Im Januar 1982 erprobte Derek Bell den neuen Rennwagen in Le Castellet. Er erzählt: „Es war fantastisch, der Wagen war perfekt. Er ging wahnsinnig schnell um die Kurven und er war sehr stabil.“ Auch Jochen Mass gehörte zu den ersten Fahrern, und er weiß noch, dass er ebenso von dem 956 begeistert war: „Er war so anders als all die anderen Rennwagen vorher, besaß viel mehr Downforce und war effizient in jedem Detail. Mit dem 956 waren viele Kurven einfach nicht mehr da. Denn das Auto war so gut, dass man sie nun mit Vollgas nehmen konnte. Zudem ließ sich das Auto komfortabel fahren, erst recht auf Langstrecken, denn die Sitze waren gepolstert und man saß gut.“
Zu den wenigen, die skeptisch waren, gehörte ausgerechnet Entwicklungsvorstand Helmuth Bott. Er konnte sich nicht vorstellen, dass so ein 620-PS-Renner schneller war als der Vorgänger 917 mit 1.000 PS. Damit Singer nicht tricksen konnte, wählte Bott für einen Vergleich den Piloten höchstpersönlich aus und vertraute Bell die Aufgabe als unabhängigem Fahrer an. Singer schmunzelt: „Letztlich war der 956 zwei Sekunden schneller. Bott war zufrieden und setzte sich dann selbst in den Rennwagen, um ein Gefühl für das Auto zu bekommen.“ In Le Mans waren es dann aber Derek Bell und Jacky Ickx, die 1982 den 956 als Sieger über die Ziellinie fuhren. Jochen Mass erreichte mit Vern Schuppan den zweiten Platz und Hurley Haywood, Al Holbert und Jürgen Barth wurden mit ihrem 956 Dritte. Am Ende gingen die Rennwagen in der Reihenfolge ihrer Startnummern 1, 2 und 3 über die Ziellinie. Gleich in seiner ersten Saison 1982 stellte der Porsche 956 in der Gruppe C damit seine Schlagkraft unter Beweis.
Benzinsparen als Abenteuer
Besonders wichtig war von Anfang an, Benzin zu sparen. „Es gab für Langstreckenrennen erstmals eine ganz klare Spritverbrauchsregel,“ erklärt Singer. „Maximal 100 Liter an Bord waren erlaubt und es mussten fünf Pitstops absolviert werden. Maximal 600 Liter durften für die gesamte Renndistanz verbraucht werden. Aber man konnte die Wagen ja nie leerfahren – die Gefahr, dass man dann irgendwo draußen liegenblieb, war zu groß. Trotzdem ist es manchmal passiert, dass jemandem am Ende der Sprit für zwei Runden fehlte und er am Pistenrand warten musste, bis dort aufgefüllt wurde.“
Benzinsparen war allerdings auch ein gefährliches Abenteuer, wie Bell erzählt: „Wir mussten einen Zettel, etwa 5 x 7 Zentimeter klein, auf die Mitte des Lenkrades kleben. Oben stand: 11, 12, 13. An der Seite gab es die Zahlen 1 bis 13. Auf dem Instrumentenbrett gab es die Anzeige, wieviel Sprit wir an einem bestimmten Punkt verbraucht hatten. Wir gingen also raus für 11, 12 oder 13 Runden. Wenn wir elf Runden mit dem Sprit schafften, waren wir echt schnell. Aber das hieß auch: mehr Tankstopps. Jeder Stopp bedeutete drei bis vier Minuten Zeitverlust. Wir konnten 13 Runden schaffen – sehr ökonomisch, aber auch sehr langweilig für jeden Beteiligten.“ Die Rechnerei war das eine, das andere aber das Ablesen: „Auf der Mulsanne-Geraden waren wir 360 km/h schnell und dabei mussten wir auf dieses kleine Stück Papier schauen und ausrechnen, wie viele Runden wir uns vornahmen. Glauben Sie mir, wir haben hart gearbeitet in den Autos.“
Der deutsche Rennpilot Hans-Joachim Stuck stieß 1985 zum Porsche-Team und erinnert sich: „Ich fuhr in einem Team mit Derek. Ich konnte mich hundertprozentig auf ihn verlassen. Wir hatten nie einen internen Wettstreit. Mal war er schneller, mal war ich schneller. Peter Falk hatte uns beigebracht, wie wir in Le Mans zusätzlich Benzin sparen konnten, zum Beispiel beim Bremsen nach der sehr langen Mulsanne-Geraden. Normalerweise bremsten wir 200 Meter davor, sollten jetzt aber bereits 400 Meter davor den Fuß vom Gaspedal nehmen und den Wagen nur noch rollen lassen. Es gab etwa zehn weitere Kurven, da haben wir das auch so gemacht. Damit geriet die Distanz mit voll gedrücktem Gaspedal deutlich kürzer. Was für eine geniale Idee – so haben wir sie alle geschlagen.“
Außergewöhnliche Ideen
Auch außergewöhnliche Ideen des Teams halfen, das Benzinproblem zu lösen: Weil damals noch der Sprit an der jeweiligen Rennstrecke völlig uneinheitlich war, wussten die Teams nie genau, wie und worauf sie ihre Motoren einstellen sollten. Helmut Schmid, damals Motorenmann, erinnert sich noch genau: „Wir kamen auf die Idee, den 944 Turbo, den Dienstwagen von Norbert Singer, zu nutzen. Wir haben eine Messeinrichtung installiert und dann Basissprit mit dem Benzin von der Rennstrecke verglichen. Volle Drehzahl, volle Bremse, bis alles glühte. So sind wir an die Klopfgrenze des Motors gekommen. Und schon waren wir im Vorteil, weil wir nun wussten, wie wir die Motoren einstellen mussten in Sachen Zündung, Einspritzungsparameter und mehr. Später haben wir dann die Klopfregelung vom 944 huckepack auf das Steuergerät des 962 gebaut.“ Und Singer komplettiert: „Ein Vergleich in Spa von 1982 und 1985 zeigt, dass die durchschnittliche Rundenzeit im gesamten Rennen in dieser Zeit um sieben Prozent schneller wurde, der Spritverbrauch ging dabei aber um 23 Prozent zurück.“