Schon diese Farbe, dieses wunderbare Grün mit der Bezeichnung „Lago“, man kann sich gar nicht sattsehen an diesem 356 A 1600 Coupé des Jahrgangs 1956 aus dem Bestand des Porsche Museums. Und noch einmal geht man gern um den Wagen, betrachtet ihn aus allen Winkeln, freut sich auch über die Felgen mit Zentralverschluss. Tief kauert der Porsche über der Strasse – man kann sich gut vorstellen, wie begeistert das Publikum in den 1950er-Jahren gewesen sein muss, wenn es solch einen 356 zu Gesicht bekam. Damals, als den Amerikanern immer grössere Flügel wuchsen, die deutsche Mittelklasse noch so richtig bieder war und die Italiener so selten wie Schneefall im Juli, da zauberte der kleine, leichte Wagen aus Stuttgart-Zuffenhausen noch so manch ein Lächeln in das Gesicht der Betrachter. Er war (und ist) aussergewöhnlich schön, so einfach im Design, so harmonisch die Linien – ein Sportwagen, wie man ihn sich vorstellen will. Und dann noch diese Farbe: „Lago“, also tiefgrün wie ein Bergsee in den Alpen.
Ein 1,6-Liter-Vierzylinder mit 60 PS ist jetzt nicht das, was man heute von einem Porsche gewohnt ist. Und doch ist dieser 356 erstaunlich agil. Das Drehmoment ist da, wo man es am Berg haben will, man kommt doch ganz flott vorwärts. Und geniesst auch den typischen Boxer-Sound, schön tief, unaufgeregt. Damals gab Porsche für den Sprint von 0 auf 100 km/h eine Zeit von 16,5 Sekunden an, die Höchstgeschwindigkeit lag bei 160 km/h. Aber das reicht auch heute noch bestens aus – der Weg ist das Ziel.
Die 356 A waren im September 1955 vorgestellt worden. Zu erkennen sind sie im Vergleich zu früheren Modellen an der einteiligen Panorama-Windschutzscheibe und dem einteiligen Fronthaubengriff (inklusive Porsche-Wappen). Grösster Fortschritt ist gegenüber früheren Modellen aber das Fahrverhalten: Neu abgestimmte Stossdämpfer und ein Querstabilisator an der Vorderachse lassen den 356 A viel ausgewogener werden, sportlicher – und trotzdem komfortabler. Genau so muss Evolution stattfinden: Die Sportwagen von Porsche werden über die Jahre immer besser.
Man mag sich nun noch fragen, warum die 356/2 im Vergleich zur Nummer 1 so ganz anders sind. Zwar wäre die Mittelmotor-Bauweise des allerersten Porsche-Sportwagens für den Motorsport allenfalls erfolgsversprechender gewesen, doch die Konstruktion war schlicht und einfach zu kompliziert, zu aufwendig, auch bei allfälligen Reparaturen zu wenig nutzerfreundlich. Der Heckmotor bot zudem noch einen entscheidenden Vorteil: Der Innenraum wurde grösser, es konnte noch eine Rückbank angebracht werden. Alle diese Vorteile wurden den Porsche-Konstrukteuren wohl schon beim Bau des ersten Prototypen klar, die Entwicklung des 356/2 lief zeitgleich mit der Fertigstellung der Nummer 1.
Speedster mit 760 Kilogramm
Dass Porsche aber immer auch an den Rennsport dachte, an all die Privatfahrer, die ihr Fahrzeug am Wochenende auch auf einer Rennstrecke bewegen wollten, zeigt das nächste Fahrzeug, mit dem wir auf dieser 356-Tour durch die Schweiz unterwegs waren: der Porsche 356 A Super Speedster aus dem Jahr 1958. Die Speedster waren auf Anregung des amerikanischen Importeurs Maximilian E. Hoffman entstanden, der sich für seine Kunden ein leichteres, schnelleres und auch günstigeres Sportgerät wünschte.
Für weniger Gewicht sorgten unter anderem die leichteren Schalensitze und Steck-Seitenscheiben, die fehlende Heizung und ein sehr simples Faltverdeck (das aber eh kaum hochgeklappt wurde). Und so sind es noch 760 Kilogramm, die bewegt werden müssen (beim vorher beschriebenen Coupé waren es 850 Kilogramm) – und das spürt man gut, die 75 PS machen aus dem Speedster für heutige Begriffe zwar noch keinen Rennwagen, aber er fährt sich ausgezeichnet, auch auf Bergstrassen.
Und sie sehen eben auch gut aus, diese Speedster, die maximale Reduktion war schon immer ein guter Ansatz. Gross gewachsene Piloten haben allerdings ein kleines Problem: Manchmal müssen sie zur besseren Übersicht über die winzige Frontscheibe schauen. Und wenn man ganz frisch vom Coiffeur kommt, dann ist der sehr luftige, sehr seltene und heute zu sehr hohen Preisen gehandelte Porsche wohl auch nicht ganz optimal.
Im Herbst 1959 löst dann der Porsche 356 B den 356 A ab. Von aussen zu erkennen sind die neuen Modelle an den 10 Zentimeter höher angeordneten Scheinwerfern, dem breiteren Kofferraumgriff und den Lufteinlässen unter der Stossstange. Innen gibt es ein schwarzes Lenkrad, mehr Platz auf der Rücksitzbank und komfortablere Sitze vorne. Ab 1961 sitzt die Benzin-Tankklappe erstmals auf dem rechten Kotflügel, ein Designmerkmal, das bei den 911 bis heute gepflegt wird. Vom 356 B wurden bis 1963 31'440 Exemplare gebaut – kein 356 war im Verkauf erfolgreicher.
Unser Exemplar ist ein Porsche 356 B 1600 Super 90 Coupé aus dem Jahr 1963. Er verfügt weiterhin über 1,6 Liter Hubraum, doch es sind schon 90 PS, die für Vortrieb sorgen. Weil aber das Gewicht unterdessen auch schon bei 935 Kilogramm liegt, lässt sich dieses Coupé kaum sportlicher bewegen als der Speedster. Erfreulich ist dagegen die Durchzugskraft, mehr Drehmoment sorgt für eine entspanntere Fahrweise. Bei den Super gibt es übrigens eine Ausgleichsfeder an der Hinterachse, mit der der Fahrbahnkontakt beim kurveninneren Rad deutlich verbessert werden konnte – und das spürt man tatsächlich, die Evolution des Sportwagens geht mit dem 356-B-Modell weiter, der Fortschritt ist auf der Strasse erlebbar.
Lächeln im Gesicht
Ganz zum Schluss unseres Ausflugs erleben wir dann noch den Höhepunkt der 356-Baureihe, den Porsche 356 B 2000 GS Carrera 2 als Cabriolet aus dem Jahre 1962. Von den Carrera 2 wurden 1962/63 nur gerade 310 Stück gebaut – und nur 34 davon waren Cabrios.
Den grossen Unterschied macht der sogenannte Königswellen-Motor, den Motorenpapst Ernst Fuhrmann auf zwei Liter Hubraum vergrösserte. Das bedeutet auch: 130 PS – für die damalige Zeit ein hervorragender Wert. Das Cabrio lässt sich gemäss Werk in 9 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen und schafft eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Und es bremst ausgezeichnet, die innenliegenden Scheibenbremsen stammen aus dem Modell 804, mit dem Porsche damals in der Formel 1 antrat. Es ist die wahre Freude am Fahren: guter Sound, ausgezeichnete Fahrleistungen (auch heute noch), eine wunderbare Mischung aus Komfort und Sportlichkeit.
Porsche hatte mit dem Carrera 2 alles aus dem 356 herausgeholt. Es wurde Zeit für die nächste Stufe, den 911. Sie sind und bleiben aber ein grosses Vergnügen, diese 356, so schön klein und handlich, so schön anzusehen – sie zaubern den Betrachtern am Strassenrand immer noch ein Lächeln ins Gesicht.
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Magazin Christophorus, Nr. 389.
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