Heiser röhrend preschen die schnellen Markenpokal-Rennwagen die Start-Ziel-Gerade des früheren Formel-1-Kurses im italienischen Imola hinunter. Brütende Hitze hat sich selbst in den Boxengaragen breit gemacht. Antonio Teixeira steigt in seinen Porsche 911 GT3 Cup. Funkverbindung anstöpseln und checken, Sicherheitsgurte korrekt über das Schulterstück des HANS-Systems seines Helms führen und im Zentralschloss verankern, den Sitz justieren, Gurte straffziehen. Keine Nervosität, keine Hektik. Die Abläufe wirken cool und konzentriert, als wären sie tausendfach einstudiert. Professionell eben.
Doch Antonio Teixeira ist erst 18 Jahre alt und dies gerade mal sein fünftes Rennwochenende am Steuer eines Porsche. Mit dem 911 GT3 Cup ist es sogar erst das dritte. Trotzdem haben Porsche Schweiz und der Verband Schweizer Porsche Clubs (VSPC) den stillen jungen Mann mit dem weichen Gesicht und dem Teenie-Bart bereits in ihr neues Juniorenprogramm aufgenommen. Offensichtlich zu Recht: Nach drei Podestplätzen und einem Sieg bei den ersten vier GT3-CC-Sprintrennen reiste Teixeira als Tabellenführer in die Emiglia Romana. Besser könnte die Talentförderung kaum beginnen.
Dabei lief die Motorsport-Laufbahn des in Bilten lebenden Schweizers zuvor kurz, unkonventionell und in kuriosen Schritten: Statt sich über den Kartsport und Formel-Klassen hochzudienen, fand Teixeira seinen Weg auf die Rundstrecke eher spät – bei Trackdays. Die hatte sein Vater eigentlich für sich selbst gebucht, liess aber auch Antonio und seine beiden älteren Brüder Manuel (22) und José (23) ans Lenkrad. Mit den zur Verfügung stehenden Porsche 911 Turbo und 911 GT2 fuhren die drei dem Papa sofort davon. Speziell der Jüngste fühlte sich direkt in seinem Element. Die vier Teixeiras hatten Lunte gerochen.
Nächster Schritt: ein Sportprototyp namens Radical, 600 Kilogramm leicht, offen, über 200 PS stark und bereits mit funktionaler Aerodynamik. Auch den probierte das Quartett aus – mit dem gleichen Resultat. Erst nach diesem Erlebnis stieg Antonio Teixeira ins Rennkart und begann, gezielt zu trainieren. „Wir arbeiten viel, Motorsport lief für uns eigentlich nur nebenher zum Stressabbau“, betont Vater Teixeira, der als Unternehmer grosse Kräne verleiht und mit ihnen handelt. „Auch Antonio ist in der Firma aktiv und engagiert sich sehr. Eigentlich macht er schon viel zu viel. Im Vergleich zu seinem mittleren Bruder ist er eher der ruhige Typ.“
„Aus meiner Sicht ist Antonio eher ein Wilder!“, lacht Andreas Hodel. Der Besitzer des Teams Sportec hat Teixeira unter seine Fittiche genommen und ihm bereits 2018 Einsätze in der Cayman-GT4-Klasse im Rahmen des Porsche Sports Cup Suisse ermöglicht, wo der damals 17-Jährige bei vier Starts völlig unbekümmert zwei Siege und einen zweiten Rang herausfuhr. „Wenn er im Auto sitzt, verwandelt er sich in einen anderen Menschen, dann wird aus ihm ein grosser Kämpfer. Dabei ist er manchmal zu ehrgeizig und will am liebsten immer und überall der Schnellste sein – doch das lässt sich nicht mit der Brechstange erzwingen. Wir bringen ihm bei, über die aktuelle Runde hinaus auch strategisch an das Rennen und den Titel zu denken. Manchmal ist ein guter zweiter Platz das bessere Ergebnis.“
Start zum gut 30-minütigen Sprint auf dem 4,909 Kilometer langen Autodromo di Imola. Teixeira hat im Qualifying zwar die Bestzeit gesetzt, steht aber nur in Reihe zwei – sein 485 PS starker 911 GT3 Cup geht mit neuen Vorderreifen ins Rennen, dafür wurde er um drei Positionen zurückgestuft. Und es regnet leicht auf den heissen Asphalt. Im Nassen ist Teixeira mit dem Porsche noch nie gefahren. Trotzdem setzt er auf profillose Slicks. Schon aus der ersten Runde kehrt er als Zweitplatzierter zurück, vor ihm nur noch Fredy Barth, ein routinierter Profi. Ab Runde fünf beginnt Teixeira, den Rückstand zu verkürzen.
Wenig später klebt der Teenie am Heck seines Kontrahenten. Kurz vorm Ziel attackiert er den Führenden bei der Anfahrt zur „Variante Tamburello“ sogar und bremst sich neben ihn – an der Boxenmauer wird Andreas Hodel sichtbar nervös. Doch er zuckt rechtzeitig zurück und begnügt sich mit Rang zwei: Als Gaststarter spielt Barth für die Meisterschaft keine Rolle, Teixeira streicht trotzdem die vollen Punkte ein und lässt sich auch noch den Bonuszähler für die schnellste Rennrunde gutschreiben.
„Perfekt gemacht!“, jubelt Christiaan Frankenhout. Der 37-jährige Rennprofi hat bei Sportec das Coaching des Nachwuchsfahrers übernommen, analysiert mit ihm nach jeder Session die Daten- und Videoaufzeichnungen. „Antonio bringt einen sehr guten Grundspeed mit“, lobt der Niederländer. „Er geht mit dem Auto schnell ans Limit, fährt aber manchmal noch zu aggressiv – dann müssen wir ihn etwas zurücktunen. Doch er besitzt viel Potenzial und lernt sehr schnell. Der Cup-Porsche mit seinem Heckmotor ist speziell beim Bremsen schwierig zu beherrschen, denn er besitzt kein ABS. Da kommt es sehr auf den Fahrstil an.“
Auszuwerten gibt es reichlich: Lenkwinkel, Gaspedalbewegung und Drosselklappenstellung, wie schnell wird der maximale Bremsdruck aufgebaut und wie lange gehalten – betrachtet immer von einem Bremspunkt zum nächsten. Oftmals zieht Frankenhout die Referenzwerte eines anderen Fahrers zum Vergleich hinzu. Auch auf die Qualität der Aussagen, die Teixeira an seinen Renningenieur liefert, kommt es an. „Auch darin wird er immer besser“, freut sich Frankenhout. „Natürlich macht Antonio noch Fehler, das gehört dazu. In seinem Alter erlebst du eben viele Dinge zum ersten Mal. Zum Beispiel, wie du auf das Ende einer Safety-Car-Phase reagierst. Als Coach helfe ich ihm, unnötige Fehler zu vermeiden.“
Was sagt sein Teamchef? „Antonio fehlen noch Rennkilometer. Aber wir merken, dass es bei ihm vorwärtsgeht und wir ihn formen können. Damit gibt er uns viel zurück“, betont Andreas Hodel. „Er ist ein sehr anständiger und sehr bescheidener junger Mann. Manchmal dürfte er ruhig etwas taffer auftreten – denn er weiss, was er kann.“
„Ich lerne in diesem Jahr extrem viel dazu, ich habe ja bei Null angefangen“, kommentiert Teixeira selbst. Dabei spricht er langsam und leise. „Christiaan hat schon so viel gewonnen, er kennt jeden Ablauf, das hilft enorm.“ Wo sieht er selbst seine Zukunft? „Es ist nicht so, dass sich bei mir jetzt alles nur noch um Motorsport dreht“, dämpft die Nachwuchshoffnung die Euphorie. „Ich bin auch sehr mit der Arbeit in der Firma meines Vaters beschäftigt. Am Ende der Saison sehen wir uns das Ergebnis an und entscheiden, wie es weitergeht. Aber der Porsche Carrera Cup ist eine Herausforderung, die ich gerne annehmen würde.“
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Magazin Christophorus, Nr. 393.
Copyright: Alle in diesem Artikel veröffentlichten Bilder, Videos und Audio-Dateien unterliegen dem Copyright. Eine Reproduktion oder Wiedergabe des Ganzen oder von Teilen ist ohne die schriftliche Genehmigung der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG nicht gestattet. Bitte kontaktieren Sie newsroom@porsche.com für weitere Informationen.