Hoher Energiegehalt, große Leistung, lange Lebensdauer, maximale Sicherheit – und das alles bei möglichst geringen Kosten: Batterien von Elektrofahrzeugen müssen viele Anforderungen erfüllen, was der dominierenden Lithium-Ionen-Technologie bereits gut gelingt. Doch fast alle ihre Parameter lassen sich noch weiter verbessern, woran Forscher und die Industrie derzeit intensiv arbeiten. Gleichzeitig stehen potenzielle Nachfolger bereits in den Startlöchern. Dass Lithium-Ionen-Batterien heute den Markt dominieren, kommt nicht von ungefähr: Lithium-Atome geben besonders gerne eines ihrer drei Elektronen ab, außerdem ist Lithium das leichteste Metall. Das macht das Element zum beliebten Grundstoff für Akkus.
„Reines Lithium ist das ideale Anodenaktivmaterial hinsichtlich Energiedichte“, sagt Dr. Stefanie Edelberg, Fachprojektingenieurin Batteriezelle bei Porsche Engineering. „Aus Sicherheitsgründen werden aktuell aber vor allem Graphite als Anodenaktivmaterialien eingesetzt, die Lithium-Ionen aufnehmen können.“ Außerdem ist die Speicherkapazität der Batterien sehr hoch und ihr Preis relativ niedrig. Hinzu kommt die lange Lebensdauer: „1.500 bis 3.000 volle Ladezyklen bis zum Erreichen einer Restkapazität von 80 Prozent sind problemlos möglich“, sagt Dr. Falko Schappacher, kaufmännisch-technischer Direktor des MEET Batterieforschungszentrums der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Lebensdauern im Auto von bis zu einer Million Kilometern werden inzwischen vorhergesagt.
Optimierung der Anode
Weil die Lithium-Ionen-Technologie ein Multikomponentensystem ist, bieten sich viele Möglichkeiten, um sie weiter zu optimieren. Beispielsweise die Anode: Derzeit wird Graphit als Anodenaktivmaterial eingesetzt. Silizium ist eine interessante Alternative dazu, weil es eine um den Faktor 10 höhere Speicherfähigkeit bietet. „Silizium-Anoden würden die Gesamtkapazität der Lithium-Ionen-Batterie deutlich erhöhen“, unterstreicht Schappacher. Auch Edelberg weist auf die Vorteile hin: „Silizium ist vor allem deshalb von Interesse, weil es nach Lithium die zweithöchste Speicherkapazität bezogen auf das Gewicht aufweist und dadurch Zellen mit sehr hohen Energiedichten möglich sind. Zudem ist es das zweithäufigste Element in der Erdkruste.“ Außerdem seien Zellen mit hoher Schnellladefähigkeit machbar, die sich in weniger als 15 Minuten von 5 auf 80 Prozent aufladen lassen.
„Allerdings dehnen sich die Siliziumpartikel bei der Aufnahme von Lithium um 300 Prozent aus, sodass es zu mechanischem Stress im Material und in der Elektrode kommt“, sagt Schappacher. Würden die Elektrodenoberflächen dadurch Schaden nehmen, würde auch die Lebensdauer des Akkus leiden. „Den größten Hebel hinsichtlich Energiedichte erzielt man, wenn man reines Silizium-Aktivmaterial verwendet, aber dann hat man auch mit den größten Nachteilen hinsichtlich Lebensdauer zu kämpfen“, sagt Edelberg. Dennoch arbeite man intensiv an Anoden mit sehr hohen Silizium-Anteilen von bis zu 80 Prozent. Diesen Weg beschreitet zum Beispiel Cellforce (siehe Kasten) in Kooperation mit Porsche.
Mehr Nickel in der Kathode
Auch bei der Kathode wird intensiv an der Optimierung der Aktivmaterialien gearbeitet. Wichtig ist hier die Kombination aus großer Speicherkapazität und hohem elektrochemischen Potenzial des Materials. Derzeit wird in Europa am häufigsten Lithium-Nickel-Cobalt-Mangan-Oxid (NCM) im Verhältnis 6:2:2 – bezogen auf die Anteile von Nickel, Cobalt und Mangan – in Nickel-Anteil steigen, während Cobalt und Mangan in geringerem Maß eingesetzt werden.
Der wachsende Nickel-Anteil verspricht höhere Speicherkapazitäten. Weiteres Optimierungspotenzial bietet der Separator, der aus sehr dünnen (10 bis 20 Mikrometer) Folien, meist aus Polyethylen oder Polypropylen, besteht. Er kostet Bauraum und Gewicht. „Der Separator kann indirekt zum Energieinhalt einer Batteriezelle beitragen“, sagt Edelberg. „Je dünner er ist, desto mehr Lagen oder Wickel an Elektroden passen in eine Zelle. Damit erhöhen sich die Zellkapazität und der Energieinhalt einer Batteriezelle.“
Kompakte Feststoffbatterien
Deutlich weniger Bauraum als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien könnten Feststoffbatterien benötigen, an denen derzeit intensiv gearbeitet wird. Bei ihnen kommt keine Elektrolytflüssigkeit, sondern ein fester Elektrolytträger zum Einsatz. „In Feststoffzellen soll der klassische Separator komplett durch eine dünne Lage aus Festelektrolyten ersetzt werden“, erklärt Edelberg. „Der Festelektrolyt ist dann sowohl Elektrolyt als auch Separator.“
„Den größten Hebel erzielt man, wenn man reines Silizium- Aktivmaterial verwendet.“ Dr. Stefanie Edelberg, Fachprojektingenieurin Batteriezelle bei Porsche Engineering
Durch den Verzicht auf flüssige Elektrolyte und die gleichzeitige Verwendung von Lithium-Metall-Anoden versprechen sich Forscher eine bis zu 50 Prozent höhere Energiedichte, hinzu kommen eventuell deutlich schnellere Ladezeiten und eine geringe Entflammbarkeit des Feststoffelektrolyten.
Verglichen mit anderen Entwicklungen wie Lithium-Luft-Batterien sieht Schappacher in lithiumbasierten Feststoffbatterien (Solid-State-Batterien, SSB) „eine ernsthafte Alternative zur Lithium-Ionen-Batterie“. Natrium-Ionen-Batterien (siehe Kasten) seien aufgrund ihrer geringeren Energiedichte gerade für lokale Speicheranwendungen interessant. Die Lithium-Luft-Technologie berge noch viele Herausforderungen und verspreche nach heutigem Stand kaum Vorteile. „Aktuell und auch in nächster Zukunft sind Lithium-Luft-Zellen definitiv noch ein Thema für die Grundlagenforschung“, urteilt auch Edelberg. Die Zellchemie ist allerdings nicht die einzige Möglichkeit, Batterien zu optimieren. Weiteres Potenzial bieten die Zellsensorik und das Packaging. So können die Batteriezustände durch Sensoren in den Zellen präziser und schneller erfasst werden. Dadurch lässt sich die Ladezeit – etwa durch Schnellladefähigkeit in speziellen Spannungsbereichen – verkürzen. Auch die Zellkühlung kann man präziser regeln, was der Langlebigkeit zugutekommt.
Eine große Rolle für leistungsfähigere Batterien werden künftig auch das Packaging und das Zelldesign spielen. Bei der Cell-to-Pack-Technologie werden die Zellen beispielsweise direkt in den Batteriepack integriert. „Dadurch wird die Kleinteiligkeit der aktuellen Batterien aufgelöst“, sagt Prof.Dr. Maximilian Fichtner, Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm (HIU) und Leiter der Forschungseinheit Energy Storage Systems am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
„Statt Zellen in Schokoladentafelgröße einzeln miteinander zu verbinden, werden nun wie beim Lattenrost eines Bettes bis zu 1,20 Meter lange Zellen quer und dicht gepackt in einen Rahmen montiert.“ Das führt zu mehr Speicherkapazität und besserer Kühlung auf weniger Raum.
Weiteres Potential
„Mittelfristig können wir durch die Kombination von neuer Anodenchemie und dichtem Packaging der Zellen Reichweiten von 1.300 km erwarten“, sagt Fichtner. Schappacher ist ebenfalls optimistisch – auch wenn gerade bei Technologiesprüngen wie der Feststoffbatterie Vorhersagen nur schwer zu treffen seien. „Ich denke, dass wir bei Premiumfahrzeugen künftig Reichweitensteigerungen zwischen 30 und 50 Prozent sehen werden“, erwartet der Fachmann und betont: „Wichtiger als die reine Steigerung der Reichweite ist die Schnellladefähigkeit.“ Schappacher erwartet, dass eine Schnellladung auf 80 Prozent der Reichweite künftig nicht viel länger als ein Tankstopp dauern wird.
„Im heutigen Taycan konnten 22,5 Minuten für die Ladung von 5 auf 80 Prozent realisiert werden“, erklärt Markus Gräf, Chief Operating Officer der Cellforce Group. „Mit Silizium als Anodenmaterial sind mittelfristig Werte von unter 15 Minuten erreichbar, längerfristig auch noch deutlich darunter.“ Dafür müssten aber auch neue, leistungsstärkere Ladesäulen entwickelt werden. Darüber hinaus bräuchten Ladedosen künftig eine aktive Kühlung, damit die hohen Ladeleistungen von mehr als 500 kW sicher übertragen werden können. Optimierte Lithium-Ionen-Batterien und neue Technologien wie Festkörperbatterien: Die elektrischen Energiespeicher dürften dank intensiver Forschung und Entwicklung in den kommenden Jahren deutlich leistungsfähiger werden – und die Elektromobilität dadurch noch attraktiver machen.
Info
Text erstmals erschienen im Porsche Engineering Magazin, Ausgabe 1/2023.
Text: Chris Löwer
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