehmender Unternehmensgröße nicht einfacher werden.

Stichwort Probleme. Auch Porsche war von einigen Rückrufaktionen betroffen. Schadet das dem Ruf des Unternehmens? Muss man die Messlatte bei den Zulieferern und im eigenen Haus höher legen?

Rückrufe sind ein Phänomen der gesamten Autoindustrie. Es vergeht kaum eine Woche, in der es keineAktion gibt. Ich will es mir nicht leicht machen und die Schuld den Zulieferern geben. Doch es gibt immer wieder mal fehlerhaft angelieferte Bauteil-Chargen. Und man sieht es dem Bauteil zunächst nicht an, ob es schadhaft ist. Verbaut im Fahrzeug kann es dann zu einem Problem führen. Solche Fälle haben wir gehabt, wenn auch zum Glück nur im bescheidenen Umfang. Wir müssen bei der Qualitätssicherung noch früher im Vorfeld agieren. Doch auch die Lieferanten müssen schlichtweg noch sorgfältiger werden. Die machen das ja nicht aus bösem Willen. Da wird zum Beispiel ein Fertigungsverfahren verändert, weil es scheinbar noch besser oder einfacher ist. Wenn das aber schiefgeht, hat das fatale Folgen. Das heißt für uns aber auch, dass wir unsere Spezifikationen noch konkreter fassen müssen, um das Risiko weiter zu verringern.

Sind auch die Vielzahl von immer schneller eingeführten Derivaten in den einzelnen Modellreihen ein Risiko? Wie kommt die hohe Schlagzahl auf Dauer bei den Kunden an?

Damit haben wir bislang keine Probleme. Die Kunden erkennen den Wert und die Begehrlichkeit der Marke an. Und die Derivatevielfalt kommt ihrem Wunsch nach einem möglichst individuellen Fahrzeug sehr entgegen. Auch um die Exklusivität der Marke muss sich niemand Sorgen machen: Nur drei von 1000 Neuwagen sind Porsche-Fahrzeuge Dennoch haben wir das Thema vor Augen und wir gehen sehr sorgfältig damit um.

Dazu gleich die Frage: Welche Derivate wird es in diesem Jahr noch geben?

Wir zeigen gerade in Detroit doch schon zwei weitere Derivate, den Targa GTS und den Cayenne Turbo S, damit bieten wir unseren Interessenten gleich zu Jahresbeginn spannende Neuigkeiten. In den nächsten Monaten werden wir die Modellpalette bei den sportlichen Varianten weiter ausbauen, mehr dazu will ich aber heute noch nicht sagen.

Immer mehr Leistung bei den Motoren, gleichwohl hat das Thema Effizienz eine immer größere Bedeutung. Wie geht Porsche damit um? Wird es noch mehr Modellreihen mit Plug-in-Hybrid-Antrieben geben?

Wir sind mit der Plug-in-Technologie sehr gut aufgestellt und auch sehr zufrieden. Wir werden das Thema weiter ausbauen. Doch die Technik eignet sich ja nicht nur dazu, effizient unterwegs zu sein. Mit dem zusätzlichen Elektroantrieb kann auch der Fahrspaß nochmals erhöht werden. Das haben wir mit unseren drei Serienmodellen Panamera, Cayenne und 918 Spyder und vor allem auch mit dem Rennwagen 919 bewiesen. Da wir aber nach wir vor eine kleine Firma sind, können wir jetzt nicht plötzlich alle Modellreihen mit einem solchen System ausstatten. Wir müssen schauen, was wir uns leisten können und was machbar ist. Da werden wir dann Prioritäten setzen. Immer vor dem Hintergrund, die Attraktivität der Produkte zu erhalten und diese weiterzuentwickeln.

Effizienz heißt auch kleinere und sparsamere Motoren. Bedeutet das auch den Abschied von den traditionellen Saugern?

Aufgrund der CO₂-Problematik sind wir gezwungen, auf Turbotriebwerke umzustellen. Aber wir diskutieren darüber, ob wir nicht als Nischenangebot ab und an einen Saugmotor anbieten werden. Auch wenn ein Turbo natürlich viel Spaß macht. Ein Sauger ist ein Sauger – und den Spaß an dieser Technik wollen wir den Kunden eigentlich nicht nehmen.

Derzeit werden Porsche-Fahrzeuge ausschließlich in Deutschland produziert. Wird das trotz der wachsenden Verkaufszahlen so bleiben? Müssen die bestehenden Standorte weiter ausgebaut, noch mehr Stellen geschaffen werden?

Wenn sich die Notwendigkeit wirklich ergeben sollte, dann muss man reagieren. Bevor man einen wichtigen Markt aufgrund von Handelshürden wie der Besteuerung oder Zollregelungen komplett aufgibt, wird man dort Autos produzieren müssen. Aber bisher ist das nicht absehbar. Allein unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten rentiert sich eine Fabrik erst ab 100 000 Einheiten. Und wir haben kein Modell, das wir in dieser Größenordnung beispielsweise in China verkaufen. Also macht das rein rechnerisch keinen Sinn. Dessen ungeachtet beobachten wir die Entwicklung auf den Märkten genau um zu sehen, ob sich diese Frage irgendwann ergeben könnte. Wenn das so ist, müssen wir uns damit beschäftigen und dann werden wir auch eine Lösung finden.

Welche Kapazitäten sind mit den derzeit vorhandenen Werken denn machbar? Muss Porsche weiter aufstocken?

Wir haben ja nun gerade Leipzig deutlich vergrößert, Stuttgart erneuert. In Osnabrück wird kräftig und gut produziert. Im letzten Jahr haben wir fast 190.000 Fahrzeuge produziert, damit sind unsere Kapazitäten noch nicht komplett ausgeschöpft. Eine erneute Vergrößerung der Produktionsstätten benötigen wir zunächst nicht. Da ist auch Vorsicht geboten. Übernehmen wollen wir uns nicht. Neue Arbeitszeitmodelle wären ein erster Weg, um auf eine höhere Nachfrage zu reagieren. Und es wird auch weitere Einstellungen geben. Aber nicht mehr in der Rasanz wie bisher. Die Zahl von derzeit 22 000 Mitarbeitern dürfte bis Ende 2018 auf etwa 25 000 wachsen.

Und in den Werken werden mehr und mehr Geländewagen und auch sportliche Coupé-Limousinen gebaut. Der Anteil der zweitürigen Sportwagen beträgt nur noch etwa ein Drittel an den Verkaufszahlen. Schadet das dem Image des Sportwagenherstellers Porsche?

Ein ganz klares Nein. Es ist uns gelungen, in jedem Segment, in dem wir antreten, das sportlichste Angebot zu haben. Das war von Anfang an auch unsere Zielsetzung. Und das wird es auch für die Zukunft so sein. Das erkennen unsere Kunden an. Sie wissen, was sie an einem Porsche haben.

Weiß auch der Volkswagen-Konzern, was er an Porsche hat?

Wir machen unsere Arbeit, bringen gute Ergebnisse. Das wird in Wolfsburg anerkannt. Natürlich tauschen wir uns immer wieder aus, schauen, wo man noch etwas verbessern kann. Von dieser Zusammenarbeit aber profitieren alle Beteiligten. Letztlich geht es vor allem genau darum. Weshalb sollten wir nicht die Vorteile nutzen, die ein solch großer Konzern bietet? Das kommt uns und damit letztlich unseren Kunden zugute.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zum Rennsport. Wie zufrieden sind Sie mit dem ersten Jahr des LMP1-Projekts? Wie tief sitzt der Stachel von Le Mans, als der Podestplatz vor Augen war und das Auto dann kurz vor Schluss doch noch ausgefallen ist?

Die Saison war grandios. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen. Dass wir von Anfang an mithalten konnten, im Verlauf der Saison sogar um die Siege mitgefahren sind, das hätte ich so nicht erwartet. Die Teams haben sensationell gearbeitet und haben mit dem ersten Sieg im letzten Rennen dafür den verdienten Lohn erhalten.

Le Mans, das war schon eine besondere Geschichte. So etwas vergisst man nicht, das bleibt für immer im Gedächtnis. Nach dem tollen Rennverlauf hatten wir alle Chancen auf den zweiten Platz. Wenn dann wenige Runden vor dem Zielstrich die Technik streikt, tut das schon weh. Vor allem das Team hat mir leidgetan. Die hätten es verdient gehabt, auf das Podest zu kommen.

Und wie geht es 2015 mit der Langstreckenweltmeisterschaft weiter?

Wir werden die Saison mit der gleichen Mannschaft angehen und bei den Rennen in Spa und Le Mans ein drittes Auto an den Start bringen Damit haben wir eine weitere Chance, erfolgreich zu sein. Zudem haben wir im ersten Jahr sehr viel gelernt. Die Erfahrungen werden wir nutzen und ins Projekt einfließen lassen. Erfreulich ist, dass die Sponsoren, zu denen ja auch das Bielefelder Unternehmen DMG Mori Seki zählt, mitziehen. Mit ihnen gemeinsam hoffen wir, in 2015 noch erfolgreicher zu sein.

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