Uwe-Karsten Städter wurde 1956 in Wolfsburg geboren, machte eine Lehre bei Volkswagen und stieg die Karriereleiter Schritt für Schritt hinauf. „Ohne, dass ich es geplant habe“, sagt er im Interview mit der Braunschweiger Zeitung. Im August geht der 64-Jährige in den Ruhestand – und blickt vorher zurück auf die eigene Karriere.
Herr Städter, mit 16 Jahren haben Sie zum ersten Mal einen Fuß bei VW in die Tür gesetzt. Dieses Jahr werden Sie 65 und verabschieden sich nach fast 50 Jahren aus dem Konzern. Was hat Sie so lange bei VW gehalten?
Uwe-Karsten Städter: Die spannenden Aufgaben, die mir übertragen wurden. Die positive Entwicklung der Marke Volkswagen und des Konzerns. Und die tollen Menschen, mit denen ich arbeiten durfte. Das hat mich immer wieder begeistert. Volkswagen ist so vielseitig und gleichzeitig erfolgreich. Ich verdanke dem Unternehmen wahnsinnig viel. Es hat mich geprägt, gefordert und mit verschiedenen Leitungsfunktionen betraut.
Glauben Sie, eine Karriere wie Ihre – vom Azubi zum Marken-Vorstand – wäre heute so noch möglich?
Städter: Das würde ich nicht ausschließen. Aber es gehört auch Glück dazu. Man muss teamfähig sein, Leidenschaft haben, Herausforderungen annehmen. Die Rahmenbedingungen heute haben sich natürlich verändert. Ich habe meine Karriere jedenfalls nie geplant, auch wenn mir das keiner glaubt (lacht).
Sie haben Zeit Ihres Berufslebens im Einkauf gearbeitet. Wie hat sich dieser Bereich in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Städter: Die Dimensionen der Beschaffung haben sich verändert. Die Mehrmarkenstrategie hat dabei eine große Rolle gespielt. Der Konzern ist seit den 1970er-Jahren stark gewachsen. Das hat sich auch auf die Beschaffung ausgewirkt. Das Einkaufsvolumen ist wesentlich höher und heute arbeiten dort viel mehr Menschen. Und die Digitalisierung hat noch einmal für einen Schub gesorgt. Ich kann mich noch gut an meine Anfangszeit bei VW erinnern: Wir hatten Metallschreibtische und ein Telefon mit einer Wählscheibe für jeweils zwei Mitarbeiter. Bis heute haben sich die Arbeitsabläufe weiterentwickelt und es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, daran mitzuarbeiten.
Wie wirkt sich der Halbleiter-Mangel bei Porsche aus?
Städter: Wir sind ganz gut durchgekommen. Die Fertigung unserer Fahrzeuge haben wir so optimiert und gesteuert, dass es bislang nur geringe Auswirkungen auf unsere Produktion gab. Wir stimmen uns dazu im Konzern-Verbund ab, aber es ist dennoch eine anstrengende Situation.
Und welche weiteren Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie bei Porsche bislang?
Städter: Die Pandemie hat alle getroffen. Wir haben sie besonders durch einen sechswöchigen Produktionsausfall im letzten Jahr zu spüren bekommen. Mit einer Kombination aus Abstimmung und Organisation haben wir danach die Versorgung aufrechterhalten. Entscheidend war die intensive Kommunikation mit unseren Lieferanten: Wir waren permanent im Kontakt, kannten jederzeit die Situation aller Partner. Ich habe mein Team gebeten, dass sie jeden Tag mit unseren Zulieferern telefonieren und sich informieren, wie es ihnen geht. Und natürlich hat der Konzern geholfen: Insbesondere bei den Corona-Schutzmaßnahmen haben wir uns eng abgestimmt. Die Konzern-Standards haben wir auch mit Lieferanten geteilt.
Wie viele Zulieferer haben Sie durch die Corona-Pandemie verloren?
Städter: Keinen einzigen.
Und wie schätzen Sie die Situation der Zulieferer ein mit Blick auf die Elektro-Mobilität und dem Aussterben des Verbrennungsmotors?
Städter: Wir befinden uns in einer Transformation, die es in dieser Dimension noch nicht gegeben hat. Das ist für Zulieferer und Dienstleister besonders herausfordernd. Sie sind enorm gefordert. Und zwar nicht nur beim Produktportfolio, sondern auch bei der finanziellen Ausstattung. Rund 25 Prozent unserer traditionellen Zulieferer sind schon in Richtung Elektromobilität umgestiegen.
Wie wichtig ist es für deutsche Autobauer bei der E-Mobilität von etwa asiatischen Zulieferern unabhängiger zu werden?
Städter: Die Transformation wird die Lieferketten stark verändern. Die Globalisierung ist unumkehrbar. In der Beschaffung werden wir immer mehr als Wertschöpfungs-Manageragieren. Die Verbrennungstechnologie ist seit Jahrzehnten bei den Lieferanten etabliert. Die neuen Strukturen sehen ganz anders aus: Es gibt andere Komponenten, spezielle Rohstoffe und neue Technologien. Das bedeutet, dass wir uns schon viel früher Kenntnisse verschaffen müssen, zum Beispiel bei den Rohmaterialien. Nachhaltigkeit steht im Fokus, das beginnt bei der Beschaffung von Kobalt und Lithium für die Batteriezellfertigung. Wir sorgen daher bereits in der Lieferkette für kompetente Partner. Generell gilt: Jetzt werden die Entscheidungen getroffen, wer in Zukunft mit wem wie zusammenarbeitet. Das ist ein ziemlich dickes Brett, das es zu bohren gilt. Alle, auch die Hersteller, müssen sich in den Wertschöpfungsketten neu orientieren.
Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass beim Neu-Aufsetzen der Lieferketten doch zum Beispiel Sub-sub-Lieferanten dabei sind, die Mitarbeiter unter schlechten Bedingungen arbeiten lassen? Etwa beim Kobalt-Abbau in Minen?
Städter: Ich würde das nicht als Gefahr bezeichnen, sondern als Chance. Wir sind heute durch die Nutzung von künstlicher Intelligenz in der Lage zu erkennen, wenn bei einem Lieferanten etwas nicht ordnungsgemäß läuft. Wir beobachten mit einem Frühwarnsystem über 4000 Lieferanten auf der ganzen Welt. Das ist der Anfang. Wir wissen damit, wann wir proaktiv eingreifen müssen. Wir kümmern uns gezielt um die Nachhaltigkeit. Unterstützen Lieferanten auch dabei, Strukturen und Prozesse zu verbessern. Letztlich geht es um Menschen und um faire Arbeitsbedingungen. Dafür setzen wir uns ein.
Reicht das? Man kann sich ja viel unterschreiben lassen und auch Frühwarnsysteme sind erst ein Anfang, wie Sie sagen …
Städter: Wir sind auch vor Ort und schauen uns das an. Und zwar nicht nur, wenn ein Hersteller auffällig geworden ist. Wir fahren selbst zu den Minen oder lassen uns zeigen, wie das Leder gegerbt wird.
Letzte Frage: Was fahren Sie für ein Auto?
Städter: Ich fahre immer die Marke, für die ich gerade arbeite. Bei Volkswagen einen VW, bei Seat einen Seat und jetzt bei Porsche den Taycan, unseren ersten vollelektrischen Sportwagen. Übrigens fahren alle Porsche- Vorstände ein Elektrofahrzeug. Wir müssen die Fahrzeuge auf der Straße erfahren, um die Erfahrungen unserer Kunden teilen zu können.
Und was fahren Sie lieber? Elektro oder Verbrenner?
Städter: Beides! Das Fahrgefühl der Elektromobilität ist einfach klasse. Die enorme Beschleunigung, das leise Dahingleiten, die starke Fahrleistung. Das ist eine ganz neue und moderne Art der Mobilität.
Das müssen Sie jetzt sagen …
Städter: Das meine ich ernst. Ich begeistere mich aber auch an unseren emotionalen Verbrennern. Etwa einem Porsche 911 GT3 RS. Das Eine schließt das Andere nicht aus, obwohl ich mit Verbrennern groß geworden bin. Aber die Chance zu nutzen, die vollelektrische Zukunft mitzugestalten, ist ganz wichtig – und macht viel Spaß!
Zur Person
- Uwe-Karsten Städter, 64 Jahre, wurde 1956 in Wolfsburg geboren.
- 1974 startete er seine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Volkswagen und bildete sich schließlich zum Industriefachwirt weiter.
- Städter durchlief mehrere Stationen im VW-Konzern, von 1999 bis 2002 war er bei Seat etwa Leiter der Chemie-Beschaffung, 2007 wurde er Leiter der Konzernbeschaffung Elektrik.
- Seit 2011 sitzt der Wolfsburger im Vorstand der VW-Tochter Porsche – auch beim Sportwagenbauer ist er für die Beschaffung zuständig.
Info
Text erstmalig erschienen in der Braunschweiger Zeitung.
Das Interview führte Hannah Schmitz.