Der Entenbürzel: 4,5 km/h für die Ewigkeit

Erst kritisiert, heute legendär: Der Heckspoiler des 911 Carrera RS 2.7 – heute als Entenbürzel bekannt – wurde zum ikonischen Bauteil des legendären Elfers. Denn er hob die Performance auf ein ganz neues Niveau.

Anfangs waren die Designer fassungslos: Vor ihnen stand der 911 in seiner einzigartigen, puristischen Form – jedoch verunstaltet von einem keilförmigen Etwas auf der Heckklappe. Auch die Vertriebsexperten, die weltweit 500 Exemplare eben dieses 911 Carrera RS 2.7 absetzen sollten, raunten: „100 Stück werden wir davon los. Nicht mehr.“ Und irgendwo in dieser Gemengelage entstand das treffende Wort für den neuartigen Heckspoiler: Entenbürzel. Die gebräuchliche Bezeichnung für den verlängerten Rücken des watschelnden Federviehs.

911 Carrera RS 2.7, 2022, Porsche AG
Entenbürzel des 911 Carrera RS 2.7

„Ja, das war nicht furchtbar nett gemeint“, sagt Tilman Brodbeck und lacht. Der Luft- und Raumfahrtingenieur kam im Oktober 1970 mit 26 Jahren zu Porsche und entwickelte gemeinsam mit Hermann Burst das mittlerweile legendäre Fahrzeugteil. „Damals waren der 911 und viele andere Autos im Prinzip wie eine Tragfläche geformt: Unten glatt, oben gewölbt, nach hinten spitz zulaufend“, erklärt Brodbeck. „Eine solche Form verursacht Auftrieb.“ Eine physikalische Kraft, die der 911 überhaupt nicht gebrauchen konnte, denn seine Kurvengeschwindigkeiten waren bei Weitem nicht so hoch, wie Motor und Fahrwerk versprachen. Den Entwicklern wurde schnell klar: zu viel Auftrieb gleich weniger Performance. Ein Argument, das auch die Design- und Vertriebsexperten überzeugen sollte.

Viele Vorteile des Entenbürzels

Im Windkanal zeigte sich, wie gewaltig der Auftriebsbeiwert am Heck tatsächlich war: 0,29 cA. Die Lösung: Eine Abrisskante musste her. Mit einem aus Schweißdraht und dünnen Blechen grob gestalteten Spoiler auf der Motorklappe schrumpfte der Faktor nach nur zwei Versuchstagen im Windkanal um satte zwei Drittel auf 0,08 cA. Gleichzeitig verbesserte sich auch der cW-Wert, der die aerodynamische Performance misst, und die Höchstgeschwindigkeit wuchs um 4,5 auf damals atemberaubende 240 km/h. Was nach wenig klingt, ist für einen 911 mit dem Beinamen RS eminent, sind im Rennsport doch bisweilen Hundertstelsekunden entscheidend. Bei so vielen Vorteilen verstummten dann auch die letzten Kritiker.

„Am Ende waren die 500 Fahrzeuge, die man zur Homologation des 911 Carrera RS 2.7 in der Gruppe 4 benötigte, schneller verkauft, als unsere Vertriebler bis 500 zählen konnten“, erinnert sich der inzwischen 79-jährige Brodbeck. Die Porsche-Fans fanden nämlich sofort Gefallen: an den schnellen Rundenzeiten – und auch am Heckspoiler, einem absoluten Novum für ein Serienfahrzeug in der Automobilwelt. So wurde der Entenbürzel geboren. Festgehalten in der Patentoffenlegungsschrift Nummer 2238704 beim Deutschen Patentamt am 5. August 1972. 

Info

Text erstmals erschienen im Christophorus Magazin, Ausgabe 404.

Autor: Thorsten Elbrigmann

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