Oliver Blume läuft quer über den Vorplatz des Porsche Museums, grüsst freundlich und fragt: „Wo geht es hin?“ „Sevilla!“ sagen wir. „Cooler Trip, gute Fahrt.“ „Danke!“
In zwei Tagen von Stuttgart nach Sevilla
Besser kann der Tag nicht anfangen, als wenn dich der eigene CEO auf die Reise schickt. Es ist Donnerstagmorgen, 7:30 Uhr. Der Himmel ist blau, das Thermometer auch. Es sind sechs Grad. Die Taycan-Batterie steht bei 99 Prozent und wir wollen in insgesamt zwei Tagen von Stuttgart nach Sevilla. 2.300 Kilometer. Hypermiling, also das Schleichen im Windschatten von LKW, kommt für uns nicht in Frage. Wir wollen möglichst schnell ankommen. Es gilt den Sweetspot zwischen Tempo, Verbrauch und Ladeinfrastruktur zu finden. Die verbrauchte Energie wollen wir uns möglichst bei IONITY zurückholen. Aus Gründen der Zuverlässigkeit und mit einem Blick auf die Kosten.
Mit an Bord: Porsche-Fotograf Christoph Bauer. Er sorgt für beste Bilder, ich versuche uns schnellstmöglich nach Sevilla zu bringen. Das Ziel: eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde. Wir tasten uns langsam heran. In Zuffenhausen herrscht bereits reger Berufsverkehr. Gift für den Schnitt. Auf der A8 Richtung Karlsruhe pendelt sich unsere Geschwindigkeit auf freier Strecke bei 130 bis 140 km/h ein. Wir fahren im Range Modus. Der Taycan mit Performance Batterie Plus und Hinterradantrieb rollt auf 20 Zoll grossen Rädern. Brutto für netto gibt es auch hier nicht. Von 105 kWh Gesamtenergieinhalt der Hochvoltbatterie stehen 97 kWh zur Verfügung. Laut WLTP kommt der Taycan 678 km weit.
Es geht weiter über die A5 Richtung Freiburg. Als wir die Grenze zu Frankreich passieren, haben einen 114er-Schnitt. Uns kommt zugute, dass kaum Verkehr herrscht. Für die Mautstrassen haben wir uns einen Transponder besorgt. So müssen wir nicht an jeder Mautstationen anhalten, Bargeld oder Kreditkarte zücken, sondern können mit Tempo 30 durch die Stationen rollen. Die Schranken öffnen automatisch. Und dem Schnitt hilft`s auch.
Nach 480 Kilometern steht der erste Ladestopp an. Wir fahren zur IONITY Jura in der Nähe von Arlay in der Bourgogne. Die Restreichweite liegt bei 35 Kilometern. Wir verbuchen also mehr als 500 Kilometer echte Reichweite. Die Fahrt hierher hat etwas mehr als vier Stunden gedauert. Es stehen sieben CCS-Lader zur Verfügung. Wir sind das einzige Auto. Fotograf Christoph geht schon mal in die Raststätte, um sich mit seinem Mittagessen und Getränken einzudecken, während ich den Ladevorgang per Plug and Charge starte und überwache. Unnötig, da der Taycan mit bis zu 320 kW lädt. Nach zehn Minuten sind 50 kWh zurück in der Batterie – und nach 18 Minuten zeigt der Ladezustand bereits 80 Prozent an. Fast zu schnell für eine ordentliche Pause. Nach knapp einer halben Stunde fahren wir weiter.
So entspannt kann Langstrecke sein
Mittlerweile liegen die Temperaturen bei mehr als 20 Grad. Pulli auf die Rückbank und weiter im T-Shirt. Frühlingsgefühle kommen auf. Der Taycan performt derweil wie erwartet. Das Fahrwerk ist komfortabel, der E-Antrieb fast lautlos und die Prognosen des Porsche Charging Planner zuverlässig. So entspannt kann Langstrecke sein.
Den zweiten und für heute – so das ehrgeizige Ziel – letzten Ladestopp plant das System in Tavel Nord bei Avignon ein. Wir haben noch 42 Kilometer Restreichweite bzw. zehn Prozent State of charge (SoC). Vier Lader stehen zur Verfügung, vier sind frei. Normalerweise lädt man auf der Langstrecke nie über 80 Prozent. Wir wollen trotzdem fast vollladen.
Noch fast 450 Kilometer
So sollten wir es in einem Rutsch bis Barcelona schaffen, unserem einzigen Übernachtungs-Stopp auf der Strecke. Bis dahin sind es noch fast 450 Kilometer. Die angenehme Begleiterscheinung: Nun können auch wir mal etwas länger Pause machen. Können essen und trinken, uns die Beine vertreten und etwas stretchen. Der Taycan ist auf der Langstrecke anspruchsvoll, was die Pausenzeiten angeht. Aber wir sind ja nicht zum Spass hier, sondern wollen zeigen, was in der Neuauflage steckt. Laut Anzeige im Fahrzeug hat die Ladesäule wohl etwas die Ladeleistung reduziert. Fällt aber angesichts der nachgeladenen Energiemenge und Zeit nicht ins Gewicht. Nach 35 Minuten sind wir bei 95 Prozent. Abfahrt.
Für die ersten 1.000 Kilometer benötigen wir keine neun Stunden. Spätestens jetzt machen sich die ausgezeichneten 14 Wege Komfortsitze bezahlt. Der Taycan erfordert Sitzfleisch. Es geht vorbei an Montpellier und Narbonne Richtung spanischer Grenze. Hier gilt ein Tempolimit von 120 km/h. Schlecht für den Schnitt, gut für den Verbrauch.
Nach ziemlich genau zwölf Stunden, 1.260 elektrisch zurückgelegten Kilometern und einem Verbrauch von 20,7 kWh sowie zehn Prozent Rest-SOC erreichen wir unser Hotel in Barcelona. In der Tiefgarage gibt es zwei AC-Lader, die für Gäste kostenlos genutzt werden können. Leider liefert der einphasige Lader lediglich 3,7 kW. Aber wir haben ja zwölf Stunden Zeit. Also einstecken, einchecken und einschlafen.
Am nächsten Morgen steht die Anzeige bei knapp 50 Prozent. Nicht ideal, aber auch nicht dramatisch, da es 100 Kilometer südlich von Barcelona eine IONITY Station gibt. Also erstmal etwas Sightseeing. Ein Pflichtbesuch ist die Dauerbaustelle Sagrada Familia. Soll aber 2026 fertig werden.
Mehr als 600 IONITY-Stationen
Da wir vorher in Sevilla ankommen wollen, fahren wir weiter zur IONITY nach Tarragona. Eine ganz neue Station an einer Tankstelle im Industriegebiet neben der Autobahn. Alle sechs Lader sind frei und stehen auf grün. Auch hier scheint die Ladeleistung laut Anzeige minimal begrenzt worden zu sein. Wir laden innerhalb einer guten halben Stunde wieder auf mehr als 90 Prozent, da das IONITY Netzwerk trotz über 600 Stationen in ganz Europa süd-westlich von Valencia etwas dünner wird. Zunächst ärgern wir uns etwas über die kategorischen 80 Prozent geladen zu haben. Im Nachhinein sollte sich diese Entscheidung jedoch als goldrichtig herausstellen. Wir planen also unseren ersten Nicht-IONITY Lader ein – was ungeahnte Herausforderung bereitete.
Der erste Lader gleich neben der Route verspricht 360 kW. Wir stecken ein, der Verifizierungsprozess startet und hört auch nicht mehr auf. Wir stecken ab und versuchen es erneut, doch der etwas in die Jahre gekommene Stromspender möchte diesen Modus nicht mehr verlassen. Kein Problem. Denken wir. In der Nähe gibt es noch eine 300 kW Säule des gleichen Anbieters. Diese Station neben einer Tankstelle ist deutlich moderner. Zuversicht macht sich breit. Es handelt sich um einen neuen Tripple Charger. Das heisst, man kann sowohl mit CCS-Stecker als auch AC oder Chademo laden. Wir müssen nur auf dem Touchbedienfeld den gewünschten Standard auswählen. Doch leider reagiert die kapazitive Oberfläche nicht auf Input. Leicht genervt fahren wir weiter. Der Porsche Charging Planner schlägt den nächsten HPC-Lader in Fahrtrichtung vor. Dank der beim neuen Taycan deutlich erhöhten Reichweite und besseren Effizienz gegenüber dem Vorgänger kommen wir mit vier Prozent an. Wir laden in 30 Minuten genauso viel nach – 40 kWh – wie wir brauchen, um den nächsten IONITY Lader erreichen zu können. Das gute Mittagessen und der hervorragende Espresso an der Raststation beruhigen die Gemüter wieder. Insgesamt verlieren wir durch die Ladehemmungen aber eine Stunde.
Es sind keine 500 Kilometer mehr bis Sevilla. Der Schnitt ist unter die magische 100er-Marke gefallen. Da kaum Verkehr herrscht können wir durchgängig 120 km/h fahren. Ankunft um 16:30 Uhr an der IONITY El Hidalgo. Drei von vier Ladern sind frei. Es folgt eine Ladesession wie aus dem Bilderbuch. Im Taycan kommen in der Spitze 327 kW an. Nach 15 Minuten fahren wir weiter.
Endspurt. 333 km. Die Strassen sind so leer, dass Topspeed gleich Durchschnittsgeschwindigkeit ist. Drei Stunden später: Ankunft in Sevilla nach 2.300 Kilometern und 23 Stunden Fahrzeit.
Wir haben den 100er-Schnitt geschafft. Auf dem Weg von Stuttgart nach Sevilla mussten wir im Schnitt alle viereinhalb Stunden Fahrtzeit laden. Der Verbrauch lag über die gesamte Strecke bei 20,5 kWh/100km. Trotz der nicht optimalen, aber stetig wachsenden Ladeinfrastruktur hat das Schnellladen insgesamt weniger als 2,5 Stunden gedauert. Wir sind müde, aber glücklich. Happy End.