Hermann Tilke (60) baut seit 30 Jahren Rennstrecken, unter anderem für die Formel 1. „Porsche will grundsätzlich ein dreidimensionales Fahrerlebnis bieten", sagt er.
Herr Tilke, was unterscheidet eine Teststrecke von einer Rennstrecke?
Nun, ein Porsche Experience Center ist weder das eine noch das andere, obwohl es Elemente von beidem enthält. In erster Linie geht es hier darum, dem Fahrer zu vermitteln, welche Performance in einem Porsche steckt und wie die Fahrzeugsysteme arbeiten. Daher die verschiedenen Module.
Inwieweit wirkt sich das auf das Streckenlayout aus?
Es muss den unterschiedlichen Anforderungen genügen, die an das Gelände gestellt werden. Nehmen wir zum Beispiel das Training der Porsche Sport Driving School, deren Kurse vom Basistraining bis zum Erwerb der Rennlizenz alles abdecken. Dementsprechend vielfältig muss die Strecke gestaltet werden.
Erfahrung schadet da sicher nicht.
Nein (lacht). Es ist schon ganz hilfreich, dass ich etliche Grand-Prix-Kurse, Teststrecken und Prüfgelände oder auch ganz normale Straßen entworfen habe. Aber im Endeffekt ist jede Strecke ein Unikat.
Ein Standardlayout für die Experience Center wäre also nicht denkbar?
Nein. Man kann ja den Grundstückzuschnitt und vor allem die Topografie nicht außer Acht lassen. Porsche will grundsätzlich ein dreidimensionales Fahrerlebnis bieten. Das heißt, es müssen immer Berg- und Talabschnitte vorhanden sein – nicht nur für die Offroad-Parcours, sondern auch für die Asphaltstrecken. Wo die natürliche Topografie das nicht hergibt, wie zum Beispiel im Porsche Experience Center in Los Angeles County, bauen wir diese in der Idealform.
Wie gehen Sie eigentlich eine neue Strecke an?
Zunächst wird die Strecke am Computer anhand eines 3-D-Modells simuliert. Hierfür verwenden wir GPS-Daten. Absolute Präzision ist dabei immer gefragt, schließlich beeinflusst etwa der Kurvenradius die Geschwindigkeiten, die gefahren werden können. Ich erinnere mich noch gut, wie wir die Strecke für das Werk Leipzig geplant haben. Weltberühmte Rennstrecken und ihre charakteristischen Passagen zu integrieren, war schon eine besondere Herausforderung.
Was gilt es beim Asphalt hinsichtlich der hohen Beanspruchung zu beachten?
Wichtig ist, dass realistische Bedingungen herrschen mit der richtigen Mischung, was Reifenhaftung und -verschleiß angeht. Der Asphalt, den wir für die Experience Center verwenden, ist mit dem für normale Straßen vergleichbar. Anders sieht es natürlich bei den Nasshandling-Passagen aus. Je nachdem, welche Fahrmanöver und Geschwindigkeiten geplant sind, gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Untergrundbeschaffenheit: von poliertem Beton über Epoxi bis hin zu bitumenhaltigen Oberflächen.
Wo wir beim Thema Sicherheit sind: Warum ist das Nasshandling so wichtig?
In diesen Passagen trainieren die Fahrer nicht nur ihr eigenes Verhalten, sie lernen auch, wie die Assistenzsysteme des Autos in bestimmten Extremsituationen reagieren. Gerade bei Hochleistungssportwagen ist das Thema Sicherheit immens wichtig. In Atlanta ist es zum Beispiel nicht üblich, Winterreifen aufzuziehen. Weil es kaum schneit, braucht man sie in der Regel schlicht und ergreifend nicht. Ich erinnere mich allerdings an einen Wintertag, an dem es dermaßen geschneit hat, dass in der Stadt gar nichts mehr ging. Wir waren im Porsche unterwegs und haben die komplette Palette der Assistenzsysteme ausgereizt.
Ein Szenario, das beispielsweise in Shanghai eher unwahrscheinlich ist.
Ja, oder in Carson. In Leipzig wiederum gehört Schnee zum Verkehrsalltag. In jeder Region herrschen andere Bedingungen, daher ist auch jede Strecke einzigartig.
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Nr. 374