Wir sprachen mit Pablo Kern von Meyle+Müller, Philipp Bauknecht von medialesson und Sebastian Reher von Porsche über diese einzigartige Zusammenarbeit, deren Hintergründe und natürlich über das Ergebnis.


Herr Reher, wie kann man sich den „traditionellen“ Designprozess bei Porsche vorstellen und wie haben sich die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren geändert?

Sebastian Reher, 2019, Porsche AG

Reher: Nach wie vor werden bei Porsche durch Handarbeit und mit viel Liebe zum Detail neue Fahrzeugdesigns – sowohl im Exterieur als auch im Interieur – an physischen Modellen dargestellt, verfeinert und bis zur Serienreife gebracht. Dieser iterative Prozess, der sich über mehrere Monate erstreckt, beinhaltet aber ebenso eine digitale Repräsentation der Modelle. Teils parallel, teils abwechselnd wird das Design am physischen Modell oder in der digitalen Welt weiterentwickelt. Durch moderne Fräs- und Scantechniken werden digitale Daten auf die physischen Modelle übertragen oder von diesen ins Digitale zurückgeführt.

Porsche hat über die letzten Jahre sein Produktportfolio stark ausgebaut, die Zahl der Derivate und die Anzahl der wählbaren Optionen sind stetig gestiegen. Um dem sehr hohen Qualitätsanspruch im Design weiterhin Rechnung tragen zu können, haben wir unter anderem bereits vor 15 Jahren begonnen, den gesamten Designprozess auch virtuell zu begleiten und die Entscheidungssicherheit durch möglichst realistische Visualisierungen zu erhöhen. So lassen sich heute Entscheidungen rein virtuell treffen, sofern kein oder noch kein Modell vorhanden ist, was besonders in der frühen Designphase die Iterationsgeschwindigkeit deutlich erhöht.

Wann entstand schliesslich das Bedürfnis, diesen Prozess neu zu definieren?

Reher: Das Design steht nie still. Nicht nur unsere Produkte und Prozesse haben sich kontinuierlich weiterentwickelt, neben qualitativer Verbesserung der virtuellen Darstellung haben wir auch stets ein Auge auf neue Technologien und Methoden. So haben wir früh die Vorteile von Virtual Reality erkannt und mit den sogenannten „VR-Brillen“ diese Technologie in unsere tägliche Arbeit integriert.

Wie sind Sie dann darauf gekommen, die Lösung in der Mixed Reality zu suchen?

Reher: Nach Virtual Reality könnte man meinen, dass Augmented Reality oder das noch breiter gefasste Feld der Mixed Reality der nächste logische Technologieschritt ist. Für uns ist jedoch nicht die Technologie an sich relevant. Der Fokus liegt stets darauf, wie wir unsere Arbeitsabläufe weiter optimieren können und wie uns in diesem Fall das Thema AR helfen kann. Die Idee war, die physischen Designmodelle durch virtuelle Darstellungen zu vervollständigen und durch Überlagerung beispielsweise Scheinwerferinnenleben oder Technikteile, die sich unter der Aussenhaut verstecken, sichtbar zu machen.

Auf diese Weise lassen sich fehlende Bauteile am physischen Modell, die nur mit hohem Kosten- und Zeitaufwand real darstellbar wären, virtuell hinzufügen, mit allen Freiheiten, die die virtuelle Darstellung bietet. Geometrische Varianten oder unterschiedliche Farbgebung lassen sich ebenso leicht darstellen wie komplexe Animationen – beispielsweise unsere adaptive Aerodynamik. Und auch zusätzliche Metadaten wie die Fahrzeugabmessungen lassen sich so passgenau überblenden.

Herr Bauknecht, welche Unternehmen wenden sich typischerweise an Sie und was wird am häufigsten nachgefragt?

Philipp Bauknecht, medialesson, 2019, Porsche AG

Philipp Bauknecht: Unsere Kunden sind Unternehmen und Institutionen unterschiedlicher Branchen und Grössen, von Global Playern wie Porsche, Microsoft oder die Telekom bis zu mittelständischen und hochspezialisierten Weltmarktführern wie Balluff. Unsere Mission ist es, unsere Kunden bei der Digitalen Transformation ihrer Geschäftsmodelle, Produkte und Prozesse durch Beratung, Strategie, Design, Entwicklung, Training und Betrieb mit Cutting Edge-Technologien als echter Partner zu unterstützen. Die Anwendungsfelder von Mixed Reality sind dabei vielfältig. Im Automotive-Bereich sind neben der Visualisierung von 3-D-Daten für Design und Entwicklung ebenso Anwendungen für Marketing und Vertrieb interessant. Auch in der Qualitätssicherung der Produktion und im Training für Servicemitarbeiter lassen sich grosse Effizienzpotentiale heben. Mixed Reality ist dabei nicht nur für grosse Unternehmen relevant, sondern bietet insbesondere im Mittelstand Chancen zur Differenzierung im Markt.

Wie hat sich die Technologie in den vergangenen Jahren entwickelt und was können wir kurz- und mittelfristig von den Anwendungen erwarten?

Bauknecht: Der Begriff Mixed Reality wurde von Microsoft geprägt, die 2015 mit der ersten Generation der HoloLens, zunächst als Entwicklerversion, die erste AR-Brille auf den Markt brachten. Seitdem entwickelt sich die Plattform rasant weiter. 2018 trat mit Magic Leap ein spannender Mitbewerber in den Markt, und in diesem Jahr stellte Microsoft die lang erwartete zweite Generation der Brille vor. Bei der Weiterentwicklung der Technologie spielen vor allem die Verbesserung und Balance aus einem immer grösseren Sichtfeld, der bessere Komfort für eine immer längere Nutzung und die Steigerung der Darstellungsleistung eine Rolle. Die in diesem Jahr vorgestellte zweite Generation der HoloLens übertrifft in diesen drei Bereichen die ersten HoloLens bereits deutlich und bietet daneben auch eine dramatisch intuitivere Nutzung durch Hand- und Augenerkennung sowie einen eingebauten Chip für Künstliche Intelligenz, beispielsweise, um Objekte erkennen und klassifizieren zu können.

Warum hat sich Meyle+Müller für medialesson als IT-Partner entschieden?

Pablo Kern, Meyle+Müller, 2019, Porsche AG

Pablo Kern: Der Hauptgrund war erst einmal, dass wir uns fachlich ideal ergänzen. Unsere Partnerschaft hat sehr von der Kombination unserer Kompetenzen profitiert. Gemeinsam mit medialesson konnten wir nicht nur den Bereich 3-D-Daten und CGI (Computer Generated Imagery) komplett abdecken, sondern gleichzeitig auch eine komplexe Software-Entwicklung leisten, wobei der Anspruch an die Durchführung des gesamten Projekts sehr hoch war. Einer der wichtigsten Aspekte unserer Zusammenarbeit war aber die gemeinsame Vision aller Beteiligten, die uns jeden Tag aufs Neue motiviert hat, unser Ziel zu erreichen.

Herr Kern, worin genau bestand die Aufgabe von Meyle+Müller bei diesem Projekt?

Kern: Der enge und sehr produktive Kontakt miteinander war von Anfang an da, und so waren wir bereits mit bei der Entstehung der Vision und der Konzeption der Inhalte des Projekts gemeinsam mit medialesson und Porsche eingebunden. Während der ganzen Zeit waren wir immer mit beteiligt an der kontinuierlichen Abstimmung, um Bedürfnisse und Nutzen stets agil mit dem Konzept abzugleichen. Daneben waren auch das Key Account Management und die Machbarkeit innerhalb des Budgets und der Zeit zentrale Aufgaben während des gesamten Projekts. Unser wichtigster Beitrag war aber sicherlich unsere Fähigkeit, mit Daten zu arbeiten, die der strengen Geheimhaltung unterliegen. Dank unserer langjährigen Erfahrung mit CGI in den Bereichen Automotive und Industrie war das in diesem Projekt sicherlich unsere absolute Kernkompetenz.

Was waren dabei die grössten Herausforderungen?

Kern: Eine Technologie kann nur so erfolgreich sein wie ihre Benutzerfreundlichkeit. Die neueste Innovation bringt nichts, wenn sie von den Nutzern in der Praxis nicht akzeptiert wird. Das heisst konkret in diesem Projekt, dass projizierte Objekte fotorealistisch und exakt auf das Modell abgebildet werden müssen, denn nur mit einem perfekten erlebten Ergebnis lassen sich im Designprozess auch tatsächlich Entscheidungen treffen. Dabei muss gleichzeitig darauf geachtet werden, dass trotz dieser hohen Ansprüche an die Technologie und der extrem hochauflösenden 3-D-Modelle von Porsche mit einem minimalen Datenaufkommen gearbeitet werden kann.

Bauknecht: Ich sehe das ähnlich – für uns lag die grösste Herausforderung des Projekts in der Kombination aus realen, physischen Objekten mit digitalen, holografischen Inhalten. So wurden beispielsweise die Scheinwerfer eines Autos digital an einem Clay-Modell angebracht. Es ist eine enorme Präzision nötig, damit die Hologramme stabil positioniert werden können.

Herr Kern, konnten Sie von Ihrem Know-how im Bereich der Medienproduktion für das Porsche-Projekt profitieren?

Kern: Absolut! Wir arbeiten bereits seit einigen Jahrzehnten mit einem grossen Mitarbeiterstamm im Automobilsektor und sind es daher gewohnt, mit solch komplexen Daten umzugehen. Hinzu kommt, dass unser Anspruch immer der war, „best in class“ zu sein. Ich denke, dass wir nur durch diese Erfahrung und unsere Motivation dazu imstande waren, ein so innovatives und bislang einzigartiges Projekt überhaupt mit unseren Partnern medialesson und Porsche auf die Strasse zu bekommen.

Im November 2018 fand für diese Zusammenarbeit ein Hackathon statt. Was haben Sie sich von diesem Event erhofft und was ist dabei herausgekommen?

Bauknecht: Wir veranstalten bei medialesson regelmässig Hackathons, um neue Impulse und Ideen gemeinsam mit unseren Kunden zu generieren. Wir empfinden den offenen Austausch von Know-how, Ideen und Kontakten in der Entwickler-Community und mit anderen Unternehmen als grossen Gewinn für alle Beteiligten. Dabei war der Hackathon, den wir gemeinsam mit Porsche, Microsoft und Meyle+Müller veranstaltet haben, keine Ausnahme. Neben spannenden Ideen und beeindruckenden Prototypen fand ein reger Austausch statt, und es konnten viele neue Kontakte geknüpft werden.

Kern: Der Hackathon war ein lang gehegter Traum, den wir in dieser Konstellation angestrebt haben. Unser Ziel war, noch weiter an die aktuellen Grenzen des Machbaren zu gelangen und Inspiration und praktikable Ansätze daraus zu schöpfen. Mit den Anreizen von Preisen, einem coolen Thema und einer tollen Location haben wir letztlich mehr aktive Teilnehmeranmeldungen erhalten, als wir gehofft hatten. Ausserdem waren einige Experten unserer Kunden vertreten und haben kräftig mitgefiebert und Ideen mit in die Teams gebracht. Für die Ausrichter, neben medialesson und Meyle+Müller übrigens auch offiziell Microsoft und Porsche, waren diese Plattform und Zusammenkunft einmalig und hat allen Beteiligten sehr viel gebracht, auch in Bezug auf potentielles Recruiting, Inspiration und Marketing in der Öffentlichkeit.

Reher: Wie bereits erwähnt, ist die Technologie für sich nicht die Lösung, es kommt auf die Anwendungsfelder und vor allem die Menschen an, die neue, spannende Wege finden, diese Technologie einzusetzen. Daher hielten wir einen Hackathon in einem kreativen Umfeld für eine gute Chance, an diesem spannenden Themenfeld weiterzuarbeiten.

Erzählen Sie uns bitte mehr über die Zusammensetzung der jeweiligen Teams und die Zusammenarbeit während des Events.

Kern: Trotz oder gerade wegen der grossen Unterschiede zwischen den drei Firmen, beispielsweise in Bezug auf die grundsätzliche Ausrichtung, Grösse und Erfahrung in diesem Gebiet, hat sich für das Gesamtprojekt eine perfekte Ergänzung ergeben, und es ist innerhalb einer eigenen Dynamik ein absolut harmonisches Team entstanden, das auf Augenhöhe und gemeinschaftlich an dem einen Ziel gearbeitet hat. Diese Dynamik hatte sich auch während des Hackathons gezeigt, wo ja wirklich ganz unterschiedliche Persönlichkeiten aufeinandergetroffen sind.

Bauknecht: Die meisten Teams haben sich spontan vor Ort gebildet und waren sehr divers besetzt. Wir hatten einige internationale Teilnehmer, Software-Entwickler, Designer und Vertreter unterschiedlichster Unternehmen, die interdisziplinär und unternehmensübergreifend gearbeitet haben.

Reher: Erfreulicherweise herrschte eine sehr offene, kollaborative Stimmung, sodass sich spontan einer unserer Kollegen entschieden hat, sich einem Team anzuschliessen und an deren Konzept mitzuarbeiten. Am Ende des Projekts wurden einige sehr spannende Funktionen auf Basis von Mixed Reality realisiert, wie etwa die 3-D-Sprachnotizen oder der Röntgenblick.

Auf welche Funktionen sind Sie besonders stolz?

Kern: Ich bin vor allem auf die allgemeine Qualität und die realitätsnahe Visualisierung der Use Cases stolz. Jeder für sich sticht dabei besonders heraus und bietet Mehrwerte, die ohne diese Technologie so nicht zu erreichen wären.

Bauknecht: Als Software-Entwickler ist für uns die einfache und markerfreie Erkennung der Fahrzeuge durch Künstliche Intelligenz und die darauffolgende präzise Positionierung der Hologramme die grösste Leistung und gleichzeitig die Basis für alle fachlichen Anwendungsfälle.

Wo denken Sie, wird die neue Technologie in Ihrem Designprozess in Zukunft die meisten Vorteile bringen, Herr Reher?

Reher: Den grössten Vorteil erwarte ich im Schliessen der Lücke zwischen der realen und virtuellen Welt. Informationen virtuell dort zu ergänzen, wo sie benötigt werden, und im richtigen Kontext anzuzeigen, ermöglicht es uns zukünftig, unsere Designmodelle weiter aufzuwerten. Eine Besprechung muss dann nicht zwischen Modell und Präsentationsbildschirm hin und her wechseln, sondern alle relevanten Informationen können an einer Stelle angezeigt werden.

Was nehmen Sie persönlich aus diesem Projekt mit?

Reher: Durch die hervorragende Zusammenarbeit mit Meyle+Müller und medialesson konnten wir viele neue Einblicke in diese noch recht junge Technologie erhalten, sodass ich mich auf weitere spannende Projekte in der Zukunft freue.

Kern: Dass sich Neugierde, Zusammenhalt und Geduld immer auszahlen. Mit dem Vorstoss innovativer Themen, die man einfach mutig anpackt und vollzieht, entstehen ganz neue Chancen und Möglichkeiten, die letztlich alles pushen und das Handeln verändern. Porsche hat uns diese Bühne und Möglichkeit überhaupt erst ermöglicht und ist noch dazu zum gleichwertigen Partner und Akteur geworden, was man so im Vorfeld sicherlich nicht hätte erwarten können.

Bauknecht: Innovationen lassen sich am besten in einer offenen und inspirierenden Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern entwickeln. Wir haben Porsche als herausfordernden, agilen und partnerschaftlichen Kunden erlebt. Unsere über viele Jahre bewährte Partnerschaft mit Meyle+Müller hat es uns erlaubt, nicht nur Exzellenz in der Software-Entwicklung zu erreichen, sondern eine ganzheitliche Lösung mit hochwertigen 3-D-Daten zu erstellen.

Pablo Kern

Pablo Kern ist seit 2008 bei Meyle+Müller und seit 2012 als Prokurist fester Bestandteil des Führungsteams. Neben seiner operativen Sales-Verantwortung ist er viel bei Kunden oder auf Veranstaltungen unterwegs, denn neben seiner Führungsaufgabe kümmert er sich auch um die Neukundengewinnung und Betreuung zahlreicher Kunden im In- und Ausland.

Philipp Bauknecht

Philipp Bauknecht ist Gründer und CEO der medialesson GmbH. In dieser Rolle hilft er Kunden bei Design, Architektur, Entwicklung und Betrieb von modernen und einfach nutzbaren Anwendungen auf jeder Plattform zusammen mit seinem Team. Seit 2017 ist er ausserdem Microsoft Regional Director.

Sebastian Reher

Sebastian Reher ist Leiter VR Präsentationen im Design der Porsche AG, wo er insbesondere im Bereich Emerging Technologies tätig ist. Nach seinem Studium der Medieninformatik arbeitete er als Visualisierungsspezialist bei der RTT AG in München, bevor er 2011 zu Porsche kam.

Info

Text erstmalig erschienen in Produktkulturmagazin, Ausgabe Q2 2019

Dieser Beitrag wurde vor dem Start des Porsche Newsroom Schweiz in Deutschland erstellt. Die genannten Verbrauchs- und Emissionsangaben richten sich daher nach dem Prüfverfahren NEFZ und wurden unverändert übernommen. Alle in der Schweiz gültigen Angaben nach WLTP-Messzyklus sind unter www.porsche.ch verfügbar.

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Verbrauchsangaben

718 Cayman S

WLTP*
  • 10,3 – 9,6 l/100 km
  • 235 – 217 g/km

718 Cayman S

Kraftstoffverbrauch / Emissionen
Kraftstoffverbrauch kombiniert (WLTP) 10,3 – 9,6 l/100 km
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 235 – 217 g/km
Effizienzklasse: G