Durch den Wald hallt der typische Sound der luftgekühlten Vierzylinder-Boxermotoren der Urmodelle aus der deutschen Sportwagenschmiede Porsche. Es sind 105 Fahrzeuge unterschiedlicher Baureihen des Porsche 356 bei strahlend blauem Himmel unterwegs, als ein unlackiertes Coupé als Nachzügler um die Ecke biegt. Am Steuer eine Frau mit kurzen Haaren und einem entwaffnenden Lächeln. Gaby Straumann, Schweizerin, die den rechtsgesteuerten Porsche 356 Gmünd geschickt auf dem Parkplatz unterhalb des märchenartigen Grand Hotels Giessbach in Brienz manövriert.
Es ist ein Fahrzeug mit Renngeschichte: Otto Mathe, österreichischer Rennfahrer und Multitalent, hat mit dem Porsche 356 Gmünd in den 1950er-Jahren zahlreiche Rennen gewonnen. Nachdem er 1934 bei einem Sandbahnrennen in Graz einen tragischen Unfall mit dem Motorrad erlitten hatte, in dessen Folge seine rechte Hand gelähmt blieb, liess er sich den 356 Gmünd auf Rechtslenkung umbauen. Der Rennfahrer mit dem Spitznamen „Fetzer“ griff mit der linken Hand am Lenkrad zum Schalten durch dieses hindurch und fuhr auf diese gewagte Weise zahlreiche Erfolge für den Porsche-Rennsport ein. Der Ausnahmefahrer war das Idol des verstorbenen Niki Lauda.
Von einer Frau, für die Autofahren Freiheit bedeutet
Gaby Straumann verbinden mit diesem 356 grosse Gefühle, sie nahm vor Jahren schon mit einer Freundin am Internationalen Porsche 356 Clubtreffen teil. Die Route führte damals über die imposante Grossglockner-Hochalpenstrasse, die zum Zeitpunkt der Ausfahrt noch von Schneewänden gesäumt war. Das Auto hat sie nie im Stich gelassen. „Es war eine meiner schönsten Ausfahrten und gleichzeitig die Feuertaufe des 356 Gmünd. Mein Exmann konnte nicht teilnehmen und wollte eigentlich das Fahrzeug an einen Fahrer verleihen, als ich einwandte, dass ich nach dieser langen und kostspieligen Restaurierungsphase das Auto lieber selbst fahren wollte,“ sagt Gaby Straumann. Sie lacht: „Das wird mir immer in Erinnerung bleiben.“
Für die Mutter von vier mittlerweile erwachsenen Kindern, die mit zwei weiteren Fahrzeugen der Baureihen 356/2-003 von 1949 und dem 356 B Cabriolet aus dem Jahr 1963 am Clubtreffen teilnehmen, bedeutet Autofahren Freiheit. Und obwohl sie ihren Fahrausweis erst spät erhielt – sie war mehrmals durch die Fahrprüfung gerasselt – nimmt sie heute nicht nur an Oldtimer-Ausfahrten mit ihren 356 teil, sondern ist eine der wenigen Frauen, die mit Leidenschaft am freien Fahren mit einem Porsche GT3 MR auf den Rennstrecken dieser Welt vorne dabei ist. „Ich liebe beides, die Oldtimer einerseits, aber anderseits auch, auf der Rennstrecke mal Gas zu geben,“ so Straumann. „Und natürlich liebe ich die Form der Porsche, deren DNA in sämtlichen Modellen wiederzuerkennen ist.“ Auf dem Internationalen Treffen schätzt sie den unkomplizierten Austausch mit Gleichgesinnten aus aller Herren Länder.
Gäste aus Down Under
Viele sind von weit her angereist und haben ihre Fahrzeuge verschiffen lassen, so auch Andrew Donelly mit seiner Partnerin Clare Jeffries aus Australien. Fast unisono schwärmt das Paar von den „breathtaking surprises of the landscape.“ Hinter jeder Kurve wartet eine neue Überraschung, tauchen Seen und Berge auf, bezaubert die Natur. Donelly sagt: „Sie müssen sich vorstellen, dass wir in einer trockenen, heissen Gegend Australiens leben und wir uns nur einmal im Jahr – dann, wenn der Frühling einzieht – für kurze Zeit an dem satten Grün der Natur erfreuen können.“
Beide erzählen sichtlich gerührt, dass es ihre erste gemeinsame Reise mit dem Porsche 356 B Super 90 von 1961 in Europa ist. Sie haben den Wagen nach Italien verschiffen lassen und ihn vor über einer Woche aus dem Container in Empfang genommen. Das Paar hat sich die Zeit und Musse genommen, von Livorno über die Emilia Romagna, die Lombardei, das Tessin und das Engadin bis nach Hasliberg und weiter zum Ausgangspunkt des Internationalen Porsche 356 Clubtreffens ins Bürgenstock Resort bei Luzern zu reisen. Leider war das Wetter meist schlecht. Erst zum Start des Treffens präsentiert sich die Schweiz im besten Licht.
Auf die Frage, wie er seinen Porsche mit drei Worten beschreiben würde, sagt Donelly wie aus der Pistole geschossen: „Form, Funktion und Zuverlässigkeit. Ich bin noch nie liegengeblieben, obwohl das Auto fast 60 Jahre auf dem Buckel hat – und ich fahre das Auto auch im Alltag. Da können andere Oldtimer nicht mithalten.“ Zudem währt seine Leidenschaft für Porsche schon lange: „Als ich 14 Jahre alt war, besass die Mutter einer Klassenkameradin genau so einen 356 B Super 90 in Gelb, und ich war vom ersten Moment an von der Ästhetik des Designs begeistert.“ Zu dieser Zeit war das australische Strassenbild von den pummeligen, viertürigen Holden von General Motors-Holden dominiert. Die Familienlimousine brauchte mit ihrem 2,2 Liter-Sechszylinder-Motor knapp 30 Sekunden von 0 auf 100 km/h; bei 117 km/h war Schluss.
Donelly lacht: „Da war der Porsche 356 B Super 90 natürlich nicht nur von der Formsprache her eine Offenbarung, sondern auch von der Dynamik und Geschwindigkeit: In 13 Sekunden beschleunigt er auf 100 km/h, und meiner fährt heute noch die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h.“ Fahrspass und die vielen schönen Erlebnisse bei den Ausfahrten sind für Donelly und Jeffries das Wichtigste, wenn sie auf ihr Auto zu sprechen kommen. Sie fahren gerne und viel, die nächsten Tage in der Schweiz, bevor sie weiter nach Deutschland reisen. Sie haben eine Führung im Porsche Museum in Stuttgart geplant, um ganz in die Geschichte der Marke einzutauchen.
Was verbindet einen Dual Schallplattenspieler mit einem Porsche 356 B T6 Cabrio?
Jürgen Eisenkopf und seine Partnerin Andrea Esser kommen aus einem Ort nahe der holländischen Grenze im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Beide liessen sich bereits von der Anfahrt zum Hotel motivieren, wie Eisenkopf erzählt: „Ich konnte mal wieder den Motor am Berg richtig hochdrehen, wozu ich zu Hause nie Gelegenheit habe. Das hat mir als Flachländer besonders Spass gemacht. Am Bürgenstock Resort wurden wir bei strahlendem Sonnenschein mit einer grandiosen Aussicht über den Vierwaldstättersee von der abwechslungsreichen Schweizer Landschaft in den Bann gezogen.“ Seine Partnerin ergänzt, dass die Menschen hier auffallend zuvorkommend und freundlich sind.
Viele der Fahrzeuge haben schon aufgrund ihres Alters eine Geschichte, aber der Porsche 356 B T6 Cabrio der beiden hat eine mehr als aussergewöhnliche Historie. Der damalige Freund und jetzige Mann von Eisenkopfs älterer Schwester fuhr in den 1970er-Jahren einen Porsche 356. Eines Sonntags fuhr Eisenkopf mit ihm zwei Dörfer weiter, um ein Nardi-Holzlenkrad zu erstehen. „Wir haben das Lenkrad für 50 Mark gekauft und der Händler zeigte uns in einer Scheune noch einen Porsche 356, den er ebenfalls verkaufen wollte“, erzählt er. „Er fragte mich, ob das nichts für mich wäre. Ich erwiderte, ich hätte weder Geld noch einen Führerschein. Doch der Verkäufer blieb hartnäckig und fragte mich, ob ich sonst etwas zu bieten hätte. Voller Stolz erwähnte ich meinen Dual-Schallplattenspieler, den ich mir kurz zuvor von den Ersparnissen zu meinem 17. Geburtstag gekauft hatte. Den solle ich doch nächste Woche mal vorbeibringen, sagte der Händler.“
„Ich hatte weder Geld noch einen Führerschein.“ Jürgen Eisenkopf
Eisenkopf lacht: „Irgendwie war mir nicht ganz wohl bei der Sache – aber ich brachte wie ferngesteuert den Plattenspieler zu dem geschickten Verkäufer. Nach einer Woche meldete sich dieser bei mir und schlug ein Tauschgeschäft vor: Er würde den Plattenspieler behalten, und ich bekäme den Porsche 356 mit allen Ersatzteilen aus seinem Lager. Er wolle den Porsche loswerden. Plötzlich war ich Besitzer eines Porsches ohne Zulassung, hatte keinen Führerschein, kein Geld – und keinen Plattenspieler mehr. Während unzähliger Tage, Wochen und Monate wurde geschweisst, geschraubt und restauriert, ich steckte jeden Pfennig in das Auto. Als ich schliesslich den Führerschein bekam, lüftete ich das Geheimnis gegenüber meinen Eltern“, fährt Eisenkopf fort.
Bei der Frage, welchen Stellenwert der Porsche in seinem Leben habe, wird er etwas sentimental: „Er ist wie ein Familienmitglied – und ich bin stolz darauf, unserem Sohn, der die Liebe zu historischen Fahrzeugen teilt, das Auto weitergeben zu können.“ Übrigens traf Jürgen Eisenkopf den Händler nach 30 Jahren per Zufall wieder – den Plattenspieler hatte dieser natürlich schon lange nicht mehr.
Der Organisator
Am Sonntagmorgen nach dem Frühstück im Ballroom des Bürgenstock Resorts sieht man bei der Abreise der Teilnehmer nur glückliche Gesichter. Einer der Hauptverantwortlichen strahlt mit allen anderen um die Wette: Frank Baumann, der Präsident des Porsche 356 Clubs Schweiz. „Wir haben zum vierten Mal nach 1989, 1999 und 2009 das Internationale Porsche 356 Clubtreffen in der Schweiz ausgerichtet, und es freut mich, dass es uns auch diesmal gelungen ist, den Gästen aus dem Ausland die Vielfalt und Schönheit unseres Landes gepaart mit der Schweizer Gastfreundschaft näher bringen zu können“, sagt er.
„Das Ganze wäre natürlich nicht ohne Sponsoren und die vielen Helfer möglich gewesen“, betont Baumann: „Alle haben neben ihren Jobs seit über einem Jahr ohne jede Gegenleistung an der Vorbereitung des Treffens mit unheimlich viel Herzblut gearbeitet. Die beiden Tage mit Ausfahrten waren abwechslungsreich und zeigten Strecken mit besonderen Highlights“, fährt er fort: „Die Giessbachfälle, den Brienzersee im Berner Oberland oder die Aareschlucht. Zum krönenden Abschluss des ersten Tages durfte natürlich eine Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee nicht fehlen.
Der zweite Tag führte uns durch das Luzerner Seenland mit einem Boxenstop zum Mittagessen im Widenmoos, dem führenden Wirtschaftsclub der Schweiz von internationalem Format. Ganz besonders dankbar bin ich natürlich, dass das Treffen ohne Unfälle oder sonstige Zwischenfälle stattgefunden hat. Ich freue mich schon jetzt auf das 45. Internationale Porsche 356 Clubtreffen in München im Jahr 2020 und auf den Besuch bei unseren bayerischen Freunden.“
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Magazin Christophorus, Nr. 394.
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