Glänzende Trophäen aus Rio, New York, Melbourne und Wimbledon sowie riesige Plakate, die an große Erfolge erinnern: Hier in der polnischen Ortschaft Puszczykowo, südlich von Posen gelegen, nahm die Karriere einer der erfolgreichsten Tennisspielerinnen der Gegenwart ihren Anfang. Heute bereitet sich Angelique Kerber in der von ihr gegründeten Tennisakademie auf einen ganz besonderen Moment vor: ihre Rückkehr nach 18 Monaten Babypause.
Tennis war nicht mehr der Mittelpunkt
Wir treffen Kerber kurz vor ihrem Start bei den Australian Open 2024. Endlich wird sie wieder bei einem Turnier von Weltrang aufschlagen. Sie wirkt fokussiert, in sich ruhend und hochmotiviert. Nachdem Töchterchen Liana im Februar 2023 zur Welt gekommen war, änderte sich fast alles in ihrem Leben. Zum ersten Mal seit vielen Jahren war Tennis nicht mehr der Mittelpunkt. „Der Break war eine totale Umstellung“, erzählt Kerber, „aber zugleich war diese Zeit mit meiner Tochter auch ein großes Geschenk.“ Sie habe viel dazugelernt, meint sie. Weniger Perfektionismus, dafür mehr Geduld - das sei der Schlüssel. „Schließlich ist jetzt eine andere Person in meinem Leben viel wichtiger als ich selbst“, erklärt sie lachend. „Höchstleistungen sind auch mit weniger Schlaf möglich. Und etwas mehr Flexibilität und Spontaneität tun mir ohnehin gut.“
Dass sie zurückkehrt, daran hatte die 36-Jährige nie einen Zweifel. „Ich habe den Wettkampf und die Emotionen vermisst. Das bekommt man nirgendwo sonst so wie auf dem Platz.“
Bevor sie im Januar wieder bei einem Grand-Slam-Turnier an den Start geht, spielt Kerber ihre ersten Matches beim United Cup in Sydney - und erringt dort im Halbfinale auch ihren ersten Sieg als Mutter gegen die Australierin Ajla Tomljanović. Wenige Tage später dann die Rückkehr auf die große Bühne bei den Australian Open. Doch nach rund zwei Stunden muss sich Kerber geschlagen geben. In der ersten Runde unterliegt sie der US-Amerikanerin Danielle Collins in drei Sätzen. „Es war nicht mein bestes Tennis“, berichtet Kerber danach den anwesenden Journalisten. „Trotzdem habe ich alles probiert. Es ist eine Herausforderung, aber der gehe ich nach.“
Hier in Melbourne spielte sich Kerber 2016 an die Weltspitze, als sie ihren ersten von drei Grand-Slam-Titeln gewann. Noch im selben Jahr folgte der Sieg bei den US Open. 2018 dann der große Triumph in Wimbledon. Insgesamt stehen 14 Turniersiege als Profispielerin in ihrer sportlichen Vita. Doch auch Niederlagen sind Teil ihres Sports, Kerber hat das längst verinnerlicht.
„Tennis ist auch ein mentales Spiel. Wenige Prozente entscheiden darüber, ob du gewinnst oder verlierst“, erklärt sie uns beim Besuch in Polen. „Das Erfolgsrezept ist es, genau das zu akzeptieren. Meine Niederlagen sind ein Teil von mir und haben mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin.“
Rückzugsort zwischen den Turnieren
Die Akademie liegt am Rande des Wielko-polski-Nationalparks mit seinen vielen Seen, Wander- und Radwegen. Abgeschiedenheit, Ruhe und Natur - alles, was es für eine fokussierte Vorbereitung braucht. Als Kerbers Großvater Janusz Rzeźnik vor mehr als 20 Jahren hier die erste Tennishalle für seine talentierte Enkelin nach internationalen Standards baute, war das der Ausgangspunkt ihrer Karriere. Hier hat sie alle Phasen ihrer Laufbahn erlebt, Tiefpunkte und Höhenflüge. „Ich bin meinem Großvater sehr dankbar“, sagt die gebürtige Deutsche, die auch die polnische Staatsbürgerschaft besitzt und ihren Lebensmittelpunkt mittlerweile nach Puszczykowo verlegt hat. „Hier habe ich zwischen den Turnieren immer einen Rückzugsort, um mich in Ruhe und professionell vorzubereiten.“
Mittlerweile hat Kerber ihr Trainingszentrum umfangreich erweitert: insgesamt elf Innen- und Außenplätze mit unterschiedlichen Belägen, ein Gym, Saunen, ein Hotel mit Restaurant sowie großzügige Loungebereiche bieten ideale Trainingsbedingungen, nicht nur für Kerber.
Die Türen der Akademie sind für Nachwuchstalente sowie für Gäste geöffnet. Ob Anfänger oder Profis, jung oder alt - jeder ist willkommen. Zweimal im Jahr finden außerdem internationale Turniere statt. Aber warum kehrt Angelique Kerber auf die Centre-Courts dieser Welt zurück, wenngleich sie dort schon alles erreicht hat? Es ist ihre starke Botschaft, mit der sie jungen Frauen Mut macht: „Ich möchte zeigen, dass man als Mutter auch im Leistungssport in den Beruf zurückkommen kann“, erklärt sie. „Wir sehen heute im Tennis immer mehr Frauen wie Naomi Ōsaka oder Elina Switolina, die nach der Babypause wieder spielen und die ihre Kinder auch mal zu Turnieren mitnehmen. Vor einigen Jahren war das noch undenkbar.“ In den 1980er-Jahren war das Berufsleben von Profispielerinnern beendet, sobald sich Nachwuchs ankündigte. „Auch heute haben viele Frauen in vielerlei Berufsfeldern noch Schwierigkeiten, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Für sie möchte ich eine Inspiration sein und ihnen diese Sorgen nehmen.“
Altbekannte Präzision beim Training
Unterstützung bekommt sie von ihrem Partner, ihrem Team und ihrer Familie: Mutter Beata leitet die Akademie, auch die Großeltern sind hier immer mal wieder anzutreffen und speisen in familiärer Atmosphäre mit Trainern, Managern und der Enkelin zu Mittag. „Ohne diese Hilfe wäre der Neuanfang unmöglich gewesen“, erinnert sich Kerber. Auf dem Platz ist von der Babypause wenig zu spüren - beim Training serviert sie die Bälle mit altbekannter Wucht und Präzision. Wenn es richtig gut läuft, spielt sie sich dabei in einen Tunnel. „Ich konzentriere mich dann nur auf diesen einen Moment, schiebe alle Gedanken und Probleme beiseite“, erzählt Kerber. „Das ist nicht immer einfach. Trotzdem muss ich rausgehen, mich zeigen und ein gutes Match abliefern.“
Zielstrebig, voller Energie und Dynamik, immer auf maximale Leistung fokussiert. Ihr Naturell passt auch zu dem Fahrzeug, mit dem sie an der Akademie vorfährt: einem Porsche 911 Turbo (Typ 992). „Sportwagen faszinieren mich schon immer. Darum ist es auch eine Ehre, seit knapp zehn Jahren Teil der Porsche-Familie zu sein“, betont die Markenbotschafterin. „Power, Performance und der Wille, immer besser werden zu wollen - das passt zu mir.“
Wohin kann der Weg von jemandem noch führen, der die Spitze schon erreicht hat? Kerber hat darauf eine klare Antwort: „Auf den Platz. Es sind die Matches, die mich inspirieren und motivieren“, sagt sie. „Egal, wie lange die Reise noch geht: Ich möchte jeden Moment in diesem Kapitel meines Lebens genießen und alles rausholen, was möglich ist.“ Die große Liebe zu ihrem Sport lässt sie nicht los. Und Chancen, diese Liebe zu leben, gibt es in diesem Jahr mehr als genug.
Am 13. April wartet das nächste Highlight in Stuttgart: der Porsche Tennis Grand Prix. Für Kerber ein Heimspiel. Sie tritt hier zum 13. Mal an, zweimal nahm sie den Pokal und das begehrte Siegerfahrzeug mit nach Hause. 2015 ein 911 Carrera 4 GTS Cabriolet (991), im Jahr darauf dann einen 718 Boxster S. „Ein solches Turnier vor heimischem Publikum, Freunden und Familie zu spielen, ist eine große Motivation und etwas ganz Besonderes“, so Kerber. „Und der neue, vollelektrische Macan als Hauptgewinn ist 2024 natürlich ein zusätzlicher Ansporn.“
Olympische Sommerspiele in Paris
Nur gut drei Monate später startet das nächste Event, das Leistungssportlerinnen wie Kerber nicht oft vergönnt ist: die Olympischen Sommerspiele in Paris. Kerber sieht es als Chance - und auch als Herausforderung. Dennoch geht sie ihre Aufgaben mit einer anderen Einstellung an, seit Tochter Liana geboren ist. „Wenn es bei Olympia nicht klappt, habe ich trotzdem alles erreicht, was ich mir als Kind erträumt habe“, betont sie. „Das kann mir keiner mehr nehmen. Alles, was jetzt noch kommt, ist wie ein schöner Bonus für mich.“
Info
Text erstmals erschienen im Christophorus Magazin, Ausgabe 410
Autorin: Bettina Krause
Fotos: Urban Zintel
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