Es ist stets ein wenig Ehrfurcht dabei, wenn Uwe Geisel mit viel Bedacht und Vorsicht eine Konstruktionszeichnung vor sich auf einer Platte ausrollt. Er streift mit der Hand über das Pergamentpapier, nach kurzem Innehalten kommentiert er fachkundig: „Das ist eine technische Zeichnung mit einem frühen Carrera-Schriftzug, er stammt aus dem Jahr 1952.“ Ein neues Blatt, dieselbe Prozedur: „Diese Zeichnung wurde 1948 für den Cisitalia gemacht, sie zeigt viele Details. Sehen Sie das Lenkrad? Dieses Design findet sich im Porsche 356-001 wieder.“ Geisel macht es spannend, rollt das nächste Papier aus: „Diese Zeichnung zeigt die filigrane Karosserie des 356, sie wurde an einem Zeichenbrett im Jahr 1950 erstellt.“ Alles Originale, die die Jahrzehnte unbeschadet überstanden haben.
Der fensterlose Kellerraum im Weissacher Entwicklungszentrum wirkt nur auf den ersten Blick kalt und nüchtern. Wenn Uwe Geisel die großen Rollschränke auseinanderschiebt, geben sie den Blick auf tausende zusammengerollte Konstruktionszeichnungen frei. Sie erinnern in ihrer Ordnung an Bienenwaben, selbst der gelbliche Farbton ist nicht so weit entfernt von dem Naturprodukt. Andere Blätter sind in den flachen Schubladen hellgrauer Metallschränke untergebracht. Die Nummernfolgen an der Front beginnen mit bekannten Ziffernfolgen: „924 …“, „944 …“, „928 …“, bevor sie mit auf den ersten Blick nicht deutbaren Ziffern enden.
Von mehr als 100 000 historischen Zeichnungen spricht Geisel mit Begeisterung. Hinzu kommen rund eine Million Filmlochkarten. In Schubfächern eng hintereinander gepackt halten sie die Daten weit zurückliegender Porsche-Konstruktionen fest. Um diese reproduzieren zu können, wurde erst vor Kurzem in Großbritannien ein neues, in schwarzem Carbon-Look aufscheinendes Gerät beschafft. Es stammt von dem einzigen Unternehmen weltweit, das solche Kartenleser mit spezifischen Eigenschaften herstellt.
Das große und weltweit bekannte Porsche Archiv ist gut geschützt im Inneren des neuen Porsche Museums untergebracht. Die Blätter mit Konstruktionszeichnungen befinden sich allerdings größtenteils in Weissach. „Wir arbeiten mit den Kollegen in Zuffenhausen eng zusammen“, betont Geisel. Hier wie dort werden Anfragen von Freunden klassischer Porsche-Fahrzeuge gern bearbeitet.
„Damit nichts kaputtgeht, wurde der Bestand seit 2002 digitalisiert“, führt Uwe Geisel aus. Die Maxime lautet, so viel wie möglich zu sammeln, damit nichts verloren geht. Lediglich bei Computerausdrucken von digitalen Entwürfen jüngeren Datums denkt Geisel ans Aussortieren. Aber erst noch wird gesichtet und sortiert. „Es gibt nach wie vor neues Material“, meint der Experte. Gerade erst sind ein paar Urkunden, Auszeichnungen und Bilderrahmen angekommen. Die Kollegen haben den Wert der Urkunden gleich erkannt und den Fachmann hinzugeholt.
Geisel ist sich sicher, dass noch weitere solcher Schätze in den Schränken des Entwicklungszentrums schlummern – und baut hier auf die Mithilfe der Kollegen. Zum Beispiel jene, die in den Ruhestand gehen und vor dem Abschied die Früchte ihres Arbeitslebens noch einmal sortieren. Die Fachabteilung EVS3 mit ihrem digitalen und analogen Zeichnungsarchiv ist jedenfalls nur einen Anruf entfernt.
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Fotos: Bernd Haase