Der Anblick ist vertraut: Ein kleines Kind liegt auf dem Fußboden, die Beine angewinkelt. In der linken Hand hält es ein Spielzeugauto, das gleich mit Schwung auf die Reise durch das Kinderzimmer geschickt wird. Eine Verbindung zwischen Kind und Auto, die sich fortschreiben lässt: In ein paar Jahren werden es vermutlich ferngesteuerte Autos sein, im Alter von 18 Jahren dann das erste eigene Fahrzeug. Und später womöglich der Sportwagen, agil und schnittig, prestigeträchtiger Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Ein Prozess, wie er im Lehrbuch klassischer Markenpsychologie stehen könnte.
Das bekannte Bild aus dem Kinderzimmer greift Porsche auf. Auch an der Uferpromenade vor dem Pérez Art Museum in Miami können Besucher wie Passanten eine solche Situation beobachten: eine Person auf sandigem Boden. Sie hat die Beine angewinkelt, scheint mit einem Auto zu spielen. Nur die Proportionen wollen nicht recht zur Umgebung passen: Der weiße 911 ist ein echtes Fahrzeug, das vermeintliche Kind eine überdimensionale Skulptur aus Stahlstreben und Glasfasern. 12 Meter lang und 3,5 Meter hoch. Leuchtend gelb und mit Sturzhelm. Eine Installation während der Art Basel in Miami. Inszeniert vom schottischen Künstler Chris Labrooy.
Mir ist wichtig, dass sich die digitale und physische Welt berühren. Chris Labrooy, schottischer Künstler
Labrooy hat seine Installation aus gutem Grund „Dream Big.“ getauft. Er selbst ist von Kindesbeinen an von Autos begeistert und passionierter Porsche-Sammler. „Kaum ein anderes Objekt weckt bei mir so instinktiv Kindheitsträume. Ich wollte ein Stück bunte und fröhliche Kunst schaffen, das Menschen direkt anspricht“, sagt Labrooy. Er ist vor allem für seine täuschend echten digitalen Installationen bekannt, die Fahrzeuge an ungewöhnlichen Orten platziert. Was er sonst am Computer erzeugt, war diesmal in Miami als ein Spiel mit Dimensionen und Assoziationen physisch greif- und erfahrbar. „Mir ist wichtig, dass sich die digitale und physische Welt berühren“, erklärt der Künstler.
Die Szenerie zeigt anschaulich, wie sich die Herausforderungen für moderne Luxusmarken verändern. „Porsche ist mehr als ein Produkt“, erklärt Detlev von Platen, Vorstand für Vertrieb und Marketing bei der Porsche AG. „Die Kraft der Marke zeichnet sich auch dadurch aus, dass Kunden Teil einer Gemeinschaft werden. Besonders gut lässt sich das durch einmalige Erlebnisse und kreative Events transportieren.“ Porsche entwickelt deshalb neuartige Angebote an der Schnittstelle von analoger und digitaler Welt mit dem Ziel, neue und jüngere Zielgruppen anzusprechen. Diese reichen von farbenfrohen Installationen über sorgsam kuratierte Veranstaltungen in Hochburgen der globalen Creative Community bis hin zu virtuell designten NFT-Unikaten.
„Millennials werden bis 2025 für die Hälfte des Luxuskonsums weltweit verantwortlich sein“, sagt Fernando Fastoso. Der Professor für Brand Management an der Hochschule Pforzheim beschäftigt sich intensiv mit den Ansprüchen neuer Zielgruppen. Er ist überzeugt davon, dass 30 Prozent aller globalen Luxusumsätze im Jahr 2025 über Online-Kanäle laufen werden: „Damit das gelingt, müssen Luxusfirmen die Customer Journey über alle Kanäle spielen und die digitalen mit den nicht digitalen Touchpoints kombinieren.“
Dieser Ansatz deckt sich mit dem Anspruch von Porsche, einer Marke, die dieses Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiert und zugleich für Pioniergeist und Innovationskraft steht. Nicht zuletzt, weil die Grenzen zwischen analogen Objekten und digitalen, virtuellen Erfahrungen vor allem für die jüngere Generation immer mehr verschwimmen. Die Kunstinstallation in Miami ist gleichzeitig der Startpunkt für virtuelle Fahrzeuge in Form sogenannter Non-Fungible Tokens, kurz NFTs. Diese nicht austauschbaren digitalen Wertmarken bieten Fans wie Sammlern die Chance, ihren weißen 911 virtuell nach eigenem Gusto zu beeinflussen und mitzugestalten. Auf dieser kreativen Reise im Web3 entsteht eine limitierte Kollektion. „Der technikaffinen Zielgruppe ist es wichtig, Teil einer dynamischen Community zu sein. Auch dafür steht die Marke Porsche von jeher; das schafft eine enge Verbindung mit Menschen auf der ganzen Welt“, erklärt Robert Ader, Marketingleiter der Porsche AG.
Aus der digitalen Welt nach Tel Aviv, mitten ins Zentrum einer pulsierenden Stadt: Mit dem Projekt SCOPES will Porsche kreative Köpfe und Vordenker rund um den Erdball zusammenbringen. Eine Serie urbaner Festivals mit Blick auf eine neue Zielgruppe. „Wir wählen bewusst ikonische Orte aus, an denen sich die unterschiedlichsten Communitys mischen und Verbindungen über das reine Event hinaus entstehen“, sagt Ader: „Damit schaffen wir eine weltweite Gemeinschaft von Kreativen, die unsere Marke durch den Austausch mit positiven Erlebnissen assoziieren.“
In Tel Aviv lockt dieses Konzept über fünf Tage hinweg Tausende von Gästen an. In einem historischen Innenhof erleben sie eine Reise, die durch analoge und digitale Performances führt. Eine Klangskulptur auf einer Metallkonstruktion von Eliran Dahan. Ein Spiegelwald, in dem Gal Vardi mit dem Porsche 953 den legendären Sieger der Rallye Paris-Dakar von 1984 verborgen hat. Oder Assaf Reeb, der den virtuellen Selbstausdruck durch Avatare erforscht.
„Luxus ist per Definition exklusiv“, erklärt Fastoso. Der Hochschulprofessor ist davon überzeugt, dass nicht nur in der realen Welt ein Nutzen in Form von Selbstausdruck und Status entsteht: „Die Wahrnehmung von Exklusivität kann man auch über digitale Produkte erzeugen. Man besitzt sie nicht nur, sondern kann sie in virtuellen Räumen auch öffentlich konsumieren.“ Neue Welten, die nicht zuletzt an alte Kindheitsträume appellieren.
Info
Text erstmals erschienen im Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht 2022.