Die jüngste Generation des Porsche 911 GT3 R hat ihre ersten Rennkilometer problemlos abgespult. Der neue Herausforderer für den weltweiten Einsatz in GT3-Serien ging am Samstag beim siebten Saisonlauf der Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) in der SP-X-Klasse an den Start. Sie ist für Fahrzeuge reserviert, die noch keine Homologation für den Motorsport besitzen. Der bis zu 416 kW (565 PS) starke Heckmotor-Hecktriebler fuhr auf Rennreifen von Michelin auf den dritten Platz der Gesamtwertung. Die schnellste Runde auf der 24,458 Kilometer langen Kombination aus Nordschleife und Kurzanbindung des Grand-Prix-Kurses drehte Frédéric Makowiecki in 7:58,942 Minuten. Der französische Werksfahrer teilte sich den Porsche mit seinem Landsmann Julien Andlauer. Auch bei den letzten beiden NLS-Rennen dieses Jahres sind Testeinsätze geplant, dann auf Rennreifen von Falken und Pirelli. Sein offizielles Debüt in den Händen von Kundenteams feiert der neue 911 GT3 R Mitte Januar bei dem 24-Stunden-Rennen auf dem Daytona International Speedway in Florida (USA).
„Zusammengefasst haben wir mit unserem neuen Porsche eine sehr gelungene Rennpremiere erlebt. Ich bin stolz auf jeden, der an diesem Projekt mitgearbeitet hat“, fasst Projektleiter Sebastian Golz zusammen. „Die Testrunden gestern auf der Nordschleife und das heutige Rennen zeigen, dass die Basis des Fahrzeugs stimmt. Dank der guten Vorbereitung und Zusammenarbeit mit dem ADAC haben wir eine gute Vorstellung abgeliefert und ein positives Bild mit vielen Daten sammeln können. Mit einer sehr konstanten Performance sind wir auf Rang drei und damit auf einen Podestplatz gefahren, obwohl neue Rennwagen wie unser 911 GT3 R bei Testrennen pro Boxenstopp 30 Sekunden länger stehenbleiben müssen.“
Die Entwicklung des neuen 911 GT3 R lief bereits 2019 an. Das Hauptaugenmerk lag auf einer verbesserten Fahrbarkeit für Profis und sogenannte Gentleman-Fahrer sowie größeren Leistungsreserven je nach Einstufung durch die „Balance of Performance“ (BoP). Auch eine vereinfachte Handhabung des Rennwagens für die Teams und optimierte Laufzeitkosten standen im Mittelpunkt.
„Der neue 911 GT3 R tritt in große Fußstapfen“, betont Michael Dreiser, Leiter Vertrieb bei Porsche Motorsport. „Sein Vorgänger hat seit 2019 in vier Saisons so gut wie alles gewonnen, was es in der GT3-Szene zu gewinnen gab. Zu seinen Erfolgen zählen Gesamtsiege bei den 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring und in Spa-Francorchamps sowie bei den 24 Stunden von Daytona und den 12-Stunden-Sebring. Das neue Modell blickt einem noch umfangreicheren Arbeitsspektrum in den Händen unserer Kundenteams entgegen.“ Nach der Ausschreibung der GT3-Klasse in der nordamerikanischen IMSA-Serie auch als Profi-Kategorie zieht die FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC nach: Ab 2024 dürfen GT3-Rennwagen wie der neue 911 GT3 R erstmals bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start gehen.
Nach dem 911 GT3 Cup ist der neue 911 GT3 R das zweite von Porsche Motorsport entwickelte Rennfahrzeug, das auf der aktuellen Generation 992 aufbaut. Seine Leichtbaukarosserie in intelligenter Aluminium-Stahl-Verbundbauweise basiert dabei auf der Serie, wurde aber stark modifiziert. Inklusive Front- und Motorhaube, Türen, Seitenteilen, Heckflügel und Dach bestehen nahezu alle Karosseriekomponenten aus leichtem Karbon. Für die Radhäuser kommt Aramid zum Einsatz.
Zu den Kernstücken des neuen Rennfahrzeugs zählt der seriennahe, ebenfalls auf der 911-Generation 992 basierende Motor. Wie beim Vorgängermodell handelt es sich um einen wassergekühlten Sechszylinder-Boxer mit Vierventil-Technologie und Benzindirekteinspritzung. Neu ist vor allem der Hubraum: Analog zum 911 RSR legte der neue 911 GT3 R von 3.997 um gut fünf Prozent auf 4.194 cm3 zu. Hierdurch kann die Spitzenleistung des Motors bis zu 416 kW (565 PS) erreichen. In erster Linie hat Porsche aber den Drehmoment- und Leistungsverlauf über das gesamte Drehzahlband optimiert. Damit kommt der neue 4,2-Liter-Sechszylinder speziell Gentleman-Fahrern entgegen.
Der Hochdrehzahl-Saugmotor sitzt klassisch im Heck, wo er sich positiv auf Traktion und Bremsverhalten auswirkt. Er wurde um 5,5 Grad nach vorne geneigt, um mehr Freiheiten für den Unterflurdiffusor zu schaffen. Nebenaggregate wie der Generator und der Klimakompressor rückten gut einen Meter weiter nach vorn und tiefer in einen Freiraum vor Motor und Getriebe. Dies wirkt sich positiv auf die Gewichtsbalance des 911 GT3 R aus. Das sequenzielle Sechsgang-Klauengetriebe ist eine Ableitung vom aktuellen 911 GT3 Cup.
Das vielfach im Detail modifizierte Fahrwerk des neuen 911 GT3 R unterstützt die Fahrbarkeit und präzisiert das Lenkverhalten. Es sorgt für einen geringeren Verschleiß der Hinterreifen und verkürzt den Zeitaufwand für Abstimmungsänderungen. An der Vorderachse übernimmt ein hochmodernes Doppelquerlenker-Layout die Führung der Räder. Die optimierte Positionierung ihrer zentralen Anlenkpunkte schafft Raum für das aerodynamische „Race-Underfloor“-Konzept, das mit seinem höheren Unterboden auf eine störungsfreiere Anströmung des Heckdiffusors abzielt. Die Mehrlenker-Hinterachse wanderte etwas weiter zurück und verlängert den Radstand des 911 GT3 R von 2.459 auf 2.507 Millimeter. Auch dies sorgt dafür, dass weniger Gewicht auf den Hinterreifen lastet, um ihre konstante Performance im Wettbewerb am Ende längerer Stints zu erhalten.
In puncto Sicherheit folgt der neue 911 GT3 R ebenfalls einem kompromisslosen Ansatz. Der Sitz rückte weiter in die Fahrzeugmitte. Hierdurch konnte Porsche die ergonomischere Sitzposition optimal auf den verbesserten Überrollkäfig und den neu entwickelten FIA-Seitenaufprallschutz abstimmen. Die Anpassung an den Fahrer geschieht wie beim Vorgängermodell über die Längsverstellung des Lenkrads und der Pedalerie. Das Lenkradkonzept stellt eine Weiterentwicklung aus dem Vorgängermodell dar. Dabei vereint es auch Elemente, die sich im aktuellen 911 GT3 Cup und dem 911 RSR bewährt haben. Das 10,3 Zoll große Display zum Beispiel stammt aus dem erfolgreichen Markenpokalauto und das Multi-Switch-Konzept aus dem Le-Mans-Klassensieger.
„Nach dem Start war die Strecke zunächst sehr nass, bevor sie immer weiter abtrocknete. Für meinen zweiten Stint haben wir dann zu Slicks gegriffen und ich konnte noch ein paar schnelle Runden vorlegen“, beschreibt Julien Andlauer. „Ich denke, Porsche hat einen ziemlich guten Rennwagen entwickelt. Er lässt sich sehr schön fahren. Alles lief nach Plan. Das Auto ist eigentlich in allen Bereichen bereits etwas besser als sein Vorgänger – das betrifft speziell das Bremsverhalten, die Kurveneigenschaften und das größere Drehmoment durch den jetzt 4,2 Liter großen Motor. Wir haben zwar noch Arbeit vor uns, aber die Performance stimmt bereits und es geht in die richtige Richtung.“
„Die Bedingungen heute mit dem wechselhaften Wetter waren etwas tricky“, erläutert Frédéric Makowiecki. „Generell lief der neue Porsche sehr gut. Unser Ziel war es, möglichst viel zu lernen – etwa, wie wir mit dem Auto durch den Überrundungsverkehr kommen. Jetzt haben wir einen umfassenden Eindruck, wo wir mit dem neuen 911 GT3 R stehen. Das Auto bietet viele positive Eigenschaften und eine sehr gute Basis. Dennoch müssen wir weiterhin einige Aufgaben lösen.“