Noch ehe er zu sehen ist, schwillt da dieser Sound. Zunächst ein dumpfes, blubberndes Dröhnen, das die Luft vibrieren lässt. Dann ein immer heller werdendes Crescendo – eine gewaltige Symphonie, wie sie nur ein echter Sechszylinder-Saugmotor herauszupressen weiß. Brachial. Knackig. Emotional im hohen Drehzahlbereich. Sekundenbruchteile später schießt er auf der Teststrecke in Weissach aus der Kurve: der stärkste, schnellste Vertreter seiner Gattung mit dem Potenzial eines Über-Porsche und einem halben Jahrhundert Tradition im Gepäck – Statthalter jenes Mittelmotorkonzepts, das Porsche vor 50 Jahren von der Rennstrecke in die Großserie überführt hat. „Die Mittelmotorsportwagen von Porsche verfügen über charmante Charaktereigenschaften, die sich bis heute nicht verändert haben“, sagt Andreas Preuninger, Leiter GT-Fahrzeuge. Fahrer und Beifahrer sitzen „näher an der Maschine“, das Fahrerlebnis wird dadurch noch emotionaler. „Das sind aus meiner Sicht wesentliche Erfolgsfaktoren unserer Mittelmotorsportwagen.“

Bis 1969 ist es keine Frage: Serienfahrzeuge von Porsche tragen den Motor im Heck. Mit dem Porsche 914, diesem mutig gezeichneten, kantigen Targa mit dem herausnehmbaren Dach und den hippen Klappscheinwerfern, ändert sich das. Wie ein Rennwagen beherbergt der 914 seinen Vier- oder Sechszylinder-Boxermotor vor der Hinterachse, drum herum hat Porsche-Chefdesigner Heinrich Klie eine Karosserie von besonderer Radikalität geschneidert. Der 914 ist 18 Zentimeter kürzer als der 911 S aus dem Modelljahr 1967, besitzt aber einen fast 24 Zentimeter längeren Radstand. Mit 1,23 Meter Höhe ist er 9 Zentimeter flacher und 4 Zentimeter breiter als der Elfer. Das Ergebnis: ein besonders tiefer Schwerpunkt bei geringem Gewicht. Selbst der bullige 914/6 mit dem 110 PS starken, aus dem 911 T entliehenen Zweiliter-Sechszylinder-Boxeraggregat wiegt gerade einmal 980 Kilogramm, zugleich rückt das Massezentrum in die Fahrzeugmitte. Damit ist der 914 für die damalige Zeit auch mit 80 PS eine wendige, quirlige Fahrmaschine, festgepresst wie ein Brett auf dem Boden. Das Zündschloss sitzt bei den Vierzylinder-Modellen rechts, die Handbremse links neben dem Fahrersitz.

Generationenduell:
Generationenduell: der 718 Cayman GT4 und der 50 Jahre alte 914/6

„Gerade auf engen und kurvigen Strecken spielen Mittelmotorsportwagen seit jeher ihre Vorteile aus“, sagt Jan Roth. Dem Leiter der Modellreihe 718 fallen dafür vier Worte ein: „Extrem leichtfüßig und agil.“ Genau 115.631 Einheiten des 914/4 werden bei Karmann in Osnabrück bis 1976 gebaut. 3.338 Exemplare des Top-Modells 914/6 kommen bis 1972 direkt aus Zuffenhausen. Außerdem elf der bis zu 210 PS starken Porsche 916, zwölf 914/6 GT für den Motorsport sowie zwei Prototypen mit Achtzylinder-Rennmotor – eigens für Ferdinand Piëch und Ferry Porsche konstruiert.

Der 914 ist zunächst ein Exot – entsprungen einer Kooperation zwischen Volkswagen und Porsche, die endet, kaum dass sie richtig begonnen hat. Heute wird der Mittelmotorsportwagen als Ausdruck einer Zeit verehrt, in der sich das Signalorange der Autos in den Badezimmern der Mittelschicht festsetzte, die Röcke kürzer, die Koteletten länger und die Schläge der Hosen breiter wurden. Doch Mode war der 914 nie. Tatsächlich kommt das Mittelmotorkonzept bereits in den 1930er-Jahren zum Einsatz. Ferdinand Porsche realisiert es 1934 im Auto Union-Rennwagen Typ 22. Bei dem ersten Porsche-Sportwagen, dem 356 „Nr. 1“ Roadster von 1948, sitzt der Vierzylindermotor vor der Hinterachse, die wiederum mittig zum Getriebe angeordnet ist. Das zweisitzige Cabriolet bietet Ferry Porsche jedoch zu wenig Stauraum. Für das Coupé-Modell wandert der Motor deshalb ins Heck, macht Platz für Notsitze und Gepäck – die Geburtsstunde des klassischen Porsche.

Auf Wunsch abschaltbar:
Moderne Fahrwerkskinematik und hoher Grip – auch ohne aktivierte Fahrstabilitätssysteme

Die Mittelmotoridee befeuert den Mythos Porsche. Rennsportbegeisterte US-Amerikaner verehren den 550 Spyder. Der wunderschöne Aluminium-Zweisitzer mit dem zunächst 110 PS, später 135 PS starken Königswellen-Vierzylindermotor wird zum Sinnbild seiner Zeit. James Dean, Rebell, Kultfigur, ewig jung, stirbt darin. Für den 904 mit Mittelmotor, der offiziell 904 Carrera GTS heißt, muss Porsche 100 Straßenmodelle bauen, um damit Rennsport betreiben zu dürfen. Es werden der großen Nachfrage wegen 116. Ferdinand Alexander Porsche hat die Kunstharz-Karosserie des 904 gestaltet – Designgeschichte. Über den 904 Carrera GTS wird es später heißen, er habe einer Motorsportepoche seinen Stempel aufgedrückt.

Dennoch: Nach dem Ende der 914-Produktion liegt bei Porsche das Mittelmotorkonzept für die Serie zwei Jahrzehnte auf Eis. Zuffenhausen konzentriert sich stattdessen auf vierzylindrige Transaxle-Sportwagen wie den 924, 928, 944 und 968 – bis 1996 der Boxster seine Weltpremiere feiert. Sein wassergekühlter Sechszylindermotor sitzt vor der Hinterachse, der kernige Klang und die überragenden Fahreigenschaften des Roadsters sorgen auf Anhieb für Furore. 2005 folgt mit dem Cayman die Coupé-Version. „Sicher“, blickt Jan Roth zurück, „spielte bei der Entscheidung für den Mittelmotor in den 1990er-Jahren auch der Wunsch eine Rolle, den Boxster vom 911 abzugrenzen. Neben dem sichtbar anderen Konzept ergibt sich durch eine gleichmäßigere Gewichtsverteilung und die Zentrierung des Gewichts in der Mitte des Fahrzeugs eine erlebbar differenzierte Fahrdynamik.“ Boxster und Cayman werden ein Erfolg. 2016 geht die vierte Generation der Modellreihe an den Start. Die neue Modellbezeichnung 718 erinnert an den 550 Spyder aus den 1950er-Jahren und die darauffolgenden 718-Modelle. Wie damals kommen Vierzylindermotoren zum Einsatz, diesmal jedoch turboaufgeladen.

Hungrig auf jede Kurve: Der neue 718 Spyder

2019 – die Krönung: 718 Cayman GT4 und 718 Boxster Spyder. Der Cayman GT4 wird wieder einen hochdrehenden Sechszylinder-GT-Saugmotor besitzen. Er ist noch stärker als der des Vorgängermodells und treibt auch den Boxster Spyder an, der gemeinsam mit dem Fahrwerk und der Fahrdynamikregelung einem offenen GT4 gleichkommt. „Beide Autos bauen wir für wahre Fans, für Racer und Puristen, die auf diese Modelle gewartet haben und die wir von den Vorteilen des Mittelmotorkonzepts nicht erst überzeugen müssen“, betont Andreas Preuninger. „Sie kaufen einen 718 GT4 oder 718 Spyder nicht wegen der Quartettdaten, sondern aus purer Begeisterung.“

Coupé und Cabriolet zünden ein Feuerwerk technischer Finessen. Der komplett neu entwickelte Vierliter-Boxermotor, nun 420 PS stark (309 kW; Kraftstoffverbrauch kombiniert 10,9 l/100 km; CO2-Emission 249 g/km), übernimmt wichtige Komponenten des neuen 911, darunter die Elektronik. Die selektive Zylindersteuerung legt bei konstantem Dahingleiten drei der sechs Brennräume still, der Verbrauch sinkt dadurch deutlich. Partikelfilter helfen bei der Erfüllung der aktuellen Abgasnormen.

Speziell der Spyder legt auch beim Fahrwerk deutlich zu, das – wie beim GT4 – auf vielen leichten Aluminiumelementen des 911 GT3 und der Cup-Rennwagen basiert. Neu entwickelte Ultra-High-Performance-Reifen sorgen mit speziellen Gummimischungen für noch mehr Grip. Und die Fahrdynamiksysteme Porsche Active Suspension Management (PASM) und Porsche Stability Management (PSM) sind präzise an die neuen Rahmenbedingungen angepasst. Sie lassen sich, wie bei allen GT-Modellen von Porsche, auf Wunsch komplett abschalten. Optionale Keramikbremsen reduzieren die ungefederten Massen pro Rad um bis zu 4,75 Kilogramm oder fast 50 Prozent. Die Aerodynamik ist Teil der Performance. Das Mittelmotorkonzept bietet im Heck ausreichend Platz für einen Diffusorkanal, der den Abtrieb des GT4 um 25 Prozent verbessert und den Auftrieb des Spyder um die Hälfte reduziert – ohne den Luftwiderstand zu erhöhen. Es ist das, was Markus Atz, Projektleiter Motorsport GT-Straßenfahrzeuge, unter „aerodynamischer Effizienz“ versteht.

Vorsprung zum Vorgänger:
Der Vierliter Sechszylinder-GT-Saugmotor des 718 Cayman GT4 und des 718 Boxster Spyder ist leistungsstärker als das Aggregat des Vorgängermodells

Und die anspruchsvollen Handling-Eigenschaften, die einst den 914 prägten? „Dank der modernen Fahrwerkskinematik und dem hohen Grip der Reifen fahren Mittelmotorsportwagen wie der GT4 oder Spyder heute auch ohne aktivierte Fahrstabilitätssysteme wie von einem anderen Stern“, sagt Atz und lacht: „50 Jahre Weiterentwicklung zahlen sich eben aus.“

 

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