Etwas mehr als zwei Jahrzehnte ist es nun schon her, dass der Porsche Cayenne auf die Strasse kam – und sie recht schnell wieder in Richtung Gelände verliess. Nicht überall wurde das erste SUV der Marke gleich als Heilsbringer gepriesen. Zum Verkaufsstart des Cayenne beanstanden die Puristen unter den Porsche-Fans, nur ein Zweisitzer mit luftgekühltem Boxermotor dürfe das heilige Emblem auf der Haube tragen. Doch die weltweite Kundschaft sah es anders und machte die dritte Baureihe von Porsche zum „Greatest Hit“ der Nullerjahre.
Mittlerweile gehört der Cayenne nicht nur ganz selbstverständlich zum Markenportfolio – die junge Autoszene rund um den Globus feiert die erste Modellgeneration bereits als waschechten Klassiker. Schliesslich ermöglicht der Offroader nicht nur einen bezahlbaren Einstieg in den Porsche-Kosmos. Er lässt sich auch wunderbar zum Restomod umbauen. Und so wimmelt es derzeit bei TikTok und Instagram von kreativen Cayenne-Variationen, die sich an den entlegensten Ecken der Erde mit Stollenreifen und Sonderfarben in Szene setzen. Von Island bis Patagonien – die Chancen, selbst im hintersten Winkel dieser Welt auf einen hochgebockten Cayenne mit Dachzelt zu stossen, stehen derzeit gut.
„Das können wir auch – und vielleicht sogar ein bisschen besser“, dachten sich vor einem Jahr die Kreativen bei der Porsche Schweiz AG. Schliesslich ist der Cayenne nicht nur das perfekte Automobil für ein Leben zwischen Boulevard in Zürich oder Genf und dem sportlich-alpinen Abenteuer am Wochenende. In den Werkstätten der Porsche Zentren arbeiten auch zahlreiche talentierte Mechanikerinnen und Mechaniker, die ihre Restomods bisher nach Dienstschluss oder am Wochenende montierten. Und deren Ideenreichtum und Expertise geradezu nach einem offiziellen Handwerkswettbewerb verlangte. So rief die Porsche Schweiz AG mit Sitz in Rotkreuz kurzerhand den „Legends Alive Contest“ aus – und lud die nationalen Porsche-Handels- und -Servicebetriebe dazu ein, ihre Vision eines kreativ umgebauten Porsche Cayenne der ersten Generation zu realisieren.
Anders als bei bisherigen Restaurationswettbewerben stand also nicht der Erhalt der Originalität im Vordergrund. Im Gegenteil: Je kreativer und individueller die Werkstätten den Cayenne umgestalteten, desto besser. Nur zwei wesentliche Vorgaben waren einzuhalten: Das Material-Budget für alle Umbauteile lag bei maximal 25’000 Franken. Und die Schweizer Motorfahrzeugkontrolle musste bestanden werden. Neun Teams nahmen die Challenge an und machten sich an die Arbeit.
Eine Ikone der Offroad-Community ist der Porsche Cayenne S Transsyberia, der zwischen 2006 und 2008 die legendäre Langstreckenrallye quer durch Russland und die Mongolei meisterte, um nicht zu sagen dominierte. Und so setzten viele Teilnehmer ganz intuitiv auf Rallye-Raid-Komponenten wie Stollenreifen, höher gelegte Fahrwerke und Dachträger für Abenteuer-Equipment. Doch es gab auch Konzepte, die weniger auf Geländegängigkeit setzten. Eine SUV-untypische Tieferlegung samt 22-Zoll-Felgen gehörte ebenso zu den ausgefalleneren Modifikationen wie ein Gasherd und an den Seitenfenstern elektrisch ein- und ausfahrende Regale.
Beim Porsche Festival auf dem Flugplatz von Mollis im Juli 2023 liessen sich die Kreationen zum ersten Mal öffentlich bewundern. Und wer hätte gedacht, dass man den Ur-Cayenne so vielfältig verändern könnte? Das Spektrum der Variationen reichte vom eleganten Rallye-Restomod in Dunkelgrau – mit dem man auch vor dem Palace Hotel in St. Moritz eine gute Figur gemacht hätte – bis zum pinkfarbenen „Caribbean Cayenne“ à la Chris Labrooy mit passendem Surfboard und Flamingo auf dem Dach. Die coolen Cayenne gehörten zweifellos zu den Stars auf der Porsche-Party im Kanton Glarus.
Den offiziellen Publikumspreis gewann jedoch die Equipe vom Porsche Classic Zentrum Genf: Sie hatten einen Cayenne Turbo von 2004 in einen zeitgenössischen helvetischen Hippie-Van mit cleveren Ablagesystemen, Porsche-Dachzelt und optimistischer Flower-Power-Folierung verwandelt – eine Hommage an Janis Joplins Porsche 356 und den psychedelischen „Hippie-Porsche“ 917 LH, der 1970 bei den 24 Stunden von Le Mans auf dem zweiten Platz landete.
Der grosse Showdown des Contests fand schliesslich im November im Porsche-Werk Leipzig statt, der Geburtsstätte des Cayenne. Extra für ihn wurde die Fabrik einst erbaut. Zur Fachjury hatte Porsche drei Journalisten berufen: Markus Rutishauser vom Magazin des Automobil Clubs der Schweiz (ACS), Jörg Petersen vom Fachmagazin auto-illustrierte und JP Rathgen von Classic Driver, der internationalen Plattform für Automobilkultur. Als überregionaler Porsche-Juror fungierte zudem Wolfgang Butschek, aktuell Manager Marketing, Sales und Aftersales in der Baureihe SUV und seit 2004 treuer Begleiter des Cayenne. Die Kenner bewerteten die Cayenne unter anderem nach handwerklichen Aspekten wie der Qualität der Umbauarbeiten und deren Komplexitätsgrad, aber auch die Fahreigenschaften wurden auf dem Leipziger Asphalt sowie im Offroad-Parcours überprüft.
Je kreativer die Cayenne umgestaltet wurden, desto besser.
Und die Wahl fiel wahrlich nicht leicht: Der „Powder Prowler“, ein schwarzer Wintersport-Cayenne aus Basel, überzeugte mit Skiträgern und ausfahrbarer Fondue-Bar. Und der Berner Cayenne GTS überraschte mit seinem Transformers-Look. Doch letztlich kürte die Jury den „#Cayenne957 Adventure“ zu ihrem Favoriten – ein hellolivfarbenes Abenteuer-Mobil, das zuvorderst Reto Honger und Luca Keller im Porsche Zentrum Winterthur auf die Beine gestellt hatten. Der Cayenne Turbo aus dem Jahr 2008 überzeugt die Juroren rundum: mit seiner geländeorientierten Kombination aus Höherlegung und gekürzten Stossstangen samt integrierter Seilwinde, einem Kofferraumausbau mit Schubladensystem, Powerstation und Kühlbox sowie mit Dachzelt und Markise. Details wie in Sternrubin-Lila lackierte Stabilisatoren – passend zum Notfallspaten am Ersatzrad – machten den Turbo aus Winterthur zum liebevollen Gesamtkunstwerk.
„Alle umgebauten Fahrzeuge untermauern die zunehmende Beliebtheit der frühen Cayenne-Generationen“, resümierte Michael Glinski, CEO der Porsche Schweiz AG.
„Wir haben wahrgenommen, dass die Community den Cayenne auch als Abenteuermobil versteht, beispielsweise als Begleiter auf Campingreisen. Das lässt sich besonders online beobachten. Ausserdem pflegt der Wettbewerb einen Nachhaltigkeitsaspekt: Klassische Fahrzeuge zu erhalten, verlängert ihren Lebenszyklus.“
Man darf gespannt sein, in welchem entlegenen Winkel der Schweizer Alpen einem die lebenden Legenden über den Weg laufen – pardon, fahren!
Info
Text erstmals erschienen im Christophorus Magazin, Ausgabe 410.
Autor: Jan Baedeker
Fotos: Sebastian Kubatz
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