Am frühen Morgen schwingen die breiten Türen zum Balkon auf. Gianmaria “Gimmi“ Bruni tritt aus dem weiß möblierten Wohnzimmer, atmet durch und freut sich über den traumhaften Ausblick. In den Hügeln von Monaco ist seine Sicht auf das strahlend blaue Mittelmeer unverbaut – noch jedenfalls. „Ich muss es jeden Tag genießen. Der Spaß ist bald vorbei“, erklärt der 39-jährige Italiener. Er verweist auf eine Großbaustelle. „Hier wird auf die Schnelle ein neues Hochhaus errichtet. Dann haben wir das neue Gebäude vor der Nase und müssen uns arg verrenken, um noch einen Blick aufs Meer zur erhaschen. Typisch Monaco.“ Seit 2012 wohnt der drahtige 1,83-Meter-Mann aus Rom samt Familie im Fürstentum. In den vergangenen acht Jahren gab es innerhalb Monacos bereits zwei Umzüge, der nächste könnte angesichts der Bautätigkeiten in der Nachbarschaft bald folgen.
„Eigentlich ist es perfekt“, beschreibt Bruni seine aktuelle Wohnsituation. Das großzügige Apartment bietet ihm selbst und seiner Ehefrau Francesca sowie Tochter Stella ausreichend Platz. Auf dem Balkon ist neben dem heiß geliebten Grill sogar noch Raum für ein Trampolin, auf dem Vater und Tochter Bruni fast täglich toben. Das schicke Apartmenthaus liegt direkt an der Grenze zwischen Monaco und Frankreich. „Und genau das ist in Zeiten der Coronavirus-Krise auch ein wenig ein Fluch“, schmunzelt Bruni und erklärt lachend: „Meine Frau ist aus dem Haus gegangen zum Laufen. Die Straße direkt um die Ecke markiert die Grenze zu Frankreich, also die eine Hälfte gehört schon nicht mehr zum Fürstentum. Meine Frau ist gelaufen wie immer, wurde dann von französischen Polizisten gestoppt. Sie musste die Straßenseite wechseln und sich strikt auf dem Terrain von Monaco aufhalten. Die Maßnahmen zum Gesundheitsschutz sind aktuell in Frankreich erheblich schärfer als bei uns.“
Die Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie haben sehr direkte Auswirkungen auf das Leben der Familie Bruni. Die neunjährige Tochter wird zu Hause von den Eltern unterrichtet. „Meist von meiner Frau“, gibt der Porsche-Werksfahrer offen zu. Der Grund: Stella besucht eine französischsprachige Schule in Monte Carlo. “Gimmis“ Ehefrau ist Übersetzerin und beherrscht die Sprache erheblich besser als ihr Mann. „Ich möchte das auch besser lernen, aber aktuell reichen mir meine Lektionen in Deutsch“, erklärt der ehemalige Formel-1-Pilot. An vier Tagen pro Woche paukt Bruni: „Ich habe entsprechende Bücher und schaue Lehrvideos. Ich komme ganz gut voran. Ab dem nächsten Jahr kann ich bestimmt eine kurze Unterhaltung auf Deutsch führen. Ich finde das wichtig, um weiter in die Porsche-Familie hinein zu wachsen. Außerdem möchte ich die rennfreie Zeit für meine Weiterbildung nutzen.“
Bis März dieses Jahres konnte der Römer die sich bietenden Möglichkeiten in und um Monaco herum nach Herzenslust nutzen. „Ich bin sehr oft mit dem Rennrad unterwegs. Oft zusammen mit Freunden“, erzählt er. In direkter Umgebung wohnen zahlreiche Radprofis, darunter auch der viermalige Tour-de-France-Sieger Christopher Froome aus Großbritannien. In kleinen Gruppen geht es immer wieder auf hohe Gipfel wie den Col de Turini oder auch mal auf den berühmten Mont Ventoux. „Oft fahre ich zuerst an der Küste entlang. Von Monaco über Frankreich nach Italien und über die Berge wieder zurück“, beschreibt der durchtrainierte Werkspilot seine Sporteinheit. Nach der Rückkehr erwartet ihn seine stets gut gelaunte Familie. Tochter Stella zieht ihren Vater oftmals mit dem in der Schule erlernten Monegassisch auf. „Da verstehe ich kaum ein Wort – ein ganz seltsames Gemisch aus Französisch und Italienisch. Aber sie hat ihren Spaß, wenn ich dumm aus der Wäsche schaue“, lacht Bruni. Mit seiner ebenfalls aus Italien stammenden Gattin Francesca findet er nicht nur sprachlich eine perfekte Basis, sondern auch beim wichtigen Thema Motorsport.
„Ich kenne meine Frau seit 20 Jahren. Seit über zehn Jahren sind wir schon verheiratet“, sagt der Sebring-Sieger von 2019. „Ihr Vater war im Kartsport aktiv. Wir kannten uns, waren befreundet. Mit ihm bin ich zum Skifahren gegangen, als er plötzlich meinte, dass seine Tochter auch hinzukäme. Und da war sie dann. Wir haben uns verliebt und sind seither ein harmonisches Paar. Francesca ist mit mir durch alle motorsportlichen Phasen gegangen: Formel 3, Formel 3000, GP2, Formel 1, Le Mans, GT-Sport – einfach jede Serie. Sie weiß, wie der Motorsport läuft, und hat absolutes Verständnis für alles, was damit zusammenhängt, also der hohe Zeitaufwand und die vielen Reisen.“
Privat mag es der passionierte Rennradfahrer und Läufer eher still und beschaulich. „Im Urlaub suchen wir oft die Ruhe in den Bergen von Südtirol. Das gefällt uns am besten“, schildert Bruni. Und mindestens einmal pro Jahr geht es zurück zu den Wurzeln. Der dreimalige Le-Mans-Klassensieger, der seine Trophäen in einem Nebenraum der Garage zwischen Helmen und Formel-1-Auspuffteilen aufbewahrt, ist rund zehn Kilometer nördlich der italienischen Hauptstadt Rom aufgewachsen. „Da zieht es mich immer wieder hin. Dort habe ich viele Freunde und Verwandte. Am liebsten versorge ich sie bei den Besuchen in Italien mit selbstgemachter Pizza aus unserem schönen Pizza-Ofen – zumindest gefühlt bin ich der Meister der Zubereitung. Auch wenn ich selbst lieber Speisen vom Grill esse: Pizza kann ich einfach noch besser!“