Konzentration aufs Wesentliche: die vollständige Automatisierung von Prüfstandstests

Ein neues Konzept von Porsche Engineering ermöglicht die vollständige Automatisierung von Prüfstandstests neuer digitaler Funktionen. Durch „Continuous Integration“ werden nicht nur die Tests, sondern auch die begleitenden Abläufe automatisiert. Das erhöht die Effizienz bei den Funktionstests der Porsche Connect-Dienste.

Die Ausstattung eines Porsche aufwerten und einfach per Software um optionale Funktionen erweitern – möglich wird das mit den digitalen Diensten von Porsche Connect. Der Fahrer erhält damit Zugang zu einer Fülle von Zusatzfunktionen, die ihn vor, während und nach der Fahrt unterstützen. Ganz nach seinen Wünschen lässt sich beispielsweise eine aktive Spurführung für noch sichereres Fahren oder eine intelligente Managementfunktion zur Anpassung der Klima- und Geschwindigkeitseinstellungen an die Restreichweite seines Elektrofahrzeugs ergänzen. Damit die Integration der Features in das Fahrzeugsystem reibungslos funktioniert und die vielen verschiedenen Dienste nahtlos zusammenarbeiten, verifiziert ein internationales Testteam mit rund 110 Mitarbeitern bei Porsche Engineering die Software für alle Baureihen und Modelle von Porsche, bevor sie ins Fahrzeug kommt.

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Die intensiven Tests stellen sicher, dass die Integration neuer Features in das Fahrzeugsystem reibungslos funktioniert.

„Das Ökosystem moderner Connectivity-Lösungen wie Porsche Connect ist besonders komplex, da verschiedene Software-Welten – Automobil, Infrastruktur und Smartphone – eingebunden sind. Hinzu kommt die Fülle an einzelnen Software-Funktionen, die in allen Kombinationen getestet werden müssen“, so Dr. Fabian Hinder, Fachprojektingenieur bei Porsche Engineering.

Entsprechend umfangreich sind die erforderlichen Testschritte im Labor und auf der Straße, die die Software durchläuft. Für die Prüfstandstests der Porsche Connect-Dienste hat Porsche Engineering an den Standorten Shanghai, Cluj, Prag, Ostrava und Weissach 30 spezielle HiL-Prüfstände (Hardware-in-the-Loop) aufgebaut. Dabei erfolgt nur die Einbindung der vier im Fahrzeug verbauten Kernsteuergeräte für die Porsche Connect-Dienste als Hardware, die anderen Fahrzeugsysteme werden in einer virtuellen Echtzeitumgebung nachgebildet. „Diese sogenannte Restbussimulation dient in erster Linie dazu, die Kommunikationsdaten der verschiedenen Bussysteme zu erzeugen und damit die Porsche Connect-Dienste unter realistischen Bedingungen auf dem Prüfstand zu testen“, so Daniel Klauber, Entwicklungsingenieur bei Porsche Engineering.

„Das Ökosystem moderner Connectivity-Lösungen ist besonders komplex, da verschiedene Software-Welten eingebunden sind.“ Dr. Fabian Hinder – Fachprojektingenieur bei Porsche Engineering

Während der Tests wird untersucht, ob die Software wie spezifiziert auf verschiedene durch die Simulation erzeugte Situationen reagiert. „Basierend auf den Ergebnissen dieser grundsätzlichen Funktionstests, der sogenannten Smoke-Tests, entscheiden die Experten von Porsche Engineering, wie die weiteren Testabläufe gestaltet werden“, sagt Klauber. Diese Untersuchungen finden an unterschiedlichen Standorten weltweit statt, um marktspezifische Funktionen zu testen.

Auch wenn die Restbussimulation und die HiL-Testdurchführung schon seit längerer Zeit weitgehend automatisiert erfolgen, war die Vorbereitung des Prüfstands vor sowie die Nachbereitung der Ergebnisse nach dem Test durch manuelle Tätigkeiten geprägt. So mussten die Prüfstandsingenieure die neueste Connect-Software per Hand aus dem Datenmanagementsystem auswählen und auf die Steuergeräte der Testumgebung laden.

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Vollständige Automatisierung

Ein neues Konzept von Porsche Engineering gewährleistet nun eine vollständige Prozessautomatisierung der Prüfstandstests. Dabei sind nicht nur die Tests selbst, sondern auch die begleitenden Abläufe automatisiert. Das System verwaltet die Software der Connect-Dienste selbstständig und lädt sie auch auf die Teststeuergeräte hoch. Ebenfalls automatisiert erfolgen die Parametrisierung der Steuergeräte sowie Start, Durchführung und Analyse der Prüfstandstests.

„Das entlastet die Testingenieure und beschleunigt die Tests, da zwischen den Prozessschritten keine manuellen Tätigkeiten mehr ausgeführt werden müssen. Der manuelle Zeitaufwand zur Vorbereitung der Prüfstände reduziert sich so um rund 90 Prozent. Auch weist das System aktiv auf kritische Testergebnisse hin. Das Testteam kann sich so voll auf die Fehleranalyse konzentrieren“, so Hinder.

Interdisziplinäres Team

Hinzu kommt, dass für einige Arbeiten am Prüfstand kein umfangreiches Expertenwissen mehr erforderlich ist, wie es beispielsweise für das manuelle Update neuer Software auf die Teststeuergeräte der Fall war. „Im Connect-Umfeld entsteht eine extrem hohe Varianz aufgrund der Anzahl der Dienste, der zu bedienenden Fahrzeugbaureihen und Märkte. Um diese Varianten bei wöchentlichen Software-Lieferungen mit Tests abdecken zu können, ist eine Vollautomatisierung des HiL-Prüfstands zwingend notwendig“, so Carsten Weigt, Teamleiter Shared Test & Integration bei der Porsche AG.

Die Vollautomatisierung wurde mit hauseigenem Know-how durch ein interdisziplinäres Projektteam bei Porsche Engineering umgesetzt. Dabei arbeiteten Experten aus den Bereichen Software-Entwicklung, Prozessautomatisierung, Testautomatisierung, Restbussimulation und Testinfrastruktur-Aufbau an verschiedenen Standorten weltweit zusammen. Teilweise erweiterte das Team die vorhandenen Bausteine durch selbstentwickelte Schnittstellen für eine weitreichendere Automatisierung der Prozesskette.

„Eine Vollautomatisierung des HiL-Prüfstands ist zwingend notwendig.“ Carsten Weigt – Teamleiter Shared Test & Integration bei der Porsche AG

„Um die Komplexität zu reduzieren, haben wir automatische Routinen definiert, mit denen wir Prozesse einfacher triggern können“, erklärt David Karimi, Entwicklungsingenieur bei Porsche Engineering. Fehlende Bausteine für die Vollautomatisierung ergänzten die Experten durch Eigenentwicklungen.

Auf diese Weise entstand zum Beispiel ein lokaler Client zur Steuerung der Prüfstände sowie ein sogenannter Software-Crawler, mit dem Software automatisiert von den Servern der Zulieferer heruntergeladen wird. Weitere Beispiele sind eine generisch anzuwendende Steuerungslogik sowie Reporting-Tools für die Dokumentation aller Ergebnisse der einzelnen automatisierten Prozessschritte.

Modularer Aufbau

Die zur Vollautomatisierung der Prüfstände verwendete Methodik wird auch Continuous Integration genannt. Sie basiert im Kern auf dem frei zugänglichen Software-System „Jenkins“, mit dem das fortlaufende Zusammenfügen von Software-Komponenten zu einer Anwendung ermöglicht wird. „Die Entwicklung der Porsche Connect-Dienste verläuft rasant schnell und dynamisch. Um die neuen Dienste und Änderungen dennoch rechtzeitig absichern zu können, haben wir die Einführung der HiL-Automatisierung vorangetrieben. Gemeinsam mit Continuous Integration können wir neue Steuergeräte-Software jetzt automatisch herunterladen und die Steuergeräte sehr effizient flashen und codieren“, erklärt Dickson Ng, Product Owner Automatisierungsplattform & Continuous Integration bei der Porsche AG.

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Mit ihrem modularen Aufbau bietet die Continuous-Integration-Methodik hohe Flexibilität für Anpassungen und Erweiterungen, denn je nach Anwendungsfall lassen sich ganz unterschiedliche Module zu einem neuen Gesamtprozess integrieren. „Dadurch bietet sich unser Ansatz für die Automatisierung aller Prüfstandstests sämtlicher Domänen an“, sagt Hinder. „Erste Anfragen anderer Bereiche haben wir schon.“ Zunächst ist jedoch die Integration der Vollautomatisierung in alle Connect-HiL-Prüfstände von Porsche Engineering weltweit im Fokus des Projektteams. Nach der erfolgreichen Erstumsetzung sollen nun auch alle anderen Prüfstände in Deutschland, China und Tschechien umgerüstet werden. Geplant ist, alle HiL-Prüfstände für Porsche Connect-Dienste bis Ende 2023 vollautomatisiert zu betreiben.

Info

Text erstmals erschienen im Porsche Engineering Magazin, Ausgabe  2/2023

Text: Richard Backhaus

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