„Ohne WLAN? Ohne mich!“ Familienurlaub gibt es für Guus Reinerink nur an ausgewählten Orten. Zügiges Internet ist ein Muss für ihn und Gattin Saskia, die Bereitschaft der Gastgeber, Pakete und Post am Empfang für die Urlauber aus den Niederlanden anzunehmen, ebenfalls. „Wir erwarten Schnelligkeit von allen unseren Partnern. Also sorgen wir auch selbst nicht für Stillstand.“ Reinerink ist 51 Jahre alt, vierfacher Vater, in den Niederlanden geboren und aufgewachsen. Groß, sportlich und bis auf die schwarzen Wildlederschuhe in seiner Lieblingsfarbe Blau gekleidet, öffnet er die Tür zu seinem Unternehmen „Corporate Fashion Industries“.
Der Schriftzug prangt vor dem Gebäude in knapp drei Meter hohen Buchstaben aus Ytong im Betonlook gestrichen, wir haben den Porsche Taycan Turbo neben „Corporate“ geparkt, schräg oben steht der Chefschreibtisch im ersten Stock. 19 Stufen führen ins Büro, Autobücher und -modelle füllen die Regale, Rallyeplakate hängen an den Wänden. An der Stirnseite des Bücherregals lächelt ein älterer Mann von einem Ölgemälde in Richtung Reinerinks Lieblingsauto – ein Porsche 911 aus dem Jahr 1965 in Agablau, zwei Autolängen daneben parkt ein 911 S mit 2,2-Liter-Motor von 1971 in Rubinrot.
„Von nichts kommt nichts"
„Das ist mein Vater“, sagt Reinerink, deutet auf das Porträt und erzählt, dass er sehr liebevoll aufgewachsen ist. Mutter Hausfrau, Vater in einer Textilfabrik beschäftigt, vier Kinder zu Hause, so sei immer etwas los gewesen, wie heute bei ihm und Saskia. „Das war eine fantastische Welt. Ich schätze alles, was ich heute habe, weil ich weiß, dass nichts von alleine kommt“, erklärt er und schickt sein Lebensmotto hinterher, „Von nichts kommt nichts“. Im Englischen klingt das schöner. Dann schaut er auf einmal ganz ernst: „Man muss aber auch Glück haben im Leben.“ Das hatte er.
Reinerink ist Inhaber eines Textilunternehmens, das Betriebskleidung herstellt. Er studierte Internationales Marketing und schloss mit 21 Jahren ab. Berufswunsch? „Ich wollte schon immer Geschäfte machen“, erzählt er und lacht über seine ersten Deals. „Schon als Acht-jähriger habe ich Pflanzen im Wald aus dem Boden gestochen und sie anschließend verkauft“ Während des Studiums handelte er mit Autos. „Ich habe zwar keine Ahnung von der Technik, aber ich wusste, dass ich Vertrauen verkaufen kann.“
Irgendwann zwischen dem Pflanzenausstechen im Wald und seinem 50. Geburtstag im Juli 2019 hatte er großes Glück. Mit 22 Jahren bewarb er sich als Sales Manager beim Textilunternehmen „State of Art“. „Auf dem Parkplatz stand ein Porsche 944 Turbo, quasi direkt neben der Eingangstür“, erinnert er sich, der Porsche des Chefs Albert Westerman, der später sein Schwiegervater werden sollte. Wenige Monate nach dem Bewerbungsgespräch durfte er ihn nach Zuffenhausen zu einer Werksabholung begleiten, einige Wochen später, mit 23 Jahren, saß er hinter dem Steuer eines 964 C2 Coupés.
„Meine erste Fahrt in einem Porsche. Für immer unvergessen“ Guus Reinerink
„Meine erste Fahrt in einem Porsche. Für immer unvergessen“. Ebenfalls unvergessen: die Tochter des damaligen Chefs. Saskia. „Es hat sofort gefunkt zwischen uns. Ich habe einige Monate gebraucht, um ihrem Vater meine Liebe zu ihr zu gestehen“, erinnert sich Reinerink, der von dessen Reaktion begeistert war. „Ich habe dich bewusst in mein Unternehmen geholt, wer bin ich denn, um zu sagen, du bist nicht gut genug für meine Tochter?“ Fast 17 Jahre lang arbeitet Reinerink bei „State of Art“, dann entscheidet er sich dazu, „lieber ein kleiner Chef als ein großer Angestellter zu sein“, und gründet gemeinsam mit Saskia als Office-Managerin sein heutiges Unternehmen. Mit dem Ehepartner zusammenarbeiten? „Das war die beste Entscheidung unseres Lebens, wir funktionieren als Paar und als Geschäftspartner super. Wir ziehen am selben Strang, stehen für modische Unternehmenskleidung, die gerne getragen wird, zeitgemäß und funktional ist.“
Reinerink zeigt uns Rallyekleidung, Stoffmuster, Plakate – es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis er mit uns die Stufen nach unten läuft und die Tür zur Garage öffnet. Dort steht eine bunte Porsche-Sammlung: ein 914 inmitten von Elfern aus allen Epochen. Rechts hinten ein sehr seltenes Exemplar, ein 911 T mit 2,4-Liter-Motor, den die niederländische Polizei 1974 gefahren ist, das Blaulicht funktioniert noch immer. Mit dem Targa reiste Reinerink vor wenigen Jahren zum Concours d’Elegance nach Pebble Beach. „Das war ein großartiges Erlebnis. Noch besser, als Porsche anzusehen, ist tatsächlich nur, Porsche zu fahren.“ Und schon startet er den 3-Liter-Boxermotor des 930 Turbo, links, perfekt für einen Linkshänder, findet er, wir meinen, auch als Rechtshänder macht das Schlüsselumdrehen links Freude.
Der Regen hat sich verzogen, Zeit für eine kleine Ausfahrt. Seine Lieblingsstrecke geht um das Dorf Lichtenvoorde herum durch lange Alleen. Motocrossfans kennen den 13.000-Einwohner-Ort in der Provinz Gelderland, einmal jährlich rockt dort das „Zwarte Cross Festivals“, die größte Motocrossveranstaltung Westeuropas.
Reinerink hält mit seinem 930 Turbo neben dem Taycan Turbo, schnell noch ein Foto für die Familien-Chat-Gruppe „Team Reinerink“ schießen, senden und los geht die Fahrt mit dem Turbo aus dem Jahr 1975. Platindiamant. Die Straßen sind nass, die Sonne kämpft sich zwischen den Wolken hervor, Reinerink schwärmt von der Turboaufladung, von der Perfektion des Designs, von den fünf Rundinstrumenten, die für ihn zu diesem Porsche gehören wie Teamkleidung zur Mille Miglia.
Ausfahrten als persönlicher Luxus
„Es ist für mich unvorstellbar, dass dieser Porsche bereits vor 45 Jahren gebaut wurde. Ich finde ihn noch heute zeitgemäß, stark und schön.“ Er genießt das Abschalten in seinen Oldtimern, erzählt er, „mit vier Kindern zu Hause sind solche Ausfahrten der absolute Luxus für mich.“ Seine Tochter hat in der Zwischenzeit schon auf das Foto des Taycan in der Familien-Chat-Gruppe reagiert: „Holst du mich damit von der Schule ab?“ Zwinkersmiley. Antwort: „Wer weiß!“ Lachsmiley.
Im Taycan Turbo staunt der Fahrer über die Lackfarbe – Enzianblaumetallic. „Ich starte gleich zum ersten Mal ein Elektrofahrzeug“, sagt er und schaut dabei ziemlich ernst. Ja, Reinerink, der ist schon an, nur noch den Hebel rechts vom Lenkrad auf „D“ stellen und los geht’s. Leise. Wow. Reinerink spricht von geplanten Urlauben, während er im Taycan Turbo durch seine Heimat cruist. „Ein Roadtrip von Nord- nach Südafrika wäre toll zum Entschleunigen“, findet er und kommt zurück ins Hier und Jetzt, als die Allee frei ist und er seine Chance sieht vorwärtszumachen: „Die Beschleunigung ist unbeschreiblich.“ Noch einmal. Von 0 km/h. Alles frei. Er lacht. „Fährt wie ein Porsche. Sieht aus wie ein Porsche. Ich denke, dass das die Zukunft ist. Das prognostizieren ja auch die Menschen, die richtig Ahnung davon haben.“
Er dreht um und staunt über den kleinen Wendekreis. Hinterachslenkung. Ach, allzu viele Informationen möchte Reinerink gar nicht haben. Er ringt um die richtigen Worte. „Der Taycan fühlt sich im ersten Moment gar nicht real an, eher so, als würde man vor der Spielekonsole sitzen. Ohne Ton.“ Schöne neue Welt, findet er, so entschleunigend. Perfekt, um klare Gedanken zu fassen. Telefonate zu führen. Abzuschalten. Dahinzugleiten. Schnell und langsam im Wechsel. Übermütig und vernünftig zugleich. Wir steigen aus. Seine Hausstrecke und der Taycan gehören jetzt ihm. Keine halbe Stunde später sammelt uns Reinerink schon wieder ein. Er muss los, seine 15-jährige Tochter hat Fußballtraining, viermal pro Woche, der stolze Vater begleitet sie gern, auch zu den Spielen an den Wochenenden. Sie möchte Profispielerin werden. „Ob sie das schafft, ist nicht sicher. Sie muss kämpfen auf ihrer Position als Außenverteidigerin“, sagt er und zitiert sich selbst noch einmal: „Man braucht aber auch Glück zur Karriere.“
Taycan Turbo – Technische Daten
Taycan Turbo (2023): Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 23,6 – 20,2 kWh/100 km, CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km, CO₂-Klasse A
Motor: 2 permanenterregte Synchronmaschinen (PSM)
Systemspannung: 800 Volt
Leistung: bis zu 500 kW/680 PS (Overboost)
Drehmoment: 850 Nm (Launch Control)
Getriebe: 2-Gang-Getriebe an der hinteren E-Maschine
Leergewicht: nach DIN 2.305 kg
Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h
Beschleunigung: 3,2 s von 0–100 km/h mit Launch Control
Reichweite: 381–450 km (gemäß WLTP)
Baujahr: 2019
911 Turbo 3.0 (930) – Technische Daten
Motor: Sechszylinder-Boxermotor
Hubraum: 2.993 cm³
Leistung: 260 PS bei 5.500/min
Drehmoment: 350 Nm bei 4.000/min
Getriebe: 4-Gang-Schaltgetriebe
Leergewicht: 1.195 kg
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Baujahr: 1975
Info
Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik, Ausgabe 17.
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