Als grosse Erleichterung für die Piloten entpuppte sich das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe, kurz PDK, das 1984 erstmals im 956 zur Erprobung in Imola im Rennen eingesetzt wird. Stuck war einer der eifrigsten Testfahrer: „Für mich war es eine fantastische Erfahrung, das PDK kennenzulernen,“ sagt ‚Striezel‘ heute. „Von der ersten Runde an in Weissach erwies es sich als Vorteil, auch wenn die Rundenzeiten zuerst wegen des Mehrgewichtes etwas langsamer waren. Beim Hochschalten musste man nicht mehr vom Gas gehen, man blieb einfach drauf. Und man konnte sich nicht mehr verschalten. Zuerst mussten wir mit einem normalen Schaltstock die Gänge wechseln, der nach vorne gedrückt oder nach hinten gezogen wurde. Bald darauf gab es zwei Knöpfe auf dem Lenkrad, oben zum Hochschalten, unten zum Runterschalten. Dann konnte man in den Kurven sogar die Hände am Steuer lassen. Allerdings blieb das Lenken ohne Servolenkung kräftezehrend. Es gab auch mal eine Idee, eine Lenkhilfe einzubauen. Bott sagte damals nur, dass wir Jungs lieber mal etwas mehr die Arme trainieren sollten.“

956-002 LH (1982), 2022, Porsche AG

Derek Bell blieb zunächst skeptisch, was die neue PDK-Technik anging. Er zweifelte an der Zuverlässigkeit der Doppelkupplung bei Langstreckenrennen und die Anzahl der Stopps, um neue Antriebswellen einzubauen. „Porsche hat mich allerdings gelehrt: Jedes Rennen bedeutet ein Schritt in der Entwicklung. Und es klappte, denn die Verantwortlichen mussten die Technik und das Rennergebnis schliesslich vor ihren Chefs am Montagmorgen verantworten. Je öfter wir es nutzten, umso besser wurde es.“ Stuck hatte dagegen keine Bedenken – was mit seinen Tests zu tun hatte: „Oft bin ich drei oder vier Stints mit PDK in Weissach gefahren, dann war der Tank leer. Er wurde aufgefüllt, und die Sicherheitsleute blieben noch da, aber die Mechaniker machten Feierabend. Ich fuhr noch einmal den Tank leer, stellte den Wagen in der Garage ab, machte die Tür zu und fuhr nach Hause. Fantastisch.“

Implementierung des PDK

Jochen Mass musste sich zunächst an die neue Technik gewöhnen: „Immerhin bedeutete ein PDK 15 Kilogramm Mehrgewicht. 15 Kilogramm machen unglaublich viel aus in Sachen Handling. Denn wo immer Du es auch verbaust, das Auto wird dadurch ein bisschen langsamer.“ Das fertige PDK, das nun nicht mehr zu viel Leistung vom Motor benötigte, mit dem die Rundenzeiten bei den Tests nun schneller waren als ohne und das sich schliesslich auch noch als zuverlässig erwies, zog 1986/1987 in die Gruppe-C-Rennfahrzeuge von Porsche.

Eine IMSA-Reglementänderung machte ab 1984 aus dem 956 einen 962. Mass erklärt: „Der 962 besass einfach nur mehr Platz für die Beine des Fahrers, um die Gliedmassen im Falle eines Unfalls etwas besser zu schützen.“ Norbert Singer wird genauer: „Beim 962 haben wir die Vorderachse zwölf Zentimeter nach vorne versetzt. Das Layout war gleich, nur der vordere Überhang kürzer. Es war aber ein bisschen Arbeit, um wieder die gleiche Downforce vorne zu erhalten.“

Die Lebenszeit der 956/962 war so lang, dass auch noch der spätere DTM-Star Bernd Schneider Anfang der 1990er-Jahre Einsätze in einem 962 fuhr. „Das Auto passte auf Anhieb zu meinem Fahrstil,“ sagt Schneider heute. „Wir hatten inzwischen aber zum Glück schon elektronische Systeme zum Spritsparen. Ich musste keine Zettel aufs Lenkrad kleben. Uns standen zweitweise bis zu 900 PS zur Verfügung. Für mich war besonders der Ground Effect toll. Ich kam aus der Formel 1, aber in der Zeit waren die Motoren nicht so stark, deswegen gab es dort auch nicht viel Downforce. Als ich in den Porsche stieg, war das unglaublich: In den schnellen Kurven in Spa wie die Eau Rouge sind wir 1990 mit Qualifikationsreifen und im Qualifying-Mode Vollgas gefahren.“

Am Ende seiner erfolgreichen Zeit wurde der 962 schliesslich noch zum Kuriosum – denn der Prototyp mutierte zum GT-Racer. Ab 1993 verdrängten GT-Autos die Sportwagen der Gruppe C – auch in Le Mans. Singer: „Zu jener Zeit stattete Jochen Dauer Porsche einen Besuch ab. Er besass mehrere 962-Rennwagen, allerdings konnte er sie nun nicht mehr einsetzen. Er bat darum, dem 962 zu einer Strassenlizenz zu verhelfen. Zuerst lehnte Porsche ab, aber als McLaren den F1 mit Formel-1-Technik, drei Sitzen, Kofferraum und Strassenzulassung anbot, nahm man einen 962 und baute ihn zum Strassenwagen mit einer Karosserie von Dauer um. In Le Mans durfte er genau ein einziges Jahr teilnehmen, nämlich 1994 – und wir haben das Rennen gewonnen.“

Bevor die Rennfahrer ein letztes Mal in Leipzig einsteigen, resümiert Timo Bernhard: „Ich habe heute nur strahlende Gesichter gesehen. Und dass Porsche diese Rennwagen noch immer so präsentieren kann, ist der Kompetenz und der Leidenschaft des Teams rund um den historischen Motorsport zu verdanken.“ Und damit dreht Langstrecken-Weltmeister Bernhard auf dem werkseigenen Rundkurs in Leipzig noch einmal zusammen mit den ehemaligen Rennfahrern letzte Runden in den 956/962. Als sie letztmalig aussteigen, zeigt sich Bernhard, der im 962-006 von 1987 Bernd Schneider im 962 IMSA aus dem Jahr 1984 folgte, fast aus dem Häuschen: „Bernd, bei Dir schlugen richtig Flammen aus dem Auspuff.“ In den Gruppe-C-Rennwagen und den Piloten von einst steckt eben noch mächtig Feuer.

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