„Verantwortung übernehmen – für Produkte und Ressourcen“: Kreislaufwirtschaft bei Porsche

Porsche möchte in seinen Fahrzeugen recycelte Materialien einsetzen und Ressourcenkreisläufe schliessen. Jonathan Hörz, Leiter des Nachhaltigkeitsstrategiefelds „Kreislaufwirtschaft“, erläutert, wie das Unternehmen durch geschlossene Rohstoffkreisläufe und langlebige Produktkonzepte seine ökologischen Ziele mit wirtschaftlicher Effizienz verbinden möchte.

Jonathan, wieso liegt dir das Thema Nachhaltigkeit am Herzen?

Jonathan Hörz: Ferry Porsche sagte einmal: „Man sollte das Material, das wir auf dieser Welt nur beschränkt haben, nicht so verwenden, dass es nach der Anwendung weggeworfen wird.“ Diese Einstellung spiegelt sich auch in meinem persönlichen und beruflichen Verständnis von Nachhaltigkeit wider. Schon in meinem Studium habe ich mich damit beschäftigt, wie Unternehmen nachhaltig und verantwortungsbewusst wirtschaften können. Auch in meinem beruflichen Werdegang haben mich diese Themen immer wieder begleitet. Nun, als Leiter des Nachhaltigkeitsstrategiefelds „Kreislaufwirtschaft“, beschäftige ich mich damit, wie wir Ressourcen so lange wie möglich nutzen und erhalten können. Denn unsere Entscheidungen, ob privat oder im beruflichen Kontext, können Auswirkungen nach sich ziehen – nicht nur auf das Wirtschaftssystem, sondern auch auf den Zustand unserer Umwelt, auf Tiere und Menschen. Und dafür müssen wir Verantwortung übernehmen – für unsere Aktivitäten, unsere Produkte und die darin enthaltenen Ressourcen.

Was bedeutet Kreislaufwirtschaft für Porsche? Was sind deine Aufgaben als Strategiefeldleiter?

Hörz: Kreislaufwirtschaft ist bei Porsche eines von sechs Strategiefeldern im Bereich Nachhaltigkeit. Gemeinsam mit meinem Team arbeite ich daran, Rohstoffkreisläufe bei Porsche zu schliessen und dadurch sowohl unseren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren als auch einen Beitrag zum Erhalt natürlicher Ressourcen zu leisten. Wir definieren die strategische Ausrichtung des Strategiefeldes, entwickeln Zielsetzungen und stossen konkrete Massnahmen an. Bei all diesen Themen arbeiten wir ressortübergreifend mit diversen Bereichen bei Porsche zusammen und treiben Kreislaufwirtschaft gemeinschaftlich voran. Den Gedanken von Kreislaufwirtschaft möchten wir über den gesamten Produktlebenszyklus unserer Fahrzeuge einbringen – zu Beginn bei der Beschaffung unserer Rohstoffe, in der Entwicklung und Produktion sowie während und am Ende des Produktlebens.

Jonathan Hörz, Leiter des Nachhaltigkeitsstrategiefelds „Kreislaufwirtschaft“ bei Porsche, 2024, Porsche AG

Nehmen wir den Produktlebenszyklus eines Porsche-Fahrzeugs mal genauer unter die Lupe: Welche Rolle spielt Kreislaufwirtschaft schon in der Fahrzeugentwicklung?

Hörz: Bereits in der Entwicklungsphase arbeiten wir daran, unsere Produkte so gestalten, dass ihre Rohstoffe nach der Nutzung möglichst einer weiteren Nutzung zugeführt werden können – wir nennen dieses Prinzip „Design for Recycling“. Dabei prüfen wir beispielsweise, welche Bauteile und Werkstoffe sich besonders für einen Recyclingprozess eignen und wie wir sie am effizientesten einsetzen können. In diesem Zuge betrachten wir bei Porsche auch die Lieferketten unserer Bauteile: Gemeinsam mit der Beschaffung möchten wir nicht nur die Materialität, sondern auch den gesamten Wertschöpfungsprozess ins Blickfeld nehmen.

Hast du konkrete Beispiele für nachhaltige Materialien in Porsche-Fahrzeugen?

Hörz: Wir wollen in Zukunft vermehrt Rezyklate sowie auch nachwachsende Rohstoffe in unseren Fahrzeugen einsetzen. Hierfür haben wir uns bei Porsche für zukünftige vollelektrische Fahrzeugmodelle Ziele für den Einsatz dieser Materialien gesetzt. Aber bereits auch heute schon befinden sich Rezyklate im Fahrzeug. Im Interieur des Taycan bieten wir beispielweise unsere sogenannte „Race-Tex“-Ausstattung an, welche zum Teil aus recycelten Polyesterfasern besteht.

Werfen wir einen Blick auf die Nutzungsphase …

Hörz: Unsere Fahrzeuge sind emotional und sollen von unseren Kundinnen und Kunden lange genutzt werden können. Gleiches gilt auch für die darin verwendeten Materialien und Rohstoffe. Um diesen Grundgedanken auch auf unsere Fahrzeugbauteile zu übertragen, haben wir gemeinsam mit dem Aftersales ein ausgeprägtes „proaktives Remanufacturing“-Konzept entwickelt. Das Ziel ist, bei einer notwendigen Reparatur eines Bauteils nicht zwingend ein neues Teil verwenden zu müssen. Stattdessen soll die Möglichkeit bestehen, ein generalüberholtes Bauteil zu nutzen, wie beispielsweise ein überholtes Getriebe, einen Anlasser oder ein elektronisches Steuergerät. Dieses erfüllt die gleichen Anforderungen wie das Neuteil, benötigt aber bis zu 80 Prozent weniger neue Rohstoffe im Vergleich zu einem Neuteil. Darüber hinaus können wir dadurch auch die Versorgungssicherheit mit Ersatzteilen steigern, was zum Beispiel für unsere Porsche Classic Fahrzeuge wichtig ist. 

Ähnliche Konzepte von Porsche gibt es auch für die Hochvoltbatterien unserer Elektrofahrzeuge – wie sehen diese konkret aus?

Hörz: Für die Hochvoltbatterie gibt es umfassende Reparaturkonzepte, um eine möglichst lange Nutzung zu ermöglichen – diese wurden beispielsweise für unsere vollelektrischen Modelle, den Taycan sowie den neuen Macan, in allen Vertriebsregionen verfügbar gemacht. Im Falle einer Störung der Batterie während der Nutzungsphase kann der Fehler durch unsere Porsche-Zentren diagnostiziert und durch den gezielten Austausch defekter Komponenten, darunter auch einzelne Batteriemodule, behoben werden.

Was passiert mit der Hochvoltbatterie nach ihrer Nutzung im Fahrzeug?

Hörz: Auch nach dem Nutzungsende der Batterien in unseren Fahrzeugen hat für uns ein verantwortungsvoller Umgang mit den Rohstoffen eine hohe Priorität. Eine Möglichkeit besteht darin, gebrauchte Batterien in internen Energiespeichern einzusetzen. Ein Projekt möchte ich dabei besonders hervorheben: In unserem Werk in Leipzig haben Kolleginnen und Kollegen aus der Produktion einen stationären Energiespeicher aus gebrauchten Taycan-Batterien aufgebaut. Die Batteriemodule, die aus Vorserien- und Werksfahrzeugen stammen, konnten ohne technische Anpassungen in den neuen Energiespeicher integriert werden. Dieser setzt sich aus insgesamt 4.400 einzelnen Batteriemodulen zusammen. Die gesamte Anlage ist für eine Betriebsdauer von mehr als zehn Jahren konzipiert. Falls notwendig, können einzelne Batterie-Module auch ausgetauscht werden. Mit diesem Konzept konnten wir aufzeigen, wie Hochvoltbatterien in einer zweiten Lebensphase ressourcenschonend und sinnvoll eingesetzt werden können.

Second Life-Konzept

Wie aus gebrauchten Taycan-Batterien ein Energiespeicher für das Werk Leipzig wurde.

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Welche Option bleibt, wenn eine Hochvoltbatterie nicht mehr anderweitig einsetzbar ist?

Hörz: Wenn eine weitere Nutzung der Batteriemodule nicht mehr möglich ist, möchten wir die darin verwendeten Rohstoffe bestmöglich in den Batteriekreislauf zurückführen. Darum engagiert sich Porsche gemeinsam mit dem Volkswagen Konzern am Themenfeld Batterierecycling und möglichen zukünftigen Ausbaustufen. Einen wichtigen Schritt haben wir bereits vollzogen: Im Mai 2024 hat sich Porsche Ventures an dem Start-up-Unternehmen Cylib beteiligt. Durch einen innovativen Prozess können bei Cylib bis zu 90 Prozent der Batterierohstoffe zurückgewonnen werden – und somit wertvolle Materialien wie Lithium, Kobalt und Nickel aus alten Batterien gewonnen werden. Im Rahmen eines Pilotprojekts untersuchen wir derzeit die Machbarkeit eines geschlossenen Batteriekreislaufs. Langfristiges Ziel von Porsche ist es, recycelte Rohstoffe wieder in neuen Batterien einzusetzen.

Jonathan Hörz, Leiter des Nachhaltigkeitsstrategiefelds „Kreislaufwirtschaft“ bei Porsche, 2024, Porsche AG

Bieten eure Aktivitäten neben dem Beitrag zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit weitere Vorteile, von denen Porsche aus unternehmerischer Sicht profitieren kann?

Hörz: Ich bin überzeugt: Wenn wir den Gedanken von Kreislauswirtschaft umsetzen, dann sind wir nicht nur als Unternehmen nachhaltiger, sondern stärken die Langlebigkeit unserer Produkte sowie die Positionierung von Porsche. Beispielsweise können wir uns als Unternehmen durch die Wiederverwendung und das Recycling von Materialien zunehmend unabhängiger von volatilen und geopolitisch unsicheren Rohstoffmärkten machen. Dabei können wir auch perspektivisch Rohstoffkosten einsparen, in dem wir Materialien recyceln und in den Produktionsprozess zurückführen, anstatt diese teuer entsorgen zu müssen. Kreislaufkonzepte veranschaulichen dadurch, wie ökologische und wirtschaftliche Interessen Hand in Hand gehen können.

Welche Projekte habt ihr perspektivisch geplant und was wünschst du dir für die Zukunft?

Hörz: Aktuell arbeiten wir im Team „Kreislaufwirtschaft“ sehr intensiv an der Frage, wie unser zukünftiges Recyclingnetzwerk für Hochvoltbatterien aussehen soll. Wir möchten zudem perspektivisch die strategische Ausrichtung weiterer Wertschöpfungsnetzwerke ausgestalten und dabei potenzielle Partner einbinden. Um den effizienten Einsatz ausgewählter Materialien im Fahrzeug weiter voranzutreiben, arbeiten wir ausserdem an der Verprobung einer exklusiven und ökologisch nachhaltigeren Innenausstattung aus regionalem Leder von Bio-zertifizierten Höfen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir als Gesellschaft uns noch mehr den Wert von Produkten und den darin verwendeten Rohstoffen bewusst werden. Die Belastung unserer Umwelt mit immer grösserem Müllaufkommen wird jedem schnell verdeutlichen, dass dies auf der Welt noch nicht in ausreichendem Masse passiert. Wir tragen Verantwortung für von uns hergestellte oder gekaufte Produkte. Die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft kann einen Beitrag leisten, diese Verantwortung wahrzunehmen.

Info

In der Interviewreihe „Perspektive Nachhaltigkeit“ erzählen Porsche-Mitarbeiter von ihren fachspezifischen Themengebieten. Das Interview mit Jonathan Hörz ist Teil 15 der Serie.

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