Lutz Meschke, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Porsche AG und dort für Finanzen und IT verantwortlich, ist seit diesem Jahr zudem Aufsichtsratschef der Handelshochschule Leipzig (HHL). In einem aktuellen Online-Grusswort an HHL-Alumni, von denen viele selbst in die Führungsetagen von Unternehmen aufgestiegen sind, appelliert er an sie, sich politisch klarer gegen die populistischen Feinde der Demokratie zu stellen.
Herr Meschke, Sind Ihnen die deutschen Führungskräfte zu leise?
Lutz Meschke: Ich würde mir wünschen, dass sich Manager viel öfter und mutiger in öffentliche Diskussionen einbringen. Wir leben in einer Zeit, in der unsere Demokratie und damit unser Rechtsstaat zunehmend kritisiert werden. Da sollte man die Stimme erheben und für unsere Werte eintreten, Haltung zeigen. Die demokratischen Prozesse mögen vielleicht manchmal mühsam sein, und natürlich bin auch ich mit mancher Entscheidung nicht zufrieden. Aber Demokratie mit sozialer Verantwortung ist für mich das mit Abstand beste politische System. Dabei sollte natürlich niemand hintenan gelassen werden. Wer in Deutschland behauptet, er lebe in einer Diktatur und das System gehöre abgeschafft, lässt einfach nur Luft ab, dabei ist es Zeit, Verantwortung zu übernehmen. Apropos: In fünf Monaten ist Bundestagswahl, und ich appelliere an alle Bürger, gehen Sie zur Wahl und fallen Sie nicht auf Populisten oder Verschwörungstheoretiker herein, die vermeintlich einfache Lösungen anbieten und Andersdenkende zum Schweigen bringen wollen.
Warum sind Führungskräfte besonders gefordert – mehr noch, als sie es als Bürger eigentlich ohnehin schon sind?
Meschke: Zunächst einmal würde ich mir wünschen, dass generell viel mehr Menschen klare Kante zeigen. Denn meistens ist es leider so, dass eine kleine Minderheit die Diskussionen beherrscht. Nur, weil sie lauter oder besser organisiert ist. Hier muss die schweigende oder leise Mehrheit inhaltlich dagegenhalten. Und hier sollten Führungskräfte – oder anders gesagt: Leistungsträger – als Vorbild fungieren. Das können natürlich auch Persönlichkeiten aus dem Sport oder anderen Bereichen sein. Top-Manager in global agierenden Unternehmen haben eine ganz andere Perspektive: Sie sind global aktiv, während Staaten eher lokal fokussiert sind. Deshalb macht es Sinn, wenn Unternehmensvertreter zunehmend Verantwortung übernehmen. Sie blicken in andere Systeme und Staaten, sind täglich mit vielen Menschen verschiedenster Herkunft, aus allen möglichen Berufsgruppen und vielen sozialen Schichten in Kontakt. Das heisst nicht, dass Führungskräfte automatisch demokratisch legitimierte Meinungsführer sind – aber immerhin, dass sie in ihrer Tätigkeit von Haus aus diverse Ideen, Hintergründe und Meinungsbilder integrieren müssen. Wieso sollten also grosse Unternehmen nicht auch ihren Beitrag zur globalen Diskussion leisten? Ich sage sogar: Sie müssen.
Muss ein Firmenchef dabei in Kauf nehmen, Kunden zu verprellen?
Meschke: Ich sehe es so: Wer seine Werte kommuniziert und sich für die Gesellschaft einsetzt, der wird auch eine stabile Basis an Kunden haben. Wichtig ist, dass man zeigt, für welche Werte das Unternehmen steht, und welche Werte die Führungskraft hat. Es gibt wissenschaftliche Studien, wonach immer mehr Mitarbeiter solch klare Aussagen ihrer Chefs sehr gut finden und zunehmend auch erwarten. Ähnliches gilt in ersten analysierten Fällen auch für Kunden. Spannenderweise sind es hier insbesondere die Jüngeren, etwa die Millenials, die erwarten, dass Manager ihr politisches Umfeld aktiv und öffentlich mitgestalten – statt sich treiben zu lassen. Hier bewegt sich einiges. Und das ist gut so.
Die Themen der Populisten sind ein Stück weit austauschbar: Geflüchtete, Klimawandel, Corona zum Beispiel. Wie ist dazu Ihre eigene Haltung?
Meschke: Bei allen halbwegs vernünftigen Menschen gibt es zu den Themen Corona und Klimawandel im Grundsatz doch keinen Zweifel – auch wenn man über die eine oder andere Entscheidung der Politik diskutieren kann. Auch beim Thema Zuwanderung müsste sich die Wirtschaft noch viel deutlicher positionieren. Stichwort Fachkräftemangel und Überalterung des Rentensystems. Deshalb mache ich hier eine klare Ansage: Deutschland braucht Zuwanderer. Diese müssen wir richtig integrieren und sie sich wiederum auch. Und jeder Europäer, der über Flüchtlinge schimpft, kann ja mal in sich gehen und überlegen, warum er sich an Weihnachten beschenken lässt. Weil vor 2021 Jahren in einem Stall in Bethlehem ein Kind auf die Welt gekommen ist. Die Eltern waren zuvor von vielen Menschen abgewiesen worden, obwohl Maria hochschwanger war. Auch Jesus war ein Flüchtling.
Als Marke steht Porsche eher für Lebensfreude und Hedonismus als für Verzicht. Passt das damit zusammen, dass der Mensch den Klimawandel verursacht?
Meschke: Wieso macht Klimaschutz keinen Spass? Wieso denken Sie, dass man verzichten muss? Man muss neu gestalten. Ich halte nichts davon, die Lebensfreude und Innovationskraft der Industrie gegen den Klimaschutz in Position zu bringen. Wir wollen aufzeigen, wie der Weg aussehen kann. Dafür sind wir angetreten. Aber Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: Die Marke Porsche muss sozial akzeptabel bleiben – in einem gesellschaftlichen Umfeld, das sich stark wandelt. Nachhaltigkeit wird zunehmend zur harten Währung. Und das ist gut so. Das Thema steht bei unserer neuen Strategie 2030 ganz oben. Wir haben uns bei Porsche sehr ehrgeizige Ziele gesetzt: Wir wollen bis 2030 bilanziell CO₂-neutral sein – über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Unsere Standorte in Stuttgart und Leipzig produzieren bereits CO₂-neutral. Wir drehen jeden Stein um. Nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Lieferkette. Und unser im März vorgestellter Taycan Cross Turismo ist das erste Fahrzeug, das in der gesamten Nutzungsphase CO₂-neutral sein wird.
Porsche finanziert an der HHL einen Lehrstuhl, und nun sind Sie seit diesem Jahr Aufsichtsratsvorsitzender der Hochschule. Wie frei bleiben da Forschung und Lehre?
Meschke: Total frei. Das muss auch so sein. Diese Diskussion haben wir schon bei der Kunstförderung geführt. Wir setzen unsere Kompetenzen und unsere Unterstützung dafür ein, die Kunstfreiheit zu ermöglichen. Gleiches gilt für die Forschung. Mir ist die grosse Linie viel wichtiger, die ich gemeinsam mit dem divers besetzten Aufsichtsrat und den anderen Gremien vorantreiben will. Der Porsche-Lehrstuhl an der HHL heisst ja „Strategisches Management und Entrepreneurship im digitalen Zeitalter“. Es geht uns um die Förderung des Zukunftsthemas Digitalisierung. Sie wissen ja, dass Deutschland hier grossen Nachholbedarf hat und aufpassen muss, nicht abgehängt zu werden. Wir wollen niemandem Vorschriften machen, sondern gemeinsam etwas bewegen und voranbringen. Natürlich wertebasiert.
Info
Text erstmals erschienen in der Leiziger Volkszeitung.
Das Interview führte Mathias Wöbking.
Dieser Beitrag wurde vor dem Start des Porsche Newsroom Schweiz in Deutschland erstellt. Die genannten Verbrauchs- und Emissionsangaben richten sich daher nach dem Prüfverfahren NEFZ und wurden unverändert übernommen. Alle in der Schweiz gültigen Angaben nach WLTP-Messzyklus sind unter www.porsche.ch verfügbar.