Im Land am Strome ist Klaus Bachler zu Hause – so nennt sich Österreich schon im zweiten Satz seiner Bundeshymne. Strom, jener in elektrifizierter Form, ist seit 2020 auch der Treibstoff in einem Teil seines beruflichen Lebens. Denn der Steirer ist als Rennfahrer zwar an bis zu 25 Wochenenden im Jahr im benzingetriebenen GT-Porsche schnell unterwegs, das Wort Privileg betont er aber besonders oft und gern, wenn es darum geht, dass er einer der Entwicklungsfahrer des Porsche GT4 e-Performance ist.
Und zwar der, der an einem Frühlingstag vor knapp drei Jahren Geschichte schrieb, indem Bachler die ersten Meter mit diesem für Porsche historischen Rennwagen fuhr. Es ist der erste selbst gebaute reinelektrische Bolide der Historie, der zugleich für die Zukunft des Rennsports steht – beziehungsweise: fährt.
Aufgeschlossen für neue Technologien
Bachler ist 31 – alt genug, um als klassischer Petrolhead sozialisiert worden zu sein, und doch so jung, dass er bei der Frage, ob er je Vorurteile gegenüber der E-Mobilität gehabt hat, fast entrüstet entgegnet: „Ich hatte nie welche, bin neuen Technologien gegenüber immer sehr aufgeschlossen.“
Erst recht, wenn sie so viel Kraft entfalten. „1.088 PS – von null auf 200 km/h in 5,6 Sekunden, bei 100 ist man bereits nach 2,3 Sekunden. Ich denke, das sind Zahlen, die alles sagen.“ Fast alles – den Rest soll uns Klaus Bachler erzählen, der Mann, der im Inneren dieses Prototyps seinen Arbeitsplatz hat.
Was ist denn der größte Unterschied zum Verbrenner-Porsche? „Ganz klar: die Leistung. Sie ist phänomenal. Und dann ist da dieses Ansprechverhalten. Der Elektromotor geht natürlich von unten raus sofort, er hat ein extrem hohes Drehmoment. So viel Leistung in Kombination mit dem Allrad – da muss man auch seinen Fahrstil anpassen.“
Also bitten wir den Piloten zur Stil-Frage. Wie fährt man dieses elektrische Gerät? „Da muss man klar unterscheiden: Fährt man jetzt eine Zeitrunde mit maximaler Leistung, also mit den ganzen 1.088 PS – oder ein Rennen? Beim Quali-Run mit so viel Leistung ist es wichtig, dass man das Auto so schnell wie möglich geradestellt – das muss bereits am Apex sein, damit man an das Gas kommt. Die gute Rundenzeit holt man immer am Exit. Das bedeutet: Die Zeit davor, in der sich das Auto in der Kurve dreht, die muss so gering wie möglich sein.“
Daher gilt: Im Quali-Mode kann und muss man sehr aggressiv abstimmen, damit man das Auto auf der Bremse so schnell wie möglich gedreht bekommt. „Im Renn-Trimm aber haben wir klar weniger Leistung, aber immer noch sehr viel – 450 Kilowatt. Doch in dieser Phase sind sowohl der Fahrstil als auch das Set-up jenen wesentlich näher, die man mit einem Verbrenner-Motor hat.“
„Man muss sich erstmal an die Leistung gewöhnen“
Was werden begabte Amateure mit diesen Rennautos beachten müssen? „Das Erste ist klar: Man muss sich einmal an die Leistung gewöhnen. Wir haben eine Beschleunigung – die ist so imposant, dass sie selbst einen Profi mehr als nur beeindruckt. Die gute Nachricht ist aber: Wenn man das einfach oft genug gemacht und erlebt hat, dann ist dieser GT4 e-Performance relativ einfach zu fahren und gut zu kontrollieren.“
Auch in den Rennen. Aber wie wird sich deren Charakter verändern, wenn alle Autos geladen statt getankt sind? „Das können wir“ – so Bachler offen – „im Moment noch nicht definitiv sagen. Bislang arbeiten wir ja nur mit diesem einen Prototyp. Noch konnten wir nicht zwei GT4 e-Performance eng und im Duell gegeneinander fahren, um die Auswirkungen im Detail und konkret zu erleben. Aber ich denke, es wird im Rennen kein großer Unterschied sein zu Rennen mit benzingetriebenen GT-Rennfahrzeugen wie dem RSR.“ Denn: „Die Wahrheit ist simpel: Jeder will entweder als Erster in die Kurve rein oder als Erster raus. Die Art des Antriebs wird die Art der Zweikämpfe nicht dramatisch ändern, das reduziert sich alles wieder auf das Pure, das Ursprüngliche am Rennfahrer-Sein.“
Wann werden wir dieses Auto im Renneinsatz sehen?
Der Entwicklungsfahrer ist nicht der, der das beurteilen kann oder will: „Unser Job war es, einen Prototyp auf die Rennstrecke zu bekommen, der funktioniert. Nun wird man sehen, was man künftig mit diesen Autos machen kann.
Entweder man formt einen Markenpokal im Stil der erfolgreichen Beispiele Supercup und Carrera-Cup, oder es gibt bald auch genügend andere Hersteller, die ähnliche Rennwagen entwickeln. Das würde uns die Chance geben, auch gegen andere Prototypen zu fahren.“
Wobei die Möglichkeiten des Rennautos auch über die Rundstrecke hinausgehen – wer würde solche Boliden wie den GT4 e-Performance nicht etwa gerne bei Bergrennen sehen?
Alle Racer-Sinne wecken
Wichtig ist es, gerade im Bereich Kundensport, ein Auto zu bauen, das auch freundlich zum Benutzer ist. „Ich war von Anfang an dabei bei der Entwicklung, und es war sehr intensiv. Und auch: sehr interessant, sehr komplex, auch sehr anders als beim Testen eines Rennwagens mit einem herkömmlichen Antrieb.“
Doch es hat sich gelohnt: „Jetzt haben wir ein Auto, das zum einen gut fährt und zum anderen gut fahrbar ist – was wichtig ist für die, die in Zukunft solche Autos bewegen werden und die das Rennfahren damit genießen wollen. Ein Auto, das durch die intensive Beschleunigung alle Racer-Sinne weckt, das einen aber auch nicht überfordert.“ Für diesen Fakt hat Bachler nun erste Zeugen. Im Rahmen der Rennsport Academy am Red Bull Ring hatten die Teilnehmer, alle selbst angehende Rennfahrer, die Möglichkeit, in Bachlers GT4 e-Performance mitzufahren.
Das Feedback: „Sie waren durch die Bank begeistert, vor allem von der Beschleunigung und der Performance. Sie sind aber nicht nur von der puren Kraft beeindruckt, sondern speziell auch davon, wie gut er auf der Straße liegt. Trotz des Mehrgewichtes durch die Batterien ist die Kurvenfahrt toll, ebenso ist das Handling in den Schikanen echt imposant.“
Sagt der Rennfahrer, der jahrelang auf der Nordschleife den VLN-Rundenrekord hielt, der in Spa gewonnen hat und von Le Mans bis Daytona Tausende Male die schönsten und geschichtsträchtigsten Rennstrecken der Welt umkurvt hat. Und der nun als einer der Ersten weiß, wie dynamisch der Rennsport in seine Zukunft beschleunigt. Mit 1.088 PS und unter Strom.
Info
Text erstmals veröffentlicht im Porsche Magazin STORIES.
Autor: Gerald Enzinger
Fotos: DNA Photographers
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