Allein mit sich, sitzt der Mann an seinem Werktisch. Vor ihm liegen Pinzetten und Schraubendreher im Miniaturformat. Eine Lupe vor das Auge geklemmt, baut er das Uhrwerk zusammen und setzt es dann ins Gehäuse. Es ist das klassische Bild von der Uhrmacherei, das sich in die Köpfe gebrannt hat. Und tatsächlich: Es geht vielerorts so zu.
Auch bei Porsche Design Timepieces geben Spezialisten den Uhren in aller Ruhe den letzten Schliff. Doch bis es so weit ist, arbeitet der Uhrenhersteller anders als traditionelle Manufakturen. Bei der Gründung im schweizerischen Solothurn 2014 war das Vorbild die Porsche AG – das Entwicklungszentrum in Weissach ebenso wie die Fertigung in Zuffenhausen. Kein Zufall. Schließlich arbeiten bei Porsche Design Timepieces an maßgeblicher Stelle Leute, die die Porsche-Philosophie im Blut haben, etwa Rolf Bergmann, der Geschäftsführer. Der studierte Fertigungstechniker arbeitete viele Jahre als Produktionsmanager in Zuffenhausen.
Individuelle Einzelstücke
Dort spielt die Flexibilität in der Produktion eine maßgebliche Rolle. Am Band können in beliebiger Abfolge Carreras oder Turbos, Coupés, Targas oder Cabrios kommen – und immer sind die für den Zusammenbau notwendigen Teile zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Dieses System hat Bergmann auch in der Uhrenfertigung umgesetzt. Und weil er weiterhin mit flexiblen Lieferanten arbeitet, die ebenfalls just in time liefern, können problemlos Kleinstserien gebaut werden – bis hin zum individualisierten Einzelstück. Die ersten Porsche-Clubs haben bereits kleine Uhrenserien in Auftrag gegeben.
Das Unternehmen in Solothurn ist jung, aber Uhren haben bei Porsche Design Tradition. Begründet wurde sie von Professor Ferdinand Alexander Porsche, dessen Hand dem 911 die Linie gab, unverwechselbar bis heute. Nachdem er sich 1972 mit seinem Designstudio in Stuttgart selbstständig gemacht hatte, präsentierte er im Jahr darauf die erste von ihm gestaltete Uhr, durchgehend mattschwarz bis auf Zeiger und Indexe: „Mir ging es darum, eine Uhr zum Auto zu kreieren. Schwarz wie die Tachometer und Drehzahlmesser des 911, weil das beim Ablesen nicht blendet.“ Ein weiterer Meilenstein war der Titan-Chronograph aus den 1980er-Jahren. Legendär wegen des Designs mit den im Gehäuse versenkten Chronographendrückern – legendär aber vor allem, weil es der erste Chronograph aus Titan war. Daran knüpft Porsche Design Timepieces an: Die Uhren sind aus demselben Material.
Wie aber sollte das Referenzprodukt der Solothurner aussehen? Für das Design war das Studio in Zell am See gefragt. Dort hütet Roland Heiler das gestalterische Erbe von F. A. Porsche. Eine schnöde Replika eines alten Erfolgsmodells kam für den Schwaben nicht infrage, eine moderne Interpretation aber schon. Der neue Zeitmesser wuchs im Durchmesser, Kanten akzentuieren nun die einst rundliche Form. Besonders die rechte Gehäuseflanke sollte „cleaner“ werden, reiner, weshalb Heiler eine Chronographen-Kinematik mittels Schaltwippe bevorzugte. Dieses Bauteil ist für den Stoppmechanismus zuständig: Start, Stopp, Null.
Gemeinschaftswerk von Rennwagen- und Uhrenspezialisten
Aus Sicht der Designer kein Problem, für Konstrukteure jedoch eine knifflige Arbeit. „Ein schlichte Lagerung der Wippe in einer Achse kam nicht infrage, weil sich diese Achse mit dem Kronentubus überschnitten hätte“, erläutert Bergmann. Die Gehäusebauer schlugen also zunächst eine einseitige Lagerung vor. Allerdings war ein definierter Druckpunkt gefragt, außerdem sollte die Wippe im Ruhezustand mit dem Gehäuse bündig abschließen und dabei keinerlei Spiel aufweisen. Das kann eine einseitige Lagerung in diesen Dimensionen nicht leisten. „In solchen Situationen nehme ich gern mal den Telefonhörer in die Hand und rufe in Weissach an“, sagt Bergmann mit einem verschmitzten Lächeln. Dort erfuhr er, dass mechanisch stark belastete Teile im Motor immer beidseitig gelagert werden.
Auf sein Bitten hin entstand in Weissach eine Alternativkonstruktion. „Damit bin ich dann zu unserem Gehäusehersteller gegangen. Wir waren uns schnell einig, dass dies die bessere Lösung ist“, erinnert sich Bergmann. Das Gemeinschaftswerk von Rennwagen- und Uhrenspezialisten ist inzwischen eine patentierte Lösung. Sie gleicht einem Schlepphebel-System zur Ventilsteuerung. Nur dass die Wippe keine Ventile aktiviert, sondern Stößelstangen, die den Fingerdruck des Bedieners auf den Chronographenmechanismus im Uhrwerk übertragen. Ein Federmechanismus – analog zur Ventilfeder – besorgt die Neutralstellung der Wippe. Schaftdichtungen sorgen dafür, dass kein Wasser ins Gehäuse eindringt.
Robustheit und Alltagstauglichkeit sind gefragt
Nach der Schweizer Chronofiable-Norm muss ein Chronograph mindestens 3.000 Betätigungen überstehen. „Wir sind aber dem Porsche-Prinzip gefolgt, wonach das Produkt deutlich mehr aushalten muss als vorgeschrieben“, sagt Bergmann. „Deshalb haben wir unseren kompletten Entwicklungsprozess inklusive aller Maßnahmen der Qualitätssicherung an den Porsche-Entwicklungsprozess angelehnt.“ Da sind auch Robustheit und Alltagstauglichkeit des Produkts gefragt, weshalb das Saphirglas zwecks bester Ablesbarkeit beidseitig siebenfach entspiegelt ist – und kratzfest. Von der Chronographenwippe geht allerdings keinerlei Gefahr aus. Die Führung ist so präzise, die Fertigungstoleranzen sind so eng gewählt, dass die Wippe berührungslos, wie auf einem Luftkissen, übers Glas gleitet.
Die Macher von Porsche Design Timepieces nennen die sportliche Chronographenlinie „Monobloc Actuator“. Die jüngste Variante hört auf den Namen „Black & Rubber“. Das Titangehäuse ist mattschwarz beschichtet, das Band besteht aus schwarzem Kautschuk. Blendfrei, perfekt ablesbar. F. A. Porsche wäre begeistert gewesen.
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Nr. 384