Fürs Foto nimmt uns Hans-Jürgen Herr mit zur unternehmenseigenen „Grilloase“. Man könnte auch sagen, es ist das Testlabor seiner Firma. Die Terrasse im Berliner Stadtteil Mitte liegt auf der siebten Etage und ist mit rauchenden Holzkohlegrills gespickt. Die Freifläche bietet Hauptstadtblick, direkt auf den Fernsehturm am Alexanderplatz. Sicher gibt es Labore mit schlechterer Lage. Und mit einfacherer Betriebsverpflegung. Mit einer Zange hebt Herr ein Tomahawk-Steak an. Das Stück Fleisch wiegt samt Knochen gut 1500 Gramm und macht locker drei Leute satt. Den Namen hat es seinem imposanten Knochen zu verdanken – es ist der Rippenbogen eines Rindes – und erinnert an die Streitaxt der indigenen Völker Nordamerikas.
„Wie beim Auto ist auch beim Weber Grill technisch alles möglich“ Hans-Jürgen Herr
Wer gerne grillt, ahnt es schon: Wir sind zu Besuch beim wohl bekanntesten Grillhersteller der Welt: Weber. Wer etwas auf sich hält, hat „einen Weber“ im Garten. Oder auf dem Balkon. Wir dürfen den Summit Holzkohlegrill ausprobieren. Hans-Jürgen Herr ist bei Weber Präsident des EMEA-Geschäfts (Europa, Mittlerer Osten und Afrika). Und er steht vor einem Wandel, wie so viele Geschäftsführer. Was da in Sachen Digitalisierung auf ihn und Weber zukommt, das hat er recht klar im Blick: Er sieht Smoker, die Messwerte sofort in einen Cloud-Speicher hochladen und gleich noch das Signal zum Bestellen erforderlicher Ersatzteile geben. Oder der dringend benötigten Gasflasche. Die kommt natürlich auch – hier von selbst – ins Haus. Vorbei mit der Trapper-Romantik, Rauch und Ruß. Willkommen in der neuen programmierten Grillwelt.
„Wie beim Auto ist auch beim Weber Grill technisch alles möglich“, sagt Herr. „Ich bin überzeugt, dass wir dabei auch Antriebstechniken sehen werden, die über Gas und Holzkohle hinausgehen. Noch mehr, als sie dies heute schon tun. Die Frage ist nur, wann.“ Antriebstechniken – so nennen die Grillspezialisten die verschiedenen Energiearten fürs Garen. Herrs Job ist es, den Zeitpunkt des Übergangs nicht zu verpassen, so ähnlich wie beim Garpunkt. Wird er auch nicht. Denn dass er ein Gespür für die richtigen Produkte zur richtigen Zeit hat, zeigt die Vergangenheit.
Die Geräte wurden zum High-End-Produkt hochgerüstet
Noch im Jahr 2000 waren nur die wenigsten Verbraucher in Deutschland bereit, mehr als 39 Euro für einen Grill auszugeben. Früher reichte es wohl auch, mit den immer gleichen Würstchen und Steaks die Wochenendabende zu verbringen. Disruptives Niedrigpreissegment nennt Herr das. „Wir haben die Handelslandschaft, wie sie damals in der Grillbranche war, auf den Kopf gestellt und mit unserer Strategie zu 80 Prozent auf den Fachhandel gesetzt. Grillen sollte ein Lifestyle werden – mit allem was dazu gehört.“ Dass der Grillzangen-Lifestyle heute tatsächlich in den kleinen Gartenparzellen und in den Gärten der schönsten Villen angekommen ist, liegt daran, dass die Geräte zum High-End-Produkt hochgerüstet wurden. Mit Rezepttipps und Zubereitungshinweisen, die Lust auf Neues machen. Das hat funktioniert.
Und zwar so gut, dass Weber beinahe sein Alleinstellungsmerkmal, ein sogenanntes 360-Grad-Verkaufsversprechen, im Kundenservice verloren hätte. Das gibt es für jeden Kunden. Quasi ein Rundum-sorglos-Paket. Mit Qualitätsgarantie aus fast einem Jahrhundert Grillerfahrung. Denn das perfekte Barbecuegefühl hat Tradition bei Weber: Unternehmensgründer George Stephen träumte bereits um 1950 von innovativen Kugelgrills, hervorragende Rösteigenschaften und langlebige Materialien inklusive. Qualitätsansprüche, die bis heute geblieben sind. Mit einem großen Fundus an Ersatzmaterialien, die jedem Grillliebhaber zur Verfügung verstehen. Auch deshalb gilt in Deutschland unter Barbecue-Feinschmeckern ein von Weber konstruierter Hochleistungsgrill als mit einem Porsche unter Automobilliebhabern vergleichbar. Ein Grill mit Statussymbol.
Dabei stets im Blick: Bodenständigkeit und visionäres Denken. Nur so kann ein über 70 Jahre gelebter Perfektionismus auch das Grillerlebnis der Zukunft vereinen. Eine Aufgabe, die heute Hans-Jürgen Herr übernimmt: „Das Grillgeschäft bedeutet immer auch, Gegensätzliches zu vereinen. Wir wollen für unsere Kunden ein verlässlicher Partner sein und als innovativer Premiumhersteller ein Höchstmaß an Flexibilität im Kundenservice garantieren.“
„Wir haben in der Vergangenheit gemeinsam mit den Beratern von Porsche Consulting sehr viel dafür getan, bessere Servicequalitäten und kürzere Kundenwartezeiten zu realisieren“ Hans-Jürgen Herr
Dem Grillhersteller geht es darum, die Abläufe zwischen Kunden, Handelspartnern und Unternehmen effektiver zu gestalten. Und das beginnt lange bevor die Kundentelefone heiß laufen. Denn Grillen ist zwar schon lange kein Saisonphänomen mehr, aber von März bis September heizen doch mehr als sechs Millionen Deutsche den Edelstahlrost auf Betriebstemperatur. Mit oftmals langen Kundenwartezeiten, wenn dem Grill doch mal etwas fehlt. Das kann vorkommen. Auch in der nachfragestarken Hochsaison, wenn die kleinen silbernen Kreuzschrauben und eckigen Muttern eventuell nur mit langen Kundenwartezeiten verfügbar sind. Nicht, weil die Zustellung per Paketdienst so lange dauert, sondern weil die Antwortzeiten bei Kundenanfragen fast während der gesamten Grillsaison stark steigen. „Wir arbeiten mit einer anspruchsvollen Klientel, die bereit ist, bis zu 4.000 Euro für einen Gasgrill zu bezahlen. Ein Höchstmaß an Flexibilität und Zuverlässigkeit im Kundenservice ist dabei unerlässlich,“ sagt Herr. Um diese Anforderungen umzusetzen, zog Weber die Porsche-Berater hinzu.
Die Spezialisten von Porsche Consulting erhielten den Auftrag, weil die Berater neben den klassischen Methoden ein maßgeschneidertes Handbuch für einen besseren Kundenservice entwickeln konnten. Speziell für Weber und allen Anwendungsfällen des europäischen Marktes. Und die können ganz unterschiedlich sein: Vom Wintergriller in Dänemark, der bei Wind und Wetter seinen Grill an der Schärenküste hochheizt, bis zum Gelegenheitsnutzer in Süditalien, der seinen Smoker nur beim sonnigen Familienfest auf die Terrasse schiebt. Zum Ende der Hochsaison lieferte David Blecher, Partner bei Porsche Consulting, die Projektskizze. Drei Wochen später ging es los: Die Porsche-Berater arbeiteten sich ins Thema ein, analysierten, wie Weber die Antwortzeiten im Kundenservice verkleinern kann, und leiteten aus den vielen Daten ein neues Konzept für den Kundenservics ab – eine neue Strategie inklusive. Mit der Grilliebhaber bei Problemen am Rost auch noch im Sommer das Gartenfest fortsetzen können. „Wir haben in der Vergangenheit gemeinsam mit den Beratern von Porsche Consulting sehr viel dafür getan, bessere Servicequalitäten und kürzere Kundenwartezeiten anstelle von unkoordiniertem „Feuerlöschen“ zu realisieren. Als Grillentwickler mit langer Tradition legen wir Wert darauf, in puncto Kundenzufriedenheit immer wieder Flagge zu zeigen. Denn Marktführer wird man nicht über Nacht“, sagt Herr.
Um das neue Servicekonzept umzusetzen und an die gestiegenen Erwartungen des Grillens anzupassen, schlossen sich Porsche-Berater mit einem Team von Weber-Mitarbeitern zusammen. Die nahende Grillsaison im Nacken. Am Ende hielten Herr und seine Kollegen in weniger als zwei Monaten ein neues System zur schnelleren Beantwortung von Kundenanfragen in den Händen. Einheitlich. Und umsetzbar in ganz Europa. Dass gute Planung die Resultate messbar verbessert, kann Herr mit Zahlen belegen: „Mit unserem neuen Konzept haben wir es geschafft, die Reaktions- und Antwortzeit bei Kundenanfragen um 90 Prozent zu reduzieren. Wo Kunden früher zum Start der Grillsaison über zwei Wochen auf eine Antwort und ihre Ersatzteile warten mussten, wird heute jede Kundenanfrage innerhalb von maximal zwei Tagen gelöst. Und das bei gleichbleibender Qualität.“ Dafür sorgt das neue Konzept und IT-System, das Weber-Mitarbeiter intelligent an den verschiedenen Standorten vernetzt und im Kundenservice zusammenarbeiten lässt. Digital und kundenfreundlich.
Perspektivenwechsel. 13 Uhr am frühen Nachmittag auf einer Dachterrasse in Berlin. Der schwarze Grilldeckel wird behutsam nach oben geklappt. Ganz langsam und mit viel Gefühl. Keine Millimeterarbeit, aber Anspannung pur. Wegen des Steaks. Herr schneidet es in feine, zartrosa Streifen und serviert. Der Service stimmt hier schon mal. Und der Garpunkt sowieso.
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Foto: Porsche Consulting GmbH