Ein Knall holt uns zurück ins Hier und Jetzt. In Gedanken waren wir längst auf dem Roadtrip, schon während wir den Reifendruck kurz vor dem Start unseres Abenteuers überprüften. Neben uns wollte ein zehnjähriger Junge den Schlauch seines BMX-Rads aufpumpen, als es passierte. Zu viel Druck für den zierlichen Reifen. Dem Knall folgt ein Pfeifen in unseren Ohren, wir lachen kurz, bis wir sehen, dass dem Bub die Tränen über die Wangen kullern. „Ich habe den Schlauch gerade eben erst gekauft“, er schluchzt und lässt sich kaum beruhigen. Für meinen Kumpel Desmond und mich steht sofort fest, dass wir helfen müssen. Also kaufen wir ihm einen neuen Schlauch und helfen ihm, das BMX zu reparieren. „Das ist aber kein Campingmobil“, witzelt der Besitzer des Fahrradladens in Kapstadt, nachdem wir ihm von unserem Vorhaben erzählt hatten.
„Nic, was ist der Plan?“, fragt Desmond, als ich ihn morgens mit dem Porsche 356 B Super 90 Coupé abhole. Bei solchen Trips bevorzuge ich es, keinen Plan zu haben und mich treiben zu lassen. Ich folge sozusagen der Anziehungskraft des Horizonts. Unser Plan, der alles andere als ausgeklügelt ist, lautet: in der Halbwüste Karoo zu campen, auf dem Weg dorthin meinen Porsche 356 aus dem Jahr 1963 in einer Kleinstadt zur Wartung zu bringen und ein Foto eines kleinen Hügels, genannt Koppie, für ein Fotoprojekt zu schießen. Die Werkstatt ist sozusagen unser einziges Ziel.
Mit zehn Jahren saß ich neben meinem abenteuerlustigen Vater im Auto, als er einen U-Turn machte, um wenige Minuten später exakt diesen Porsche zu kaufen. Ich kann mich an einige Touren mit dem 356 erinnern, aber auch daran, dass er ein perfektes Alltagsauto war. 30 Jahre und ein Restaurationsprojekt später hat sich unsere Beziehung weiterentwickelt. Der 356 wartet meist geschützt in einer Garage in Kapstadt. Ich fahre lieber mit dem Fahrrad als mit dem Auto durch die Stadt. Aber alle paar Monate wecke ich den Porsche auf und unternehme besondere Fahrten, je nach Lust und Laune gern auch weiter als 1.000 Kilometer. Wir waren schon oft mit ihm campen und haben zeitweise auch zwei Fahrräder auf dem Dach transportiert.
Halbwüstenlandschaft Karoo
Als wir gerade Richtung Halbwüste Karoo fahren, passieren wir ein kleines Buschfeuer. Der starke Wind könnte die Flamme in ein Desaster aufwedeln. Also drehen wir schnell um, wie mein Vater damals, springen aus dem Porsche und treten das Feuer mit unseren Füßen aus. Erst viele Kilometer später fällt mir ein, dass ich einen Feuerlöscher im Auto habe. Die Karoo ist eine Halbwüstenlandschaft in den Hochebenen Südafrikas, knapp 500 Kilometer nordöstlich von Kapstadt. Die Sommer dort sind heiß, die Winter kalt.
Desmond, der beruflich als Autofotograf arbeitet, erwähnt immer wieder, wie sehr er sich selbst als Beifahrer mit dem Porsche verbunden fühlt. „Ein bisschen so, als würde ich Motorrad fahren, wir sind eins“, sagt er. Man fühlt sich im 356 mit Vierzylinder-Boxermotor der Straße näher denn je, der Fahrtwind ist präsent, ein prägendes Erlebnis. Ich habe schon viele Roadtrips mit anderen Fahrzeugen unternommen, aber die Landschaft mit diesem Oldtimer zu erfahren ist einfach etwas Besonderes. Der 356 ist ein Objekt der Schönheit, das mit seiner Umgebung harmoniert. Selbst wenn es um soziale Interaktionen geht: Die Leute winken uns hinterher, sie lächeln und strecken den Daumen nach oben.
Wir suchen noch den perfekten Platz zum Campen in der Karoo, als die Sonne bereits untergeht. Zu viele Zäune und Privatgrundstücke lassen uns abbiegen, umdrehen, neue Wege ausprobieren. Es scheint diesmal keinen Platz zum Übernachten zu geben, erst recht nicht, wenn wir ein Lagerfeuer machen wollen. Das Wetter wird minütlich schlechter. Als wir gerade einen Bauernhof passieren, stoppt neben uns ein Pick-up. „Ihr könnt hier nicht weiterfahren, ohne den Chef gefragt zu haben“, sagt der Sohn des Landwirts. Jan du Plessis, der Vater alias der Chef, ist nicht sehr gesprächig. Desmond deutet auf die großen schützenden Bäume nahe der Schlucht oberhalb des Hauses. Darauf meint Jan: „Wenn euch der Friedhof nicht stört, könnt ihr dort gerne übernachten.“
Lagerfeuer zwischen 356 und Friedhof
Es ist windig und kalt. Wir suchen Schutz zwischen dem 356 und der niedrigen Friedhofsmauer. Etwas Lammfleisch, Pilze und Süßkartoffeln über dem Feuer bringen uns auf andere Gedanken. Doch obwohl wir ein Loch für das Feuer gegraben und große Steine darum platziert haben, fliegen die Funken wegen des starkes Windes weit weg. Wir legen noch ein paar zusätzliche Steine ums Feuer, achten darauf, dass auch das letzte Stück Kohle verglüht ist, bevor wir uns in unsere Zelte legen
Die markante Stimme von Jan du Plessis weckt uns am nächsten Morgen. Mit Blumen in der Hand steht er neben einem der Gräber. „Gestern war der Geburtstag meiner Mutter. Sie wäre 90 geworden.“ Wir fragen ihn, wie das Leben so abseits ist: „Hier zu leben ist hart – aber ich mag es. Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu sein.“ Er lädt uns ein wiederzukommen. „Kommt nächstes Mal etwas früher. Dann kann ich euch einen besseren Platz hinter dem Bergrücken zeigen. Dort gibt es Wildpferde.“
Im Laufe der vergangenen Jahre habe ich den 356 zur Wartung immer gern zu Arno van Wyk gebracht. Ich nenne seine Werkstatt gern den „luftgekühlten Schrein“. Das mehr als 60 Jahre alte Familienunternehmen Andreno Motors ist geschmückt mit riesigen Bildern aus vergangenen Rallye-Tagen und einer einzigartigen Sammlung luftgekühlter Autos, einschließlich des Prototyps eines 1954er Käfers mit nur 36.000 Kilometern. „Dem heute vermutlich einzigen auf der Welt.“ Auch wenn Arno, gelernter Motorenbauer, nur einen Ölwechsel vornehmen und Filter austauschen muss, schätze ich seine Erfahrung.
Poetischer Rhythmus in der Arbeit
Die vielen Jahre haben ihm eine Art poetischen Rhythmus in der Arbeit verliehen. Wenn es nach ihm ginge, könnte ein gut gepflegter Motor für immer halten. Er zeigt auf eine Wand, an der kaputte Motorteile ausgestellt sind. Darüber der Schriftzug „Kaputte Teile? Wir machen sie heile“. Arno ist sich sicher, dass jeder Defekt Schuld des Menschen und nicht der Maschine selbst ist. Ölwechsel verpennt, kalten Motor gequält, irgendwo und irgendwie übertrieben.
Zwischen der Wartung, einem Tee mit Arno und seiner Frau und dem Austausch vieler Rallye-Geschichten mustern wir die Werkstatt und die Motoren im Bearbeitungszustand. Ich bin traurig, wenn ich darüber nachdenke, dass Arnos Sohn das Unternehmen nicht fortführen wird, aber in einem Bürojob verdient er einfach mehr. Ich frage mich, wer den Porsche 356 in 20 Jahren instandhalten wird. Wird man sich in ebenso poetischem Rhythmus um ihn kümmern?
Nachdem ich das für mein Projekt benötigte Bild schießen konnte, machen wir uns auf den Heimweg. Ich lasse die Reise Revue passieren und denke an die unangenehmen Momente: Wie es ist, sein Nachtlager bis zum Sonnenuntergang nicht zu kennen, und wie es sich lohnt, Fremden offen zu begegnen. Mein Fazit: Um gefunden zu werden, muss man erst einmal verloren gehen. Bis bald, Jan, die Wildpferde warten schon.
Info
Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik 20.
Autor: Nic Grobler
Fotograf: Desmond Louw
Copyright: Alle in diesem Artikel veröffentlichten Bilder, Videos und Audio-Dateien unterliegen dem Copyright. Eine Reproduktion oder Wiedergabe des Ganzen oder von Teilen ist ohne die schriftliche Genehmigung der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG nicht gestattet. Bitte kontaktieren Sie newsroom@porsche.com für weitere Informationen.