Bernard Moix hat den Porsche 356 SC von seinem Stiefvater übernommen. Diese Tatsache allein wäre nicht weiter ungewöhnlich, die Geschichte dazu ist es aber schon. Erste Erinnerungen an das Fahrzeug hat Moix, da konnte er kaum laufen, „doch ich kann mich noch genau an den Duft erinnern“.

Bernard Moix, 2023, Porsche Schweiz AG

Aus dem kleinen Bub wurde ein erfolgreicher Grafiker, seinen Stiefvater verlor er aus den Augen, suchte wieder den Kontakt, fragte ihn dann auch immer wieder nach dem Porsche. Die Antworten waren ausweichend, mal gab es den 356 noch, manchmal nicht, doch Moix liess nicht locker. Dann, eines schönen Tages im Jahr 2007, führte ihn sein Stiefvater dorthin, wo er das seltene Stück seit 40 Jahren eingelagert hatte. Und übergab ihm die Schlüssel. Moix liess das Fahrzeug restaurieren, seit 2009 ist es wieder auf der Strasse – „und es riecht noch genauso wie in meinen Erinnerungen“.

Das wiederum hat mit einer Form von Manie zu tun, die Bernard Moix mit Bedacht pflegt: Er lässt seine Porsche nicht von Grund auf restaurieren, sondern will so viel wie möglich im Originalzustand beibehalten. Das ist ein Umweg, der nicht nur viel Zeit und sicher auch Geld kostet, doch für Moix ist die Erhaltung der Geschichte zentral. „Ich habe wenig Ahnung von Technik, das ist mir nicht so wichtig“, sagt der Walliser, „ich bin mehr der Ästhet, der Philosoph, der Geschichten liebt. Und es ist mir wichtig, dass meine Autos ihre Vergangenheit weiterhin erzählen können.“ 

Erzählen kann Moix bestens, wenn man ihm zuhört, dann muss man beeindruckt sein von der Akribie, die er in seine Porsche steckt. Da ist dieses 356 Coupé von 1955, das er vor bald einem Jahrzehnt kaufen konnte. Und von dem er über die Jahre die ganze Geschichte recherchierte, dies auch aufgrund eines Fotos, das er per Zufall fand. Darauf ist Ferry Porsche zu sehen, wie er mit genau diesem Porsche posiert. Aufgenommen wurde es 1956 bei der Porsche Parade in Meran, zu der Ferry Porsche und sein Rennleiter Huschke von Hanstein Porsche-Fahrer aus aller Welt zusammengerufen hatten. 

Es ist wichtig, dass die Autos ihre Geschichte erzählen. Bernard Moix

Über seine guten Verbindungen etwa zum Porsche-Experten konnte Moix nicht nur den ersten Besitzer seines Coupé identifizieren, sondern er suchte auch den Kontakt zu ihm. Der Mann, ein Industrieller aus Düsseldorf, war zwar schon verstorben, doch seine Tochter erwies sich als ausgesprochen hilfsbereit, hatte noch mehr Material, wusste, wer sonst noch auf dem Bild zu sehen ist. Über Kontakte innerhalb der Porsche-Szene kamen weitere Details wieder ans Tageslicht – und Moix weiss jetzt, dass dieser Porsche 356 ein ganz besonderes Fahrzeug ist: 1957 in die Schweiz eingeführt, kurz darauf nach Deutschland verkauft, mit noch so mancher Sonderausstattung, die erst ein Jahr später auf dem Markt eingeführt wurden. Was ihm aber am wichtigsten ist: Das Interieur dieses 356 ist noch vollkommen original. Und Ferry Porsche hatte seine Hand darauf. 

Porsche 356 1500 Pre-A Speedster, 2023, Porsche Schweiz AG
Schönheit: Eigentlich sollte der Speedster einfach nur günstiger werden. Doch dann wurde er so schön, dass er heute Legende ist.
Porsche 356 1500 Pre-A Speedster, 2023, Porsche Schweiz AG
Kleinkraftwerk: Der Vierzylinder hat nur 1,5 Liter Hubraum, aber er ist einer der legendären Königswellenmotoren von Ernst Fuhrmann.
Porsche 356 1500 Pre-A Speedster, 2023, Porsche Schweiz AG
In der Ruhe liegt die Kraft: Es sei die Frage erlaubt: Was braucht man mehr? Einverstanden, nach jeder Ausfahrt einen Coiffeur, denn es ist sehr windig.

Das ist bei seinem letzten Projekt, einem 356 Pre-A Speedster des Jahrgangs 1955, nicht mehr der Fall, das Fahrzeug stand jahrelang draussen in der Nähe von Marseille. Doch nur schon wie Moix zu diesem Wagen gekommen ist, ist wieder eine dieser märchenhaften Geschichten. Er half einem Freund bei der Recherche zu einem 356 Speedster, den dieser gerade restaurierte. Und sagte ihm, so nebenbei, dass auch er an einem solchen Fahrzeug interessiert sei. Worauf ihm dieser entgegnete, ein Kollege habe gerade einen gefunden, eben jenes gute Stück, das bei Marseille bei Wind und Wetter draussen stand. Es gehörte einem älteren Herrn, der noch andere nette Fahrzeuge in seinem Besitz hatte, einen Porsche 906 zum Beispiel, aber auch ältere Bugatti, der aber keine Zeit fand, den extrem seltenen Speedster wieder auf Vordermann zu bringen. Mitten in den Verhandlungen verstarb der Franzose, sein Sohn verkaufte Moix den Porsche – und das nächste Abenteuer konnte beginnen.

Porsche 356 1500 Pre-A Speedster, 2023, Porsche Schweiz AG

In diesem Fall musste es eine komplette Restauration sein. Die liess Moix bei Steve Kerti ausführen, einem Spezialisten für liebevolle Wiederaufbauten im Südwesten Englands. Denn auch wenn der Speedster eine Ruine war, Moix wollte so viel vom noch vorhandenen Material erhalten wie nur möglich. Und auch beim Interieur und dem Verdeck setzte er nicht auf neues Material, das heute über spezialisierte Anbieter durchaus wieder erhältlich ist, sondern suchte auf der ganzen Welt nach noch gut erhaltenen Originalen. Der Motor lief selbstverständlich nicht mehr, doch er war noch in einem guten Zustand, der Aufwand für die Revision hielt sich in Grenzen.

Und selbstverständlich tauchte Bernard Moix wieder tief in die Geschichte auch dieses Fahrzeugs ein. Die ersten Speedster wurden 1955 für den amerikanischen Markt gebaut, die grosse Mehrheit ging auch über den grossen Teich, doch vier davon kamen in die Schweiz und zehn nach Frankreich; das Fahrzeug von Moix gehört zu dieser Auslieferung nach Frankreich.

Doch in diesem Moment sei die Frage erlaubt: Porsche 356 Pre-A Speedster? Die Geschichte begann 1948 mit dem 356/1, der aber noch einen Mittelmotor hatte. Die ersten 50 Exemplare des Ur-Modells wurden noch in Alu und Handarbeit im österreichischen Gmünd gebaut, ab 1950 dann in Stuttgart-Zuffenhausen. Die bis 1955 gebauten Fahrzeuge, erkennbar an der zweigeteilten Windschutzscheibe (ab 1952 ohne Mittelsteg, aber immer noch mit Knick), werden als Ur-Modelle, Pre-A, bezeichnet.

Mit Leichtigkeit zur Legende: Der Speedster war auf Anhieb ein Hit in den USA.

Der Speedster des Pre-A geht auf Anfrage des amerikanischen Importeurs Max Hoffman zurück, der sich für den US-Markt ein ganz simples Basismodell wünschte, das er für weniger als 3.000 Dollar (umgerechnet damals etwa 12.000 D-Mark) anbieten konnte. Es gab eine niedrigere Frontscheibe, ein voll versenkbares Verdeck, Steckscheiben, sportliche Schalensitze. Als Antrieb diente der 1,5-Liter-Königswellenmotor, den Ernst Fuhrmann 1952/53 konstruiert hatte – und der dem leichten Speedster wunderbare Fahrleistungen bescherte. Die Speedster machten Porsche in den USA sofort zur Legende, es gab damals für das gleiche Geld schlicht nichts Besseres – und dieser gute Ruf strahlte dann zurück nach Europa.

Der Pre-A Speedster von Moix war ursprünglich in einem Elfenbein-Ton lackiert (Reutter-Farbcode 504). Weil es diese Farbe aber nicht mehr gibt, liessen Kerti und Moix einen Farbton abmischen, der dem Original so nah ist wie nur möglich. Viel mehr zur Geschichte hat der Walliser bisher nicht eruieren können, er weiss nur, dass der verstorbene Vorbesitzer ihn schon vor mehr als 20 Jahren als Restaurationsobjekt erstanden hatte, doch Moix hat ja noch Zeit. Und der Zufall wird ihm wieder helfen.

Unterdessen bewegt Moix seinen wunderschönen Speedster fleissig. Nach 3.500 gefahrenen Kilometern durfte der Porsche wieder zu Steve Kerti für ein paar Nachbesserungen – danach fuhr Moix auf Einladung von Präzisionsfahrerin und Content-Produzentin „That Porsche Girl Lara“ die Mille Miglia, eine der härtesten Veranstaltungen für Klassiker bis Baujahr 1957. Selbstverständlich absolvierte der Porsche mit seinem 1,5-Liter-Motor die 1.000 Meilen von Brescia nach Rom und wieder zurück nach Brescia klaglos. Auch bei der Le Mans Classic war Moix mit seinem sehr offenen Porsche dabei, bald kommt eine Geschichte über ihn und das Fahrzeug im französischen Fernsehen. Und nein, verkaufen will er ihn nicht.

Moix hat auch schon ein neues Projekt, diesmal ist es kein 356, sondern ein 911 S, der original nach Kalifornien ausgeliefert worden war. Und den sein letzter Besitzer, ein Australier, während der Corona-Zeit in der Schweiz stehen hatte. Weil er ihn nicht nach Down Under transportieren konnte, durfte Moix in die Bresche springen: „Ich hatte mir nie erträumt, je einen 911 besitzen zu dürfen.“ Man darf aber davon ausgehen, dass auch dieses gute Stück wieder eine sagenhafte Geschichte abgeben wird.

Info

Text erstmalig erschienen im Porsche-Magazin Christophorus, Nr. 405. 

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