Elke Franks Tag beginnt stets mit einem Blick auf das Smartphone. „Nach dem Aufstehen checke ich erst mal die Mails“, sagt die Kaufmännische Direktorin am Münchener Klinikum rechts der Isar und fügt hinzu: „Dass ich mitten in der Nacht angerufen werde, kommt auch manchmal vor.“ Seit Beginn der Corona-Pandemie passiert das häufiger. Zum Beispiel wenn ein Kollege aus China anbietet, Schutzausrüstung zu liefern. Angekommen an ihrem Arbeitsplatz im Altbau der traditionsreichen Klinik, steht als Erstes ein Abgleich mit den Stabsstellen an. „Die Beherrschung der Pandemie steht gerade natürlich im Vordergrund. Wir versuchen trotzdem, eine gewisse Normalität zu wahren, und unser Tagesgeschäft geht parallel weiter.“ 

Das Universitätsklinikum der Technischen Universität München mit seinen rund 40 Kliniken und Abteilungen ist auf die sogenannte Supramaximalversorgung – also auf einen massenhaften Anfall von Erkrankten in kurzer Zeit – ausgelegt. Das Klinikum rechts der Isar versorgt gemeinsam mit dem zweiten Münchener Universitätsklinikum, dem LMU Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, rund die Hälfte der Covid-19-Patienten der bayerischen Landeshauptstadt und Millionenmetropole. „Neben lokalen Patienten nehmen wir auch Fälle mit besonders schweren Verläufen auf. Darauf sind die kleineren Häuser in der Regel nicht vorbereitet“, so Frank. Die beiden Unikliniken beraten zudem Behörden und Ministerien in Fragen der Gesundheitspolitik. Der Austausch von Erkenntnissen zu Covid-19 mit Kollegen weltweit ist für die Mediziner selbstverständlich: „Wir haben enge Verbindungen zum Beispiel nach Italien, Spanien und China. Da hilft uns das Netzwerk, das im Rahmen von Forschungsprojekten schon vor der Pandemie existierte“, erklärt die Betriebswirtin.

Budgetfragen rücken in den Hintergrund

Das Coronavirus setzt die sonst gültigen wirtschaftlichen Mechanismen von Kliniken vorerst außer Kraft. Planbare Operationen und Behandlungen wurden auf Beschluss der Bundesregierung Mitte März 2020 für Krankenhäuser in ganz Deutschland ausgesetzt. Länder wie zum Beispiel Österreich, die Schweiz und Spanien sowie einige Kliniken in den USA gehen ähnliche Wege. Sie hoffen, so Engpässe in der Versorgung von Notfallpatienten zu vermeiden. Damit entfällt eine wichtige Einnahmequelle für die Kliniken.

Dr. Elke Frank, Kaufmännische Direktorin im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, 2020, Porsche Consulting GmbH

Doch Budgets müssen angesichts der Bewältigung der Pandemie eine untergeordnete Rolle spielen. „Wir haben den Auftrag der Landesregierung, die Versorgungssicherheit unter allen Umständen zu gewährleisten“, sagt Frank. Bereits im Februar hatte das Klinikum Pläne erarbeitet, um etwa die Zahl der Intensivbetten zu erhöhen. „Bei Bedarf können wir die Kapazitäten relativ schnell hochfahren“, so Frank.

Dennoch: Ganz ideal ist das Klinikum für die anstehenden Aufgaben nicht gerüstet. „Die Digitalisierung könnte für uns eine große Hilfe sein – wenn wir bereits auf der Höhe der Zeit wären“, sagt Frank. Gleichzeitig beobachtet sie, dass Digitalisierungsprojekte jetzt in Schwung geraten. „Covid-19 versetzt uns ein Stück weit in die Lage, den Rückstand aufzuholen“, so die Managerin. Roman Hipp, als Senior Partner bei Porsche Consulting für das Gesundheitswesen zuständig, sieht das Münchner Klinikum stellvertretend für viele große Krankenhäuser. „Ausgelöst durch die Pandemie, werden jetzt schneller und verstärkt digitale Technologien eingesetzt, um das Personal in Krankenhäusern zu entlasten und Patienten bestmöglich zu behandeln. Wer bereits in der Vergangenheit Smart-Hospital-Konzepte implementieren konnte, ist heute klar im Vorteil.“ Gleichzeitig gelte es jetzt auch, das Momentum zu nutzen und Netzwerke aufzubauen. „Krankenhäuser werden die Digitalisierung nicht alleine stemmen können“, so Hipp. „Damit die digitalen Möglichkeiten zum Wohle von Patienten umfänglich ausgeschöpft werden, müssen Unternehmen aus Medizintechnik und Pharmaindustrie sowie Start-ups und Investoren ihre jeweilige Expertise zusammenbringen.“ Zukunftsgerichtete Fachkonferenzen wie der Digital Health Summit der Technischen Universität München seien gut geeignet, die entscheidenden Akteure des Gesundheitswesens zu vernetzen – mit dem gemeinsamen Ziel der digitalen Innovation.

Schwachstellen werden sichtbar

Im Klinikum rechts der Isar bewirkt die Notsituation neben der technologischen auch auf der menschlichen Seite Veränderungen: „Die Mitarbeiter springen da ein, wo sie gebraucht werden“, erzählt die Vorständin. So viel interdisziplinäre Zusammenarbeit war zuvor kaum denkbar. Allerdings habe die Pandemie auch einige Schwachstellen aufgedeckt. So haben einzelne Abteilungen im Klinikum noch unterschiedliche Abläufe. Das betrifft zum Beispiel die Patientensteuerung, aber auch den chirurgischen Ablauf und das Management des sogenannten Sterilgutes.

„Die Digitalisierung könnte für uns eine große Hilfe sein – wenn wir bereits auf der Höhe der Zeit wären.“ Dr. Elke Frank, Kaufmännische Direktorin im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

„Daran müssen wir in Zukunft gemeinsam arbeiten, um die Prozesse in Gleichklang zu bringen“, so Frank. Erste Schritte sind schon gemacht: Zusammen mit Porsche Consulting wurden im Jahr 2019 Führungsleitlinien definiert und eine strategische Neuausrichtung der kaufmännischen Organisationsstrukturen begonnen. „Von den verbesserten Prozessen profitieren wir in der aktuellen Lage besonders. Zum Beispiel durch die 25 Prozess- und Transformations-Moderatoren, die im Zuge der Projekte ausgebildet wurden. Einige helfen in den Krisensitzungen mit Strukturvorschlägen, um so Entscheidungsvorlagen optimal vorzubereiten. Für den Vorstand ist das eine hervorragende Hilfestellung“, sagt Frank.

Die Wertschätzung, die den Kliniken und dem Personal aktuell entgegengebracht wird, findet Elke Frank gerechtfertigt. „Ich hoffe, dass das auch so bleibt. Und dass auch die Mitarbeiter vom Hausmeister und der Reinigungskraft bis hin zu den primären Leistungserbringern wie den Pflegeteams und den Ärzten sich ihrer jeweiligen Rolle wieder bewusster werden. Das könnte zu einem neuen Bild des Gesundheitswesens führen.“ Dafür sei es allerdings notwendig, dass alle Berufsgruppen rund um die medizinische Versorgung die Chance der neuen Wertschätzung nutzten. Ob das wirklich so komme, daran hegt die Managerin Zweifel. „Ich glaube aber, dass es insgesamt eine positive Entwicklung für die Kliniken geben wird.“

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