Ein Donnerstag in Zürich, 10 Uhr vormittags. Wir sitzen im 911 Sport Classic. Wieder. Es ist dasselbe Auto, das uns in diesem Jahr schon zweimal Vergnügen bereitet hat. Das erste Mal im Februar beim Porsche Winter Event St. Moritz, wo er sich bei Drifts auf der Engadiner Eisbahn von Samedan als Spielgefährte erwies. Das zweite Mal erst kürzlich beim Porsche Festival Mollis, als die Porsche Schweiz AG anlässlich „75 Jahre Porsche Sportwagen“ und „60 Jahre Porsche 911“ eine riesige Geburtstagsparty schmiss.

Porsche 911 Sport Classic, TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
Hauptsitz von TAG Heuer mit Werk und Museum in La Chaux-de-Fonds

Bei beiden Gelegenheiten sassen wir nur kurz hinterm Steuer des auf 1’250 Exemplare limitierten Sammlerstücks. Jetzt aber können wir unsere Beziehung vertiefen. Es warten mehr als 1’600 Kilometer nach Le Mans und zurück. Wir wollen zum Le Mans Classic, der alle zwei Jahre stattfindenden Vintage-Variante des grossen Langstreckenklassikers an der Sarthe. Auf dem Weg machen wir zweimal Halt. Erster Stopp: der Hauptsitz von TAG Heuer mit Werk und Museum in La Chaux-de-Fonds.

Der Sport Classic verschlingt mühelos die Kilometer, und nach knapp zwei Stunden erreichen wir das Zwischenziel. Dieser Sportwagen ist erstaunlich komfortabel. Im Fahrmodus „Normal“ gibt sich der handgeschaltete Turbo-Hecktriebler ruhig, bietet grosszügig viel Platz im Innenraum und schluckt Unebenheiten der Strasse mit nonchalanter Würde. Unsere Fahrt nach Le Mans wird ein Leichtes.

Porsche 911 Sport Classic, Le Mans, 2023, Porsche Schweiz AG

Von Rennlegenden und Leinwandhelden

In entspannter Vorfreude auf weitere Reiseeindrücke betreten wir das Gebäude, um unter der kundigen Führung von TAG Heuer Heritage Director Nicholas Biebuyck eine Tour des Museums und des Archivs zu unternehmen. Wir sind überwältigt von der reichhaltigen, mit dem Motorsport eng verknüpften Historie des Unternehmens. Natürlich wussten wir von seinem legendären Rang als offizieller Zeitnehmer von Rennen, Rallyes und als Partner von Rennställen wie Porsche, McLaren und Ferrari. Aber wenn man einmal den Umfang der von Jack Heuer gegründeten Marke studiert – die inzwischen zum LVMH-Konzern unter CEO Frédéric Arnault gehört – und die Zeitmesser sowie anderes Zeitnahme-Equipment mit eigenen Augen erlebt, dann ist der Gesamteindruck schlichtweg atemberaubend.

Links Derek Bells Heuer Autavia, rechts jene, die Jo Siffert trug. Möchten Sie gerne einen Blick auf Ronnie Petersons vergoldete Carrera werfen? Sie ziert eine gravierte Widmung von Jack Heuer persönlich. Im nächsten Schaukasten prangt die Uhr von Jean Campich, dem offiziellen Zeitnehmer der Scuderia Ferrari. „The Pianist“ genannt, weil er während er 24 Stunden von Le Mans virtuos mehrere „Centigraphen“ gleichzeitig bedienen konnte.

Nicholas führt uns durch eine Seitentür ins Archiv, wo mehr als 3’000 weitere Uhren aufbewahrt werden. Er beginnt, Schubladen zu öffnen. Und plötzlich stehen wir ehrfürchtig vor dem Heiligen Gral: Steve McQueens Monaco. Eines jener Exemplare, die er tatsächlich während der Dreharbeiten zu seinem von uns allen verehrten Motorsportfilm am Handgelenk trug. Die beiliegenden Originalpapiere bezeugen: „Nach Le Mans 1970 geliefert“. Nur wenige prägten eine Armbanduhr so sehr wie der berühmte King of Cool.

TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
Ausstellungsstücke zum Film Le Mans (1971) mit Steve McQueen
TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
Steve McQueens TAG Heuer Monaco
TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
Nicholas Biebuyck, TAG Heuer Heritage Director, mit dem Rennanzug von Steve McQueen
TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
Derek Bells TAG Heuer Autavia
TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
Ronnie Petersons vergoldete Carrera mit Widmung von Gründer Jack Heuer

Die Monaco liegt in einem Schrank zusammen mit einem der Rennanzüge, mit denen Steve während der Dreharbeiten bekleidet war. Nachdem er von Jo Siffert und Derek Bell ins Fahren des Porsche 917 eingewiesen worden war, bat er die Kostümabteilung um eine Montur, die seine Filmfigur Michael Delaney wie einen real racing driver aussehen liess. Übrigens: Die Firma Hinchman besitzt noch immer das Telegramm mit McQueens Massen, Sie könnten also eine exakte Replik des Anzugs für sich selbst bestellen.

Wir müssten ein Buch schreiben, um alle anderen Chronographen zu würdigen, die wir zu sehen bekamen. Manche, wie die sehr frühe Autavia mit Handaufzug, besitzen heute einen Wert von rund 150’000 Euro, andere sind gar nicht mit Geld aufzuwiegen. Wie die Uhr, die Jochen Rindt bei seinem Crash im Hafen von Monaco trug. Oder die von James Garner aus John Frankenheimers Renn-Epos Grand Prix.

Inspiriert von all der Heritage haben wir uns unseren ganz eigenen Zeitmesser mitgeben lassen, quasi als offiziellen Timing-Partner für unsere Tour: die 39 Millimeter grosse TAG Heuer Carrera „Glassbox“ aus Edelstahl und mit blauem Zifferblatt. Exakt die Uhr, die Hollywoodstar Ryan Gosling in der jüngsten Werbekampagne des Unternehmens trägt. Mit gewölbtem Saphirglas und dem Automatikwerk vom Kaliber TH20-00 macht sie sich bestens an schmalen Handgelenken.

Wir ziehen weiter. Zuerst in die Abteilung für Prototypen, in der Gehäuse und Gliederbänder entworfen werden. Diese werden anschliessend via 3D gedruckt, um ihre Design- und Praxis-Meriten zu testen. Es folgt die Montage, wo die Damen und Herren von TAG Heuer in Laborkitteln die Zeitmesser in einer sterilen Umgebung zusammenbauen. Und der Versuchsraum, in dem die Uhren in Wasserdruckbehälter gelegt werden, um sie auf Undichtigkeit zu prüfen.

TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
Abteilung für Prototypen
TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
Die Zeitmesser werden in einer sterilen Umgebung zusammengebaut
TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
und getestet.
Porsche 911 Sport Classic, TAG Heuer, 2023, Porsche Schweiz AG
TAG Heuer Carrera „Glassbox"

Auf dem Weg nach draussen und zurück zum Sport Classic greifen wir nach einem Laborkittel mit TAG Heuer-Logo. Zwar sehen wir darin nicht ganz so cool aus wie Steve McQueen im Heuer-gebrandeten Rennoverall, könnten aber in Le Mans ohne Weiteres als offizielle Zeitnehmer fungieren. Es geht weiter Richtung Frankreich.

Schönling, Sportler und GT

Nach einer Übernachtung im Burgund freuen wir uns auf eine vierstündige Spritzfahrt über gepflegte französische Autobahnen. Der Sport Classic ist innen so angenehm wie eine Limousine, er festigt seinen Status als idealer Begleiter für unseren Trip. Locker lässt sich all unser Gepäck verstauen: zwei Weekender, zwei Laptoptaschen, Kameraausrüstung, Smoking. Tatsächlich sitzt es sich in der Kabine so bequem, dass ich diese Zeilen on the road schreibe. Meine Begleitung und ich kleben nicht Schulter an Schulter, sondern nutzen beide gleichzeitig die grossflächige Armauflage, deren Semianilin-Leder ein stillvoller Schriftzug – „Porsche Exclusive Manufaktur“ – prägt. Ein Ort zum Verweilen. Die warmen Holzapplikationen am Armaturenbrett und das güldene 911-Emblem tun ein Übriges.

Wir beschliessen, die letzten 50 Kilometer nach Le Mans auf Landstrassen zurückzulegen. Unser Schönling in Sportgraumetallic goutiert die Entscheidung – und offenbart uns wie zum Dank seine zweite, sehr sportliche Seite.

Fahrmodus „Sport“, dann „Sport Plus“. Beide nutzen die automatisierte Zwischengas-Funktion des manuellen Schaltgetriebes (die von Puristen selbstverständlich deaktiviert werden kann). Nicht zu vergessen: die kernige Sport-Abgasanlage! Umgehend verwandelt sich der Autobahn-Cruiser in eine präzise Rennmaschine. 550 PS Leistung und 600 Nm Drehmoment möchten am liebsten nach jeder Kurve entfesselt werden. Karbonfaser für Dach und Haube drücken das Leergewicht auf knapp über 1’500 Kilogramm. Brachiale Bremsen und breite Michelin-Pneus bringen die Kräfte ins Gleichgewicht. Die Lenkung verarbeitet auch Korrekturen gänzlich klaglos.

Das Sportfahrwerk mit Wankstabilisierung belassen wir im weicheren Modus, um der etwas holprigen Strassenoberfläche gerecht zu werden. Einzig die Schaltung dürfte für uns noch einen Tick straffer sein, der Kupplungsweg noch ein wenig kürzer, als er ohnehin schon ist. Uns kommt das inzwischen berühmte Porsche-Plakat zum Le-Mans-Rennen von 1983 in den Sinn: Nobody’s perfect.

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Wenn jedoch einer sich der Perfektion nahe wähnen darf, dann der Sport Classic. Wo wir auch anhielten auf unserer Tour, wurden wir mit Komplimenten überhäuft und Fragen bestürmt. Ob man sich mal reinsetzen dürfe, ob man Fotos schiessen dürfe. Der Entenbürzel, die Motorsportdekore, die Fünfspeichen-Leichtbauräder und nicht zuletzt das Double-Bubble-Dach: Alles zusammen verleiht dem Sport Classic eine sportlich-stilsichere Allüre.

Apropos anhalten: Die Carrera im „Glassbox“-Design schlägt zwölf, das Qualifying für die Endurance Racing Legends steht bevor. Wir rollen auf den Parkplatz und stellen uns für einen Moment vor, gleich als Steve McQueen im Fahrerlager aufzuschlagen. Der Sport Classic knistert zufrieden am Rande des Circuit. Er fühlt sich heimisch in Le Mans.

Info

Text und Fotos: Błażej Żuławski

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