„Out of the box“

Disruption, digitale Ökosysteme und mittendrin Porsche – Lutz Meschke, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Porsche AG und Vorstand für Finanzen und IT, erklärt, welche Herausforderungen hier auf das Unternehmen warten, was es braucht, um sie zu meistern, und warum Tradition auch in Zeiten der Disruption keine schlechte Voraussetzung ist.

Digitalisierung ist das Projekt der Zukunft – wie reagiert Porsche darauf?

Meschke: Digitale Transformation ist in meinen Augen kein Projekt, sondern vielmehr ein grundlegender Veränderungsprozess. Für unser Unternehmen stehen Elektromobilität, Digitalisierung und Konnektivität ganz oben auf der Agenda: Wir rechnen damit, dass 2025 mehr als jeder zweite ausgelieferte Porsche über einen elektrischen Antrieb verfügt. Um Themen wie die vollständige Fahrzeugvernetzung und damit autonomes Fahren serientauglich zu machen, bedarf es einer verlässlichen und gut ausgebauten digitalen Infrastruktur.

Ist Porsche in diesem Bereich aber nicht auch von anderen Akteuren abhängig, etwa der Politik?

In der Tat, hier ist natürlich die Politik gefordert, denn wir brauchen einen schnellen Ausbau des Mobilfunk-Datennetzes in Richtung des künftigen 5G-Standards. Ebenso muss im Festnetz der Wechsel vom Kupferkabel zur Glasfaser-Technologie noch konsequenter als bisher vorangetrieben werden. Die Mobilität von morgen funktioniert nur dann, wenn wir uns auf die Infrastruktur verlassen können.

Wirtschaft kontra Politik also?

Nein, ich betone immer, dass wir den Weg der digitalen Transformation gemeinsam gehen müssen: Politik und Wirtschaft – Hand in Hand. Anders funktioniert Digitalisierung nicht. Wir brauchen allerdings ein Netzwerk ohne parteipolitische Agenda, mit sachlichen Diskussionen. Das betreiben wir ganz intensiv mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg.

Was zum Beispiel?

Wir haben uns vor allem damit beschäftigt, wie wir bestmögliche Voraussetzungen für eine fruchtbare Start-up-Kultur in Baden-Württemberg schaffen und das digitale Bildungsangebot verbessern können.

Start-ups sind klein, flexibel – und ihr Erfolg nicht unbedingt garantiert. Ist das nicht ein Gegenentwurf zu einem Konzern wie Porsche?

Es ist gar nicht lange her, da waren wir selbst noch ein relativ kleines Unternehmen. Wir haben gelernt, mit wenig Mitteln viel zu erreichen; mit kleinen Budgets erfinderisch umzugehen. Also sollte uns die Start-up-Kultur eigentlich nicht so fremd sein. Unser Motto war immer: Nicht unbedingt die meisten PS, aber wir kitzeln die größte Leistung raus. Das ist unsere Stärke.

Und wie arbeitet Porsche konkret mit Start-ups zusammen?

Das fängt in einer sehr frühen Phase an, wenn ein Unternehmen vielleicht noch nicht einmal gegründet ist, sondern nur eine Idee besteht. Dann investiert unser gemeinsamer Accelerator mit Axel Springer, APX, und fördert die noch sehr jungen Unternehmen. Wenn Start-ups in einer reiferen Phase sind, arbeiten wir über die Innovationsplattform Startup Autobahn in Projekten zusammen und entwickeln gemeinsam in 100 Tagen neue Lösungen. Wenn wir besonders an das Geschäftsmodell oder die Lösung eines Start-ups glauben, investieren wir auch direkt in junge Unternehmen.

Henric Hungerhoff, Managing Director von APX, Berlin, 2018, Porsche AG
Henric Hungerhoff (rechts) ist Managing Director von APX

 

Welche Denkansätze sind für die Zukunft wichtig?

Völlig „out of the box“. Solche Impulse, wie wir sie von Start-ups bekommen, sind genau das, was wir brauchen. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir noch deutlich offener sein müssen, was den Unternehmenszweck von Porsche angeht. Unsere Firmenkultur ist vom Ingenieurwesen geprägt. Wir sind sehr gut darin, Dinge immer weiter zu optimieren. Aber das werden wir nur noch ein paar Jahre so machen können. Dann muss es auch komplett neue Lösungen geben, und dafür müssen wir uns jetzt bereits öffnen: nicht nur in Richtung Start-up-Szene, sondern auch in Richtung anderer Industrien. Alles wächst ja immer mehr zusammen.

Offener zu werden alleine, reicht aber nicht, oder?

Es braucht vor allem Geschwindigkeit. Wer Einblicke in Israel, Asien oder das Silicon Valley hat, der weiß, dass sich die Welt unglaublich schnell dreht. Jeden Tag noch ein wenig schneller. In Deutschland herrscht die Denke vor, dass wir eine sehr erfolgreiche Industrie sind, an der unheimlich viele Arbeitsplätze hängen, und dass wir keine disruptiven Entscheidungen treffen dürfen. Es heißt immer: dosiert, überlegt. Aber in einer disruptiven Welt hast du keine Zeit, Dinge dosiert zu machen. Wir müssen von der Start-up-Kultur lernen, dass von zehn Ideen vielleicht neun sterben werden. Davon zeugt ja schon der Name für Investitionen, die in Start-ups fließen: Risikokapital.

Wie lassen sich Ihre Arbeitsweisen denn beschleunigen?

Indem wir nicht mehr jedes Produkt und jeden Prozess erstmal bis ins Detail testen, bevor wir mit der Umsetzung beginnen. Dann ist die Technologie nämlich veraltet, oder die Prozessansätze sind nicht mehr aktuell. Stattdessen teilen wir jedes Thema in kleine Schritte auf und gehen nach relativ kurzer Zeit in die erste Umsetzung. Dabei lernt man gleich den nächsten Schritt für die Weiterentwicklung und hat schon in kurzer Zeit ein Produkt, das man als Pilot nutzt. Vielleicht erstmal nur intern, vielleicht ist es auch schon so gut, dass man sich vom Kunden Feedback holen kann. Dann geht man in die nächste Runde. Viele unserer Digital- und Innovationseinheiten leben das schon heute.

Welche Rolle spielt denn der Kunde in der Digitalisierung? Die des Datenlieferanten?Im Gegenteil. Wer in einer digitalisierten Welt erfolgreich sein will, darf den Menschen nicht als eine Masse Daten ansehen, sondern er muss Produkte entwickeln, die den Menschen als einzigartiges Individuum behandeln. Nicht mehr der Mensch soll sich der Technik anpassen müssen, sondern die Technik soll dem Menschen dienen – wofür wir ihn natürlich noch besser verstehen müssen. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auch das Thema Sicherheit diskutiert.

 

Wie positioniert sich Porsche hier?

Damit beschäftigen wir uns natürlich intensiv. Mit der zunehmenden Vernetzung und der Einführung der damit verbundenen Dienste steigen zwangsläufig auch die Anforderungen an den Schutz der digitalen Informationen. Dieser Herausforderung stellen wir uns in enger Zusammenarbeit mit den Verbraucher- und Datenschützern, der Politik und den Versicherern. Der Kunde wird voll umfänglich darüber informiert, welche Daten erhoben werden, wie diese weiterverarbeitet werden und welchem Zweck sie dienen. Er darf selbst entscheiden, ob seine Daten erhoben und genutzt werden. Und: Wir beschäftigen uns mit Zukunftstechnologien wie Blockchain und testen, wie wir einen bestmöglichen Sicherheitsstandard gewährleisten können.

Zusammengefasst – was ist in Zeiten der Digitalisierung der spezielle Trumpf von Porsche?

Anders als viele Player auf dem Markt bringen wir eine starke Tradition mit. Was wir uns in Jahrzehnten aufgebaut haben, werden wir nicht einfach über den Haufen werfen. Wir tragen das Erlebnis Porsche in die Zukunft. Ich bin zwar überzeugt davon, dass in den Megacitys der Zukunft nicht mehr der Fahrzeugbesitz entscheidend sein wird, sondern Mobility-on-demand. Aber wer sagt denn, dass durchgängige Mobilitätsketten oder ein digitaler Lifestyle nicht auch Porsche-typisch und damit individuell gestaltet werden können?

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