Wer immer auch behauptet, Porsche-Sportwagen seien hauptsächlich Männerautos, sollte die Nase noch einmal ins Geschichtsbuch stecken. Die allererste Person, die 1949 ein Serienfahrzeug der Marke erstand? Eine Frau – und noch dazu Schweizerin. Jolantha Maria Tschudi aus Zürich, Rekordhalterin über 5'000 Meter Startüberhöhung im Segelfliegen und als Co-Pilotin an so riskanten wie abenteuerlichen Afrika-Expeditionen beteiligt, wünschte sich ein Gefährt, das so aussergewöhnlich war wie sie. Im Porsche 356/2 Cabriolet mit Beutler-Karosserie wurde sie fündig.
Auch der allererste Porsche, 356 „Nr. 1“, der erste Prototyp, der 1948 unter dem Namen Porsche entstand, wurde von Damen pilotiert. Nachdem die „Nr. 1“ Anfang 1951 von seinem Erstbesitzer an einen Händler veräussert worden war, übernahm ihn zuerst die Zürcher Schauspielerin Elisabeth Spielhofer und im Jahr darauf die Zürcher Lebedame Rosemarie Muff. Nicht zu vergessen die Schaffhauser Motorsport-Pionierin Rita Rampinelli, die ab 1952 verschiedene Porsche-Modelle bei prestigeträchtigen Rennen wie dem Grand Prix von Bremgarten einsetzte, und all die anderen Rennfahrerinnen, Kundinnen, Mitarbeiterinnen und Sympathisantinnen, die im Laufe der Jahrzehnte mit der Marke in Verbindung standen.
Die Frage, die sich im Zusammenhang mit dem neuen Porsche Ladies Club stellt, sollte daher nicht lauten: Warum wurde Anfang 2023 der weltweit erste Porsche Club exklusiv für Frauen aus der Taufe gehoben? Sie sollte eher lauten: Warum hat es dafür fast 75 Jahre gebraucht?
„Wir sind alles andere als elitär.“ Karin Strasser
Als sich im August 2022 auf der Rennstrecke im italienischen Franciacorta einige Schweizerinnen zu einem Trackday trafen – viele davon schon im zweiten oder gar dritten Jahr in Folge –, ahnten sie noch nicht, dass sie bald zu Pionierinnen werden würden. Sie freuten sich einfach über die freundschaftliche Atmosphäre. Darüber, dass sie als Gruppe so gut harmonierten. Wäre doch nett, sich wiederzusehen, fanden sie. Nicht erst beim nächsten Trackday in einem Jahr, sondern schon vorher, zu einer Ausfahrt oder einem Dinner. Und ob man nicht einen neuen Porsche Ladies Club formieren oder sich einem bestehenden anschliessen könnte? Manuela Cottiati, mit Benzin im Blut, seitdem sie als kleines Mädchen mit ihrem Götti auf die Rennstrecke durfte, die heute im aargauischen Freiamt lebt und sowohl einen 911 Carrera S als auch einen 911 GT3 fährt, nahm die Sache in die Hand.
Es brauchte nicht viel Überzeugungsarbeit, um die anderen für die Idee zu begeistern. Schnell fanden sich aus der Trackday-Truppe vier weitere, die neben Manuela als Präsidentin im Vorstand eines neuen Porsche Ladies Club mitwirken wollten. Karin Strasser, Frauenfelderin mit Wohnsitz am linken Ufer des Zürichsees, die vor zwei Jahren eher zufällig als Ersatzfahrerin beim Trackday dabei gewesen war und dort ihre Liebe zum 911 entdeckt hatte, empfahl sich als Vizepräsidentin. „Bei so vielen coolen Frauen mit so vielen coolen Ideen fiel mir die Entscheidung nicht schwer“, erklärt sie. Caroline Studer aus dem Limmattal, Markenzeichen Orange mit zwei entsprechend lackierten Porsche 718 Cayman, übernahm Marketing und Kommunikation – „obwohl ich sonst überhaupt nicht der Vereinstyp bin“, wie sie gesteht. Ouchj Buck Maurer aus dem oberen Eulachtal, die über einen Cayenne als Pferdetransporter-Zugfahrzeug auf den Porsche-Geschmack gekommen war und seit über 20 Jahren 911 fährt, ist verantwortlich für Events. Ami Heiniger aus dem Bernbiet, die gerne im 718 Spyder unterwegs ist und besonders auf Handschalter schwört, hat die Finanzen im Griff.
Am 23. Januar 2023 wurde der Club gegründet und am 15. Mai 2023 von Porsche lizenziert. Es stellte sich heraus: Er war – von weltweit gut 700 offiziellen Porsche Clubs, darunter 32 allein in der Schweiz – der allererste nur für Frauen.
Die 26 Mitglieder, die der Porsche Ladies Club bereits zählt, verbindet auf den ersten Blick nicht viel. Sie alle fahren einen oder mehrere Sportwagen mit Stuttgarter Emblem auf der Fronthaube, decken abgesehen davon aber alle Altersklassen zwischen 20 und 70 Jahren ab. Sie sind Studentinnen, Unternehmerinnen, Zahnärztinnen, Naturwissenschaftlerinnen, Germanistinnen oder Familienfrauen und kommen aus den unterschiedlichsten Ecken der Schweiz. Doch genau das mache den Reiz aus, sind sich die Porsche Ladies einig: „Jede steht an einem anderen Punkt in ihrem Leben, und für alle gibt es bei uns Platz“, betont Manuela. „Schon nach kurzer Zeit sind bei uns schöne Freundschaften zwischen Frauen entstanden, die sich sonst wahrscheinlich nie begegnet wären.“
Ob solche Freundschaften nicht auch in einem Club für Frauen und Männer entstehen könnten? „Ich denke schon, dass die Atmosphäre unter Frauen eine andere ist“, sinniert Karin.
Ohne Stereotypen bedienen zu wollen, habe sie den Eindruck, in gemischten Gruppen ginge es häufiger darum, wer stärker, besser, schneller ist. „Diese Competition fällt bei uns komplett weg“, sagt sie. „Wir müssen niemandem beweisen, dass wir etwas von der Technik verstehen und unsere Fahrzeuge beherrschen.“ Ouchj schätzt zudem den Facettenreichtum der Mitglieder und Gespräche: „Mit den unterschiedlichsten Frauen über die unterschiedlichsten Themen diskutieren zu können, empfinde ich als grosse Bereicherung.“
Dennoch will sich der Club auf keinen Fall als Frauenprotestbewegung verstanden wissen. „Wir sind keine Feministinnen, die politisch Stellung beziehen“, winkt Caroline ab. „Bloss eine Truppe von Frauen, die Freude an ihren Autos hat und diese Freude vielleicht etwas anders auslebt, als wenn noch Männer dabei wären.“ Ebenso wenig handelt es sich um ein Business-Netzwerk. Natürlich könne man sich untereinander vernetzen, wenn es sich gerade so ergibt, erklärt Ami. „Aber das steht nicht im Vordergrund. Ich habe von den meisten Mitgliedern bis vor Kurzem noch nicht einmal gewusst, was sie beruflich machen.“ Viel wichtiger, als sich zu präsentieren und zu zeigen, wer man ist und was man hat, sei es, offen und authentisch zu sein. „Das mag ein wenig erstaunen bei einer Gruppe von Frauen, die Porsche fährt“, sagt Karin, die vor ihrer ersten Trackday-Teilnahme selbst Vorbehalte hatte. „Aber tatsächlich sind wir alles andere als elitär.“
Auch Manuela schwärmt von diesem besonderen „Spirit“ und der schlichten Freude daran, gemeinsam Neues zu entdecken. Wie zum Beispiel die Gegend um den Bodensee, die sie im Frühjahr als ersten Club-Ausflug bei einer klassischen „Blueschtfahrt“ einschliesslich Führung im historischen Fliegermuseum Altenrhein und Dinner im Schloss erkundeten. Oder die Ausstellung „Picasso und die Frauen“ in der Fondation Beyeler in Basel, die sie im Mai besuchten. Im Juni ging es dann im Ladies-Konvoi zum Porsche Festival auf dem Flugplatz Mollis im Kanton Glarus. Und monatlich treffen sich die Clubmitglieder zum Lunch an einem schönen Ort. „Aber ganz ohne Zwang“, wirft Manuela hinterher. „Es kommt, wer kommen will und kommen kann.“
Wie sehr sie mit ihrem locker-entspannten Club einen Nerv treffen, erfuhren Manuela und Caroline, als sie im Juni zum Wagenhallen-Event, dem Community Event von Porsche, nach Stuttgart fuhren und im Rahmen eines Panelgesprächs ihre Clubidee präsentierten. Natürlich gab es auch Fragen aus dem Publikum – „von Männern, die wissen wollten, warum der Club ausschliesslich für Frauen ist“, schildert Manuela lachend. Vor allem aber gab es Applaus. Und Anfragen aus Deutschland, Frankreich und Italien, ja sogar aus Malaysia. „Wir wurden förmlich überrannt“, berichtet Caroline. Erst da hätten sie realisiert, wie gross ihr Potenzial sei, zu wachsen. Vielleicht sogar über die Landesgrenze hinaus.
Noch befindet sich der Club aber in der Findungsphase. Regelmässig trifft sich der Vorstand deshalb zu einer Sitzung. Es gilt, Grundsatzentscheide zu fällen. Zu besprechen, wie schnell, wie stark sie wachsen wollen. Unter anderem kommt da auch das Thema Männer auf den Tisch. Inwiefern sie ihre Partner künftig bei ihren Events und Ausflügen einbinden werden, steht noch nicht fest. Sicher ist aber, welchen Platz die Männer einnehmen werden. Jedenfalls nicht den hinterm Steuer.
Info
Text erstmals erschienen im Christophorus Magazin, Ausgabe 409.
Autor: Nina Treml
Fotos: Anne Gabriel-Jürgens
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