Simona, was würdest Du rückblickend heute als grösstes Glück in Deiner Karriere als Motorsportlerin bezeichnen?
Dass ich immer Menschen um mich hatte, die mich unterstützen. Angefangen von meinem Vater, er hat mich immer bestärkt, er war es auch, der mir den Rennvirus weitergegeben hat.
Weil er selbst Rennen gefahren ist?
Nein, er besitzt ein Autohaus und war einfach Motorsport begeistert. Ich habe mit ihm im Fernsehen Formel 1 schauen dürfen und dann hat er mich als Vierjährige an einer Kart-Demo, die er organisiert hat, auf seinem Schoss mitfahren lassen. Ich wollte sofort allein fahren, war aber natürlich noch zu klein und habe ein riesengrosses Theater aufgeführt. Meine Eltern haben mich dann beschwichtigt nach dem Motto «Wenn Du gross bist ...». Ich habe die Eltern so lange genervt, bis ich im Alter von sechs Jahren endlich meinen ersten Minikart bekommen habe.
Wer hat Dein Talent erkannt?
Jemand auf der Kartbahn sagte zu meinen Eltern: «Warum geht ihr mit Simona nicht mal Rennen fahren?». Da war ich sieben Jahre alt. Meine Eltern haben es tatsächlich gemacht, und so habe ich an einem völlig verregneten Tag mein allererstes Rennen gewonnen.
Und hast in diesem zarten Alter beschlossen, Rennfahrerin zu werden?
Nicht sofort, denn ich war auch ziemlich gut im Tennis. Ich war immer sehr sportlich, aber Kartfahren fand ich ganz klar cooler als Tennisspielen.
Erst mit 11 oder 12 Jahren stand für mich fest, ich will in die Formel 1.
Grad so?
Na ja, man muss sich Ziele setzen! Ab da jedenfalls war ich wild entschlossen. Ich war schlichtweg begeistert, so begeistert, dass ich bereit war, alles andere dafür hintenan zu stellen und das musst Du, wenn Du im Motorsport erfolgreich sein willst.
Hast Du es in die Formel 1 geschafft?
Ich gehörte 2014 zum Sauber F1-Team und habe ein Jahr lang das interne Trainingsprogramm durchlaufen, kam aber nie zum Einsatz.
War das schlimm für Dich?
Sagen wir mal so: Zu dem Zeitpunkt war ich nicht zufrieden damit, wie es für mich lief. Ich habe im zweiten Maturajahr meine Sachen gepackt und bin mit 17 nach einer Saison in der italienischen Formel Renault 2.0 Serie in die USA gegangen und bin Formel BMW gefahren.
Ganz allein? Chapeau! Was hat Dir so einen Drive gegeben?
Ich sah die Chance, meinem Traum noch näher zu kommen. Ich habe mit dem Team Euro International, für das ich fahren konnte, wirklich gelebt. Ich habe sogar bei ihnen gewohnt. Ich war jeden Tag im Rennshop und habe dort geholfen, auch, um meine Kosten für Room & Board ein bisschen abzuarbeiten. Das Beste aber war, dass ich jeden Tag um die Autos herum sein konnte und mit den Ingenieuren reden konnte. Ich habe da wirklich sehr viel gelernt. Englisch natürlich auch, das ging ganz schnell.
Hattest Du kein Heimweh?
Alles war neu und aufregend. Und wenn ich mal Heimweh hatte, hatte ich ja die Autos um mich herum und dann wusste ich wieder, warum ich da war und wofür ich das mache. Die Saison ging 7 Monate, von März bis September, das war auch ein überschaubarer Zeitraum. Die Erfahrung hat mich robuster gemacht, weil ich mein «Ding» durchgezogen habe.
Wie ging es dort weiter?
Nach einem Test in einem IndyCar Auto Ende 2009 hatte ich ein Jahr lang einen Sitz bei HVM Racing in der IndyCar Series für 2010, die ich als «Rookie of the Year» beendete. Ich bin dann vier Saisons in der IndyCar Series in den USA aktiv Rennen gefahren. Das war zwar nicht die Formel 1, aber verdammt nah dran und ich war ziemlich erfolgreich unterwegs Ich konnte als erst dritte Frau überhaupt einen Podestplatz in einem IndyCar-Rennen herausfahren. Das ist stark. Dennoch war es hart, nicht in der F1 nicht zu reüssieren.
Aufgrund dessen, dass Frauen im Motorsport benachteiligt sind?
So würde ich das nicht sagen; Fakt ist, dass Männer einfach machen und Frauen sich immer lange überlegen, soll ich oder soll ich nicht. Ich war da nicht anders, habe aber jede sich mir bietende Möglichkeit genutzt, meinem Traum näher zu kommen. Über die Zeit habe ich dann aber begriffen, dass es gar nicht so wichtig ist, in welcher Klasse man fährt. Man muss im Moment leben, nicht rechts und links schauen und am besten dort sein, wo man gewinnen kann. Dann geht es automatisch weiter.
Es wird immer wieder bemängelt, dass sich nicht mehr Frauen für technische Berufe interessieren. Warum, glaubst Du, ist das so?
Junge Mädchen sind der Technik einfach nicht so ausgesetzt. Das liegt an allem möglichen, ganz sicher auch immer noch an Vorurteilen. Wenn Mädchen in der Schnupperlehre zu Coiffeuren und in Kindertagesstätten gehen und Jungs sich Schreinerwerkstätten ansehen können und niemand auf die Idee kommt, diese Angebote Gender unabhängig zu gestalten, dann landen Mädchen unweigerlich in bis anhin sogenannten typischen Frauenberufen. Das gilt umgekehrt übrigens auch. Es müsste selbstverständlicher sein, dass Mädchen schon sehr früh auch Zugang zu Technik haben. Nicht alle haben so ein Glück wie ich und haben Eltern, die technikaffin sind und sich nichts dabei denken, diese Welt auch einem Mädchen nahe zu bringen. Ich finde Bewegungen wie «Girls On Track» super, wo Mädchen schon ab 8 Jahren die Chance haben, Karts anzuschauen, zu fahren und Reifenwechsel zu üben. Sie können jetzt auch in der Formel E-Rennluft schnuppern und sehen, dass es auch Ingenieurinnen gibt.
Hast Du Vorbilder?
Nicht explizit im Motorsport, aber ich mag Menschen, die ihr Ding durchziehen. Serena Williams ist so eine grandiose Figur für mich. Oder Roger Federer. Machen, Dranbleiben, egal, was die anderen sagen. Manchmal ist die Strasse nämlich buchstäblich nicht so gerade.
Eben, Du hattest auch Unfälle, Verletzungen – haben die Dich nie vom Motorsport abgebracht?
Nein. Es gibt für mich keinen Plan B. Noch nicht. Irgendwie geht es immer weiter, ich lebe meinen Traum, das ist das allergrösste Glück.
Du hast auch eine Weile in der Formel E das Steuer in der Hand gehabt?
Das war eine mega coole Erfahrung! Auch wenn alle, angefangen vom Team bis hin zu mir selbst anfangs skeptisch waren. Formel E ist ein völlig neues Erlebnis, die Regelungen, die Autos, der Sound. Ich konnte dann 2015/2016 mit dem Team von Michael Andretti antreten und bin stolz, die erste Frau im Formel E-Zirkus zu sein, die tatsächlich Punkte eingefahren hat.
Motorsport ist sehr anspruchsvoll, man muss viel trainieren. Was tust Du für Deine Fitness?
Ich bin nicht so übermotiviert, muss ich gestehen. Ich habe zwei Mal die Woche einen Personal Trainer, der ein auf meine Bedürfnisse abgestimmtes Trainingsprogramm mit mir absolviert. Ich spiele ausserdem Tennis und Golf, gehe gerne in die Berge zum Wandern oder Skifahren. Ich bin eigentlich permanent in Bewegung.
Und dann natürlich die Einsätze als Porsche Werksfahrerin, da sitzt Du ja auch nicht still...
Ganz und gar nicht! Ich bin an die 25 Wocheneden im Jahr auf Rennstrecken unterwegs. Ich gehöre zum TAG Heuer Porsche Formula E Team, allerdings nicht als Pilotin. Ich war in der ersten Saison mit Porsche in der Formel E als Test- und Entwicklungsfahrerin mit dabei. Diese Saison bin ich als Ersatzfahrerin dabei, reise also immer mit dem Zirkus mit für alle Eventualitäten. Ein tolles Team übrigens, es ist schon ziemlich cool, in so einem innovativen Umfeld arbeiten zu können.
Was macht Porsche in Deinen Augen so besonders im Motorsport?
Im Rennsport ist Porsche einfach die beste Marke, um dabei zu sein. Das Team, das Feeling, die Motorsport Heritage, die Möglichkeiten, die man mit Porsche hat – all das gibt es so nicht ein zweites Mal.
Du hast gesagt, es ist nicht immer einfach, wie motivierst Du Dich?
Ich bin da, wo ich immer sein wollte, im Motorsport. Ich kann machen, was ich gerne mache und das seit über 20 Jahren. Mehr Motivation brauche ich nicht. Ich lebe mit Begeisterung für den Motorsport, auch wenn man Vieles dafür aufgibt...
Zum Beispiel?
Das Übliche, wenn man im Spitzensport engagiert ist. Das Leben findet praktisch nur auf dem Rennplatz, in Fahrerlagern und in Entwicklungszentren statt. Da ist wenig Platz für Anderes als sich körperlich und mental fit zu halten.
Ein hoher Preis?
Nein. Ich bin völlig zufrieden mit dem, wo ich jetzt gerade bin.
Info
Autorin: Dörte Welti