Man muss nur die Helme betrachten. Dann weiss man, was Fortschritt im Motorsport bedeutet. Der Alte: eine filigrane, graue Halbschale. Sie macht den Eindruck, als könne man sie problemlos eindrücken. Der Neue: ein bunter High-Tech-Schutz, ergonomisch perfekt geformt – er sieht so aus, als könne selbst ein Hammerschlag nicht einen Kratzer hinterlassen. Wir sind in einem Fotostudio in Friolzheim zwischen Stuttgart und Pforzheim, und die Atmosphäre knistert. Das liegt nicht an den heissen Scheinwerfern, die auf die Protagonisten gerichtet sind, sondern an den Beteiligten selbst: Hans Herrmann, Le-Mans-Sieger 1970, vor seinem Originalauto von damals, dem Porsche 917 KH, und mit seinem Kopfschutz von einst. Und Timo Bernhard, bislang letzter Porsche-Le-Mans-Gesamtsieger, mit dem Porsche 919 Hybrid von 2017 und seinem Helm. Alle vier sind gefeierte Champions; die beiden Piloten fuhren bei ihren Siegen jeweils die letzte Runde, Timo Bernhard sogar auch die Startrunde.
Vorrangiges Thema: Sicherheit
Wenn sich diese absoluten Motorsport-Giganten treffen, kommt stets ein Thema zuerst auf den Tisch: der Fortschritt bei der Sicherheit im Laufe der Jahre. „Wir sind ja noch zu zweit gefahren,“ erinnert sich der inzwischen 92 Jahre alte Herrmann und fügt augenzwinkernd hinzu: „Die jungen Burschen von heute sind ja Faulenzer dagegen: Die sind zu dritt unterwegs. Da kann einer ja mal eben acht Stunden lang schlafen.“ Aber wirklich gefährlich waren schon damals die Tempounterschiede der verschiedenen Klassen: „Das Top-Tempo der Langsamsten lag bei rund 200 km/h. Wir flogen mit 384 km/h vorbei.“ „Klar, Motorsport ist nach wie vor gefährlich,“ ergänzt Bernhard. „Aber man kann das heute nicht mit damals vergleichen. Die Angst war vor 50 Jahren ein ständiger Begleiter, das ist bei uns nicht mehr so gewesen.“ Und Herrmann erinnert sich: „Als ich damals mal eine Tube Zahnpasta gekauft habe, dachte ich noch im Laden: ‚Hoffentlich erhältst du die Chance, sie aufzubrauchen.“
Die Technik der Autos
Was die beiden Protagonisten meinen, verdeutlichen die beiden Rennfahrzeuge, die sich im Studio gegenüberstehen. Der 917 KH mit der Startnummer 23, gestartet unter der Nennung von Porsche Salzburg, wiegt gerade mal 800 Kilogramm und wurde befeuert von einem 4,5-Liter-Zwölfzylinder, der mit 580 PS die Hinterräder antrieb. Das Aggregat musste gerade einmal rund zehn Minuten warmlaufen, dann war der Wagen rennfertig. Die Kunstharzhaut-Haut ist nur 1,2 Millimeter dick. Innen geht es so eng zu, dass der Pilot mit dem Helm ans Dach stossen kann. Ein Gitterrohrrahmen schützt vor Übergewicht, aber nicht vor den Folgen eventueller Kaltverformung.
Auf der anderen Seite der viel grössere und wuchtig wirkende 919 Hybrid, den zwei Techniker und ein Renningenieur in einer zwei Stunden dauernden Choreographie vorbereiten müssen, um ihn auf die Piste zu lassen. Der Rekordsieger war ein rollendes Versuchslabor für die Zukunftstechnologien von Porsche: Ein Zweiliter-V4-Turbobenziner mit 368 kW (knapp 500 PS) für die Hinterräder, zusätzlich ein Elektromotor mit 294 kW (über 400 PS) für die Vorderachse – was den Hybrid-Porsche zum Allradler macht. Der E-Motor wird versorgt von einer Lithium-Ionen-Batterie, die wiederum von Bremsenergie an der Vorderachse und von Abgasenergie gespeist wird. Platz hat auch hier der Pilot nicht wirklich, aber er ist unvergleichlich besser geschützt. Die Kampfspuren des Renners aus dem Jahr 2017 mit der Startnummer 2 sind mit Klarlack wunderbar konserviert. Auch der 917 ist übrigens original, auch wenn er aussieht wie frisch aus der Rennabteilung.
„Der 917 war damals das High-Tech-Auto der Zeit. Damit hat Porsche gezeigt, wie man den besten Prototypen nach dem damaligen Reglement bauen musste,“ sagt Bernhard. „Das gilt wiederum auch für den 919 Hybrid. Gerade mit diesem Auto hat Porsche bewiesen, wie man Technik für die Strasse im Motorsport entwickelt – Stichwort Taycan.“ Ist Bernhard den 917 jemals gefahren? „Ja, zweimal. Natürlich nicht am Limit, aber immerhin so, um einen guten Eindruck vom damaligen Racing zu bekommen.“ – was Bernhard jetzt zu noch mehr Respekt gegenüber Herrmann und dessen Kollegen nötigt. Und, möchte Herrmann in den 919 steigen? „Um Gottes Willen – bloss nicht.“
Le Mans – auch heute noch das Mass der Dinge
So sehr sich die Technik auch geändert haben mag: „Die Begeisterung für das Rennen ist nach wie vor ungebrochen,“ ist sich Bernhard sicher. „Le Mans hat heute tatsächlich noch den gleichen Stellenwert wie vor 50 Jahren. Aber jetzt gehört es wohl zu den letzten motorsportlichen Abenteuern, denn kein anderes Pistenlayout kombiniert noch eine Rennstrecke mit öffentlichen Landstrassen.“ Auch Hans Herrmann schaut sich seit seinem Ausstieg aus dem aktiven Motorsport jedes Rennen an – auch jeden Formel-1-Lauf. Ganz konsequent – wie immer im Leben: „Ich habe mir nach meinem knappen zweiten Platz in Le Mans 1969 vorgenommen, 1970 mit der Rennerei Schluss zu machen. Das hatte ich auch meiner Frau versprochen. Das wusste damals niemand. Dass ich meine Karriere tatsächlich mit dem Sieg in Le Mans und einem der wichtigsten Erfolge für Porsche überhaupt beenden konnte, war natürlich besonders schön.“
Die Freuden der Rennfahrer
So viele Gefahren und Aufregungen brauchen natürlich auch ein Gegengewicht. So kolportiert Bernhard gern die Geschichte seiner damals 85-jährigen Nachbarin, die die ganze Nacht vor dem Fernsehbildschirm sass, wenn er über den Sarthe-Kurs fuhr und hinterher sagte: ‘Herr Bernhard, Sie halten mich die ganze Nacht wach, ich kann gar nicht abschalten…‘. „Daran ist gut zu erkennen, wie das Rennen viele Menschen fesselt, die sonst nichts mit Motorsport zu tun haben,“ konstatiert einer der weltbesten Rennfahrer, der seit 2020 als Markenbotschafter für Porsche im Einsatz ist.
Es wird Zeit, Hans Herrmann und Timo Bernhard alleine zu lassen. Denn die beiden haben sich bestimmt noch so Einiges zu erzählen. Insgesamt 19 Gesamtsiege, 108 Klassenerfolge und unbeschreibliche Emotionen verbinden Porsche seit mehr als sechs Jahrzehnten mit den 24 Stunden von Le Mans, dem grössten und traditionsreichsten Motorsportereignis der Welt. Damit ist der Sportwagenhersteller aus Stuttgart-Zuffenhausen die erfolgreichste Marke in der fast 100-jährigen Geschichte von Le Mans. Am 14. Juni 1970 gelang Porsche dort mit dem 580 PS starken Sportwagen 917 KH der erste Gesamtsieg. Bei der 85. Auflage des 24-Stunden-Rennens von Le Mans in 2017 fuhr Timo Bernhard zusammen mit seinen Teamkollegen Earl Bamber und Brendon Hartley mit dem Porsche 919 Hybrid nach einem dramatischen Rennen auf Platz eins ins Ziel.
Dieser Beitrag wurde vor dem Start des Porsche Newsroom Schweiz in Deutschland erstellt. Die genannten Verbrauchs- und Emissionsangaben richten sich daher nach dem Prüfverfahren NEFZ und wurden unverändert übernommen. Alle in der Schweiz gültigen Angaben nach WLTP-Messzyklus sind unter www.porsche.ch verfügbar.