Er ist praktisch gerade erst aus dem Auto gestiegen, hat freie Trainings, die Nachtqualifikation und dann die volle Härte des 24h-Rennens am Nürburgring hinter sich. Aber statt die Beine hochzulegen und wieder zu Kräften zu kommen, fliegt Jörg Bergmeister mit seinem Freund Karl Platt auf dem Mountainbike derart durch den Pfälzerwald, dass ich selbst auf einem E-Bike keine Chance habe.
Spätestens beim Mittagessen wird mir klar warum. Denn während ich das heiss erwartete Vanille-Eis als angemessene Ration nach der geleisteten Tretarbeit ansehe, reicht für Jörg ein Espresso. Es soll nicht der einzige Unterschied zwischen Amateur und Profi bleiben an diesem Tag.
„Du musst die Leidenschaft in dir spüren, um Profi zu werden.“ Jörg Bergmeister
Sicher kann man durch Technik und Training grosse Fortschritte erzielen, darin sind sich sowohl Karl als auch Jörg einig. Doch es muss auch Talent da sein, vor allem aber Leidenschaft. Denn nur, wenn du im Kopf wirklich für die Sache brennst, bist du bereit, auch das Letzte für sie zu geben.
Mir wird schnell klar: Rennen fahren, sowohl mit dem Auto als auch mit dem Mountainbike, ist für beide mehr als ein Job, mehr als ein Beruf – es ist ihre Berufung.
Es ist aber auch das, wofür beide alles andere zurückstellen. Wenn es in die entscheidende Phase der Vorbereitung auf ein grosses Rennen geht, gibt es nur sehr wenig neben ihrem Sport. Rund um die Uhr ist der Kopf bei der Sache, rastlos auf der Suche nach der letzten Verbesserung, der letzten Optimierung, dem letzten Vorsprung auf der Stoppuhr.
„Wenn ich ein paar Tage nicht im Sattel gesessen habe, fehlt etwas.“ Karl Platt
Genau dieser mentale Tunnel, diese volle Konzentration auf das Eine ist der entscheidende Unterschied zwischen Amateur und Profi. Während dem Einen ein Detail egal ist, feilt der Andere nächte-, vielleicht gar wochenlang daran, genau das zu verbessern. In jeder Situation mehr als 100 Prozent geben, immer an die Grenze gehen und manchmal auch darüber hinaus, sei der Schlüssel zum Erfolg. Da sind sich beide mehr als einig.
Überraschenderweise gehen die Meinungen der beiden allerdings auseinander, nachdem ich sie zu den Anfängen ihrer Karriere befragt habe. Vor allem bei ihren Strategien und Techniken. Denn während Jörg Bergmeister schon als kleiner Junge den rennfahrenden Vater auf den Rennstrecken dieser Welt begleitete und entsprechend früh mit dem Sport in Verbindung kam, lag die Sache bei Karl Platt anders.
Das als Jugendlicher erstandene Mountainbike war mehr Spass- als Sportobjekt. Es wurden Tricks geübt und Sprünge. Je steiler, weiter und höher, desto besser. Bis hin zum Rahmenbruch. Über die Zeit kristallisierte sich heraus, dass er ein ganz besonderes Talent besass, das er erst auf der Strasse und dann im Gelände unter Beweis stellte. Seine Mentalität blieb allerdings gleich: je steiler, weiter und höher, desto besser. Wenn ihm ältere Teamkollegen erklären wollten, dass Erfahrung auch Rennen gewinnt, konnte er nur den Kopf schütteln. Beine gewinnen Rennen, sonst nichts, war seine Überzeugung.
„Du musst im Kopf immer Kapazität für die nächsten Schritte haben.“ Jörg Bergmeister
Heute sieht er das freilich anders. Er fährt die Rennen kontrollierter und lässt die Situation auf sich zukommen. Er liest den Gegner, passt seine Strategie immer ans Geschehen an und improvisiert bei Bedarf, wenn er dem Gegner tief in die Augen geschaut hat und daraus eine neue Situation ablesen kann.
Diese Möglichkeit bleibt Jörg im modernen Motorsport verwehrt. Überhaupt sei der Rennausgang in dieser gut geölten Teamleistung aus Mechanikern, Ingenieuren und Fahrern weit weniger von ihm abhängig als beim Rennen auf dem Mountainbike, gibt er mit einem Grinsen zu. Denn die Beine hätten im Motorsport ganz sicher noch kein Rennen gewonnen. Vielmehr ist es die Teamleistung, die Strategie und nicht zuletzt die Erfahrung. Während man im Auto sitzt, muss man gedanklich immer schon um die nächste Kurve sein, beim nächsten Boxenstopp und beim Wetterwechsel.
„Die Nordschleife ist hier das beste Beispiel. Bei über 20 Kilometern Streckenlänge kann es passieren, dass es auf einem Teil in Strömen regnet und auf dem anderen scheint die Sonne. Hier kann eine falsche Entscheidung bei der Reifenwahl das ganze Rennen ruinieren“, sagt Jörg Bergmeister.
Es klingt wie Autofahren am absoluten Limit und währenddessen Schach spielen. Vielleicht sind es aber auch genau diese Dinge, die sich der Amateur einfach nicht vorstellen kann. Genauso wenig wie die Bedeutung der technischen Entwicklung für den Profi.
„Wenn ich heute auf meinem Sieger-Rad des 2016er Cape Epic sitze, kann ich kaum glauben, wie ich damit gewinnen konnte.“ Karl Platt
Dabei hat sich am Grundlegenden nichts geändert. Aber es sind die Verbesserungen vieler Nuancen, die am Ende den grossen Unterschied machen. Eine neue Beschichtung an der Gabel, ein Millimeter weniger Vorbaulänge und ein halbes Grad mehr Lenkwinkel machen das Mountainbike zu einem völlig anders zu fahrenden Gerät. Selbst eine alte Kette fühlt der Profibiker schon nach den ersten hundert Metern.
Da kann selbst Jörg als gestandener Entwicklungsfahrer nur staunen. Er habe heute auf der Ausfahrt und während unserer Interviews so viel über Mountainbikes gelernt wie selten zuvor, lacht er. Dabei versteht gerade er, wie wichtig die stetige Verbesserung und die Weiterentwicklung aller Komponenten sind. Am Ende kommt ein neues Produkt heraus, das um einiges besser, schneller und leistungsfähiger ist als das Alte.
„Man verbessert Nuancen und hält das Ergebnis im Gesamten dann manchmal selbst kaum für möglich.“ Jörg Bergmeister
Das beste Beispiel sind ihre beiden Porsche 911 GT3. Der Silberne von Karl aus der ersten Generation des Typs 997 und daneben die schwarze Weissach-Edition des 991.2 GT3 RS, Jörgs aktueller Dienstwagen. Nur 13 Jahre trennen die beiden Elfer und doch liegen drei Entwicklungsgenerationen dazwischen. Und das spürt man sofort, staunt Karl nach der Ausfahrt.
„Da denkst du, dass es besser eigentlich nicht mehr geht, was Präzision, Feedback und Dynamik angeht, und dann fährt der neue GT3 RS plötzlich gleich in einer ganz anderen Dimension. Es ist wirklich beeindruckend“, sagt Karl Platt.
Dabei überrascht es, wie fein Karl über das Fahrerlebnis mit dem Porsche redet. Über das Ansprechverhalten des Fahrwerks, über den Druckpunkt der Bremse, über die Bewegung des ganzen Wagens nach dem Einlenkimpuls. Oder einfach über die Spontanität nach dem Gasgeben. Man merkt, dass er mit seinem Auto viel auf der Rennstrecke unterwegs ist. Dass er sich Gedanken macht über Linienwahl, Gaspedalstellungen und Lenkwinkel. Dass er sich ständig verbessern möchte. Kurz: man merkt, dass er ein Profi ist.
Auch Jörg erwischt sich beim ständigen Optimieren. Obwohl er das Mountainbiking eigentlich zunächst nur zum Auspannen nach dem Rennen und zur Fitness genutzt hatte, entwickelte es sich bald zu einer echten Leidenschaft. Schnell begann er mit Luftdrücken und Dämpferabstimmungen zu spielen, lernte das Streckenlesen und trainierte seine eigene Trail-Technik. Denn zu optimieren gibt es immer etwas – und schneller ist immer besser. Schliesslich heisst es: Im Zweifel Vollgas.
In seiner Entwicklungsaufgabe im Fahrversuch der Baureihe 911 ist Jörg Bergmeister übrigens persönlich immer besonders darauf bedacht, dass es zum jeweiligen Start eines neuen Modells auch einen Fahrradhalter für das Dachtransportsystem gibt. Schliesslich bedient er damit gleich zwei seiner Leidenschaften auf einmal.
Dieser Beitrag wurde vor dem Start des Porsche Newsroom Schweiz in Deutschland erstellt. Die genannten Verbrauchs- und Emissionsangaben richten sich daher nach dem Prüfverfahren NEFZ und wurden unverändert übernommen. Alle in der Schweiz gültigen Angaben nach WLTP-Messzyklus sind unter www.porsche.ch verfügbar.