Offenes Geheimnis

Zuweilen tauchen vergessene Schätze auf. So wie dieses 356 1500 Pre-A Cabriolet, für das die Firma Reutter eine Karosserie aus Aluminium schuf – es blieb allerdings ein Unikat.

Es gehört viel Fantasie dazu, das mit dem typischen Porsche-Sound vorbeifahrende Cabriolet als etwas Besonderes zu identifizieren – wenn man einmal davon absieht, dass jedes der nur 394 Cabriolets, die Porsche 1953 baute, eine Rarität ist. Und dennoch: Dieses Cabriolet ist ein Unikat, denn unter der elfenbeinfarbenen Originallackierung verbirgt sich eine Aluminium-Karosserie – was natürlich direkt zu der Frage führt, was die Karosseriewerke Reutter vor 66 Jahren bewogen hat, im Frühjahr dieses Jahres ein 1500er-Cabriolet mit einer Aluminium-Karosserie aufzubauen. Denn eigentlich dienen Alu-Karosserien ja dazu, Fahrzeuge – also Coupés – leichter und agiler zu machen, um im Motorsport Siege zu erringen. Ein Cabriolet zu erleichtern ergibt da nicht viel Sinn.

356 1500 Pre-A Cabriolet, 2020, Porsche AG
Endlich wieder freie Bahn: 66 Jahre nach der ersten Schlüsselübergabe ist das 356 Aluminium-Cabriolet wieder in alter Schönheit auf den Straßen zu bewundern. In der Originalfarbe Elfenbein neu lackiert, kommt die Ästhetik der schlichten Linien besonders gut zum Tragen.

Und dennoch: Hier steht das Unikat – perfekt restauriert nach sechs Jahren harter Arbeit. Dipl.-Ing. Rolf Sprenger, Urgestein der Porsche-Geschichte und der Initiator der Sonderwunschabteilung Porsche Exclusive, hat diese Herkulesaufgabe beaufsichtigt und einem „daily driver" so wieder zu altem Glanz verholfen. Eine Herkulesaufgabe deshalb, weil die Restaurierung eines Unikats alle Beteiligten permanent mit Fragen konfrontierte, auf die es nur bedingt Antworten gibt – nur eines von vielen Beispielen: Wie haben die Arbeiter damals das Problem der Kontaktkorrosion zwischen dem Stahlrahmen und dem Aluminiumaufbau gelöst?

Qualität ging hier vor Geschwindigkeit - das war auch einer der Gründe, warum die Restaurierung schließlich sechs Jahre dauerte.

Doch zurück zu der Frage „Warum ein Aluminium-Cabriolet?". Und da auch intensive Suche in den Archiven von Porsche und Reutter hier nur bedingt weiterhilft, bleiben nur Vermutungen – eine davon könnte ein Kontakt zum 1892 in Köln gegründeten Verband der Maschinenbauer (VdM) sein, von dem ein Mitglied den Wagen in dieser Konfiguration bei Porsche bestellt haben könnte, obwohl auch das heute nicht mehr zu klären ist. Ob eines der Mitglieder des Verbands prüfen wollte, ob sich eine kleine Alu-Produktion rechnen würde? 

356 1500 Pre-A Cabriolet, 2020, Porsche AG
Auf der Suche nach der Perfektion: Unter der Aufsicht von Dipl.-Ing. Rolf Sprenger und den Augen eines Besitzers, der die Details dieser Modelle über Jahrzehnte verinnerlicht hat, erwachte das Knickscheiben-Cabrio zu neuem Leben.

Wenn das des Rätsels Lösung sein sollte, dann hätte allerdings ein Blick in die damals noch junge Geschichte des Hauses Porsche genügt, die damit verbundenen Schwierigkeiten offenzulegen. Denn nach den ersten, noch in Gmünd aus Aluminium gefertigten Fahrzeugen hatte man sich nach dem Umzug nach Zuffenhausen auf Stahlblech-Karosserien verständigt, die leichter, preisgünstiger und problemloser zu fertigen waren.

356 1500 Pre-A Cabriolet, 2020, Porsche AG
Stolze 55 PS leistet der 1.488 cm³ große Vierzylinder, die er bei 4.400/min zur Verfügung stellt. Mit der Alu-Karosserie dürften 160 km/h erreichbar sein.

Und auch das unglückliche Schicksal des in nur 15 Exemplaren (plus ein Roadster mit Stahlkarosserie) im Jahr 1952 entstandenen 356 America Roadsters hatte das Thema Aluminium nicht wirklich unterstützt – hier sorgten die hohen Produktionskosten dafür, dass die Gläser-Karosserie GmbH in Ullersricht bei Weiden in der Oberpfalz nach dem Bau der Raritäten, die heute als Speedster-Vorläufer gesehen werden, Konkurs anmelden musste. Kein Wunder, dass Ferry Porsche später in seinen Erinnerungen schrieb, dass man bei „Reutter nicht geneigt war, Alukarosserien zu schweißen". Es scheint also Gespräche zu dem Thema gegeben zu haben – doch keine Aufträge. Bis auf dieses Cabriolet – das offenbar jedoch kein Auftrag des Hauses Porsche an Reutter war.

356 1500 Pre-A Cabriolet, 2020, Porsche AG

Ausgeliefert wurde der Wagen im Juli 1953 an den bekannten Porsche-Händler Glöckler in Frankfurt, über die fruühe Geschichte des Unikats ist nichts bekannt – die Spur lässt sich erst in den 70er-Jahren wieder in Großbritannien aufnehmen, wo er in Gloucester zum Preis von 1.000 £ angeboten wurde: „Historic and unique Porsche Cabriolet Type 356. Aluminium body specially built to single order by Reutter, Zuffenhausen, March, 1953, unmarked white paintwork, new grey interior trimming, new red upholstery and new black hood, all to original standards." 

Restaurierung als Bedingung

Dann kam der Wagen irgendwann nach Deutschland, wo ihn der heutige Besitzer vor mehr als 20 Jahren unter der Bedingung erwerben konnte, ihn eines Tages perfekt zu restaurieren und ihn nicht als Spekulationsobjekt für ein paar Jahre in die Ecke zu stellen. Ein Gentleman’s Agreement, an das sich der Käufer selbstverständlich hielt – um dann vor sechs Jahren ein Team zusammenzustellen, dass die aufwendige Restaurierungsarbeit so perfekt wie irgend möglich abwickeln sollte.

Dass hierbei die Aufgabe, die Gewerke zu koordinieren, Dipl.-Ing. Rolf Sprenger zufiel, war zu erwarten, denn er kennt sich nicht nur bei alten Fahrzeugen perfekt aus, er hat auch die Kontakte zu den Firmen, die sich an komplizierte Aufgaben wagen – denn eines war klar: „Es ging immer um Qualität vor Schnelligkeit". Was dann auch letztlich zu Tausenden von Arbeitsstunden und den bereits erwähnten sechs Jahren bis zur Wiederauferstehung des Cabriolets führte.

Erstaunlicherweise war das Cabriolet über viele Jahre hinweg tagtäglich zum Einsatz gekommen – ein „daily driver" eben, an dem der Zahn der Zeit nachhaltig genagt hatte. „Nach einer ersten Bestandsaufnahme war klar, dass dieses Unikat komplett zerlegt werden musste", erinnert sich Dipl.-Ing. Rolf Sprenger, „und obwohl der Wagen vollständig war, hatten wir natürlich jedes Teil zu überholen und auf seine Funktionstüchtigkeit zu überprüfen." Klar, dass sich bei dieser Recherche immer wieder Fragen und Probleme ergaben: Wie konnte die Kontaktkorrosion vermieden werden, warum funktionierten die Beschläge an den Sitzen nicht richtig? Fragen über Fragen. Und vor allem die Frage „Wie können wir so viel alte Originalsubstanz wie möglich erhalten und das Fahrzeug wieder in seinen Originalzustand versetzen?".

356 1500 Pre-A Cabriolet, 2020, Porsche AG
Nur 1.941 Fahrzeuge lieferte die Firma Porsche 1953 aus – davon 394 Cabriolets, von denen nur eines von der Karosseriefirma Reutter mit einer Aluminium-Karosserie gebaut wurde. Ein Einzelstück, ein Traum auf Rädern.

Fragen, die Step by Step abgearbeitet wurden – und zu einem bemerkenswerten Resultat führten. Zu einem einzigartigen Stück Porsche-Geschichte, das nun in Perfektion davon erzählt, dass man sich auch bereits in der Frühgeschichte von Porsche immer wieder darum bemühte, mit dem Bau von Unikaten neue Wege zu gehen und Sonderwünsche zu erfüllen. Und es erzählt die Geschichte eines Enthusiasten, der den Wert dieses Unikats bereits vor langer Zeit erkannt hat.

Porsche Pre-A 356 Aluminium Cabriolet Technische Daten

Motor: Vierzylinder-Boxermotor Typ 546
Hubraum: 1.488 cm³
Gemischaufbereitung: Solex-32-PBJ-Fallstrom-Vergaser
Zündung: Bosch-Zündverteiler VE 4 BRS 383
Maximale Leistung: 55 PS bei 4.400/min
Radstand: 2.100 mm
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h

Info

Text first published in the magazine „Porsche Klassik 16“.

Copyright: The image and sound published here is copyright by Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Germany or other individuals. It is not to be reproduced wholly or in part without prior written permission of Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG. Please contact newsroom@porsche.com for further information.

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Verbrauchsangaben

911 Turbo

WLTP*
  • 12,3 – 12,0 l/100 km
  • 279 – 271 g/km
  • G Klasse

911 Turbo

Kraftstoffverbrauch* / Emissionen*
Kraftstoffverbrauch* kombiniert (WLTP) 12,3 – 12,0 l/100 km
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 279 – 271 g/km
CO₂-Klasse G