Die Schönheit der Unvollkommenheit: Daniel Arshams 356 Bonsai

Mit seinem jüngsten Projekt verneigt sich Daniel Arsham vor der japanischen Handwerkskunst: es basiert auf seinem Porsche 356 Speedster von 1955. Der US-amerikanische Künstler hat den fast 70 Jahre alten Sportwagen neu interpretiert, indem er ihn komplett zerlegt und seine traditionsreiche Geschichte um die japanische „Wabi Shabi“-Ästhetik erweitert hat.

Zwei Jahre lang hat Arsham das Alter und die Spuren des Gebrauchs schrittweise freigelegt. Seine Hochachtung vor der japanischen Kultur und ihren vielen hoch spezialisierten Handwerkern inspirierte den Künstler. Dass Arsham Unvollkommenheit akzeptiert und Frieden schliesst mit natürlichen Alterungsprozessen, zeigt sich im minimalistischen Exterieur mit blankem Metall sowie im indigofarbenen Interieur.

Die gesamte Exterieurfarbe hat Arsham abgetragen und dabei die ursprüngliche Lackierung und die jahrzehntelangen Ausbesserungsversuche entfernt. Alle Schweissnähte, Narben und der natürliche, altersbedingte Verschleiss wurden so sichtbar. Traditionellen japanischen Handwerksverfahren entsprechend schützt jetzt nur noch eine Schicht Leinöl das Rohmetall vor Witterung. Auf dem Grill über dem Heckmotor hat Arsham ein patiniertes Bronzerelief in Form eines Bonsaibaums angebracht. Das patinierte Äussere endet zugleich nicht bei der Karosserie: Bei Exterieurdetails wie den Abdeckungen der Scheinwerfer oder dem Vintage-Nummernschild kommen originale, gebrauchte Komponenten zum Einsatz.

Obwohl der 356 Bonsai aussen scheinbar abgenutzt ist, ist er voll fahrbar. Denn alle funktionsrelevanten Komponenten, einschliesslich des Motors mit originaler Nummer, wurden in den Zustand bei der Auslieferung des Fahrzeugs zurückversetzt. Für die technischen Arbeiten kooperierte Arsham mit Willhoit Auto Restoration und dem Bridgehampton Motoring Club.

„Im Modellprogramm des traditionsreichen Herstellers Porsche ist der 356 ein interessanter Ausgangspunkt“, sagt Arsham. „Das fast 70 Jahre alte Fahrzeug enthält die Wurzeln der modernen Marke Porsche, die wir kennen und lieben, in reinster Form.“

Traditionsreiche Textilien und alte Verarbeitungstechniken

Arsham erläutert weiter: „Schon immer hat mich Japan inspiriert. Die besondere Liebe und Hingabe zum Handwerk dort waren die Grundlage für den 356 Bonsai. Alle Textilien in diesem Projekt haben traditionelle Handwerker in Japan hergestellt.“

356 Bonsai, Arsham Studio, 2022, Porsche AG

Beim Innenraum des Fahrzeugs hat der Künstler mit den japanischen Modedesignern Motofumi „Poggy“ Kogi und Yutaka Fujihara zusammengearbeitet. Das gesamte Interieur ist mit traditionellen japanischen Stoffen ausgestattet – von Boro-Patchwork bis zu Selvedge-Denim. Die Bezüge von Fahrer- und Beifahrersitz sowie die Persenning bestehen aus Boro-Patchwork-Textilien, die mit Indigo gefärbt wurden. Ursprünglich wurde mit dieser japanischen Technik Arbeitskleidung ausgebessert, damit sie länger getragen werden konnte. Die natürlichen Spuren der Abnutzung bleiben dabei erhalten. Neben dem Boro verwendete Arsham weiteren indigogefärbten Baumwollstoff. An der Türverkleidung und den Sitzkanten unterbrechen ihn Sashiko-Stickereien. Als letzten Stoff stellten Arsham und sein Team einen japanischen Denim her. Damit ist das Dach bezogen, das sich über den Innenraum spannt. Die Auswahl dieser drei Stoffe verstärkt den ganzheitlichen „Wabi-Sabi“-Einfluss auf das Fahrzeug. Denn die Materialien verändern sich mit zunehmendem Alter und bei Gebrauch.

Unter dem Reserverad im Kofferraum befindet sich eine japanische Tatami-Matte. Diese Matten aus Reisstroh sind ein klassisches Element der japanischen Architektur und werden meist als Bodenbelag in Wohnräumen verlegt. Durch das Verbinden von Autoinnenraum und Innenarchitektur drückt der Künstler seine Bewunderung für „Omotenashi“ aus. Wie „Wabi Sabi“ ist diese Philosophie leichter zu erleben als zu erklären: ihre Elemente sind Wärme sowie das Einladen anderer Menschen zu sich nach Hause.

Über Daniel Arsham

Daniel Arsham wurde am 8. September 1980 in Cleveland (Ohio) geboren und wuchs in Miami (Florida) auf. Als ikonischer Künstler unserer Zeit haucht Arsham dem Alltag neues Leben ein. Er experimentiert strukturell, um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in unerwarteter Form zu verbinden. Seine Arbeit ist durch subtile Veränderungen gekennzeichnet, insbesondere, wenn er Gegenstände miteinander verschmelzen lässt, um bekannte Strukturen zu transformieren. Der 356 Bonsai ist Arshams drittes Projekt mit einem Fahrzeug des Zuffenhausener Sportwagenherstellers. Porsche Japan plant, das Fahrzeug Ende des Jahres in Tokio auszustellen.

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