Das algarveblaue Cayenne S Coupé wirkt wie falsch abgebogen. Blitzeblank poliert und anmutig steht es vor dem Werkhof des Forstbetriebs im Sihlwald am Zürichsee. Ausfahrbarer Heckspoiler, schier frisch in Klarlack getunkte 22-Zoll-Räder, beige-schwarzes Glattleder. Gelinde gesagt ein Kontrast zu den hier üblichen Fahrzeugen, welche eher durch Funktionalität denn durch Optik glänzen: abgewetzte Metall-Pritschen, grobstollige Offroad-Reifen und funktionell-kratzige Stoffsitze – das ist Forstwirtschaft. Es riecht nach Holz, Diesel und Hydrauliköl.
Wenig überraschend fällen Oberförster Marco und seine Männer schnell ihr Urteil: Hübsch anzuschauen, ja, und auch der Klang des Achtzylinders gefällt. Für Feierabend und Wochenende bestimmt ein Traum. Aber im Dienst? Wohl kaum. Oder etwa doch? Verfahren hat sich der Cayenne nämlich nicht. Er ist hergekommen, heute mitanzupacken im Sihlwald, um aufzuräumen – im Forst und mit Vorurteilen.
Genial im Detail
Auf Marcos To-do-Liste steht heute das Mähen einer abschüssigen Wiese. Dafür muss die mehr als 600 Kilogramm schwere Mähmaschine per Anhänger an Ort und Stelle transportiert werden. Es braucht also Zugkraft, Traktion und Bodenfreiheit.
Die Arbeiter tasten erwartungslos ins hintere Radhaus: 285er-Contis mit viel Fläche und wenig Kanten – gemacht zum Kleben in der Kurve und für über 270 km/h. Stollen findet man hier keine. Dafür unterstützen automatische Sperrdifferenziale in der Mitte und hinten auf der Suche nach Haftung. Für mehr Bodenfreiheit hievt die Luftfederung den Cayenne auf bis zu 237 Millimeter über Null. Im Sondergelände-Modus klettert das schnittige Coupé also auf Augenhöhe mit gängigen Arbeits-Pick-ups. Gleiches gilt für die Anhängelast: 3,5 Tonnen weisen die Daten aus, das gesetzliche Maximum für Personenwagen. Und siehe da: Die Skepsis der Runde beginnt zu bröckeln.
Per Knopfdruck im Kofferraum legen wir nach: Elektrisch und mit geradezu verheissungsvoller Langsamkeit schwenkt unsere Anhängerkupplung ans Licht – bislang gänzlich versteckt. „Das ist genial gemacht“, staunt Oberförster Marco. Denn: Der Stecker für die Stromversorgung des Hängers und die Öse für dessen Sicherungsleine sind in die Kupplung integriert. Keine Selbstverständlichkeit. Beides lässt sich an manch anderer Zugmaschine nur ertasten, will man sich nicht auf den Boden legen, um hinter die Stossstange zu blicken. So aber sind Porsche und Hänger im Nu verkuppelt.
Forstarbeit braucht Zugkraft
Anhänger und Mähmaschine bringen zusammen rund 1,5 Tonnen auf die Waage. Es regnet leicht, wie schon in der Nacht. Trotz der Bodenverhältnisse – und der Contis – zieht der Cayenne seine Last problemlos über Stock und Stein – buchstäblich. Dabei bleibt der Fahrkomfort tadellos. Eine Kombi, die gut ankommt. Denn so wird die Fahrt zum nächsten Einsatzort zur angenehmen Pause für die hart arbeitenden Förster.
Für Entspannung sorgt auch die Hinterachslenkung. Sie macht das SUV auf den engen Waldwegen wendiger. Ihretwegen lässt sich der gut 2,10 Meter breite Anhänger deutlich einfacher durch den Wald zirkeln. Ein weiterer Pluspunkt. Schicht für Schicht trägt der edle Luxusliner die gegen ihn herrschenden Vorurteile ab.
Die grösste Prüfung steht allerdings noch bevor: Wir fahren auf einen steilen Abhang zu, zunächst über einen Schotterpfad, später aber über nasse Wiese. Dort hinunter führt unser Weg. Wir wenden und beginnen, den Anhänger rückwärts in die schmale Abfahrt zu rangieren. Doch Marco stoppt uns: „Nasse Wiesen sind tückisch“, warnt er. Unter den gegebenen Bodenverhältnissen Grip zu finden, sei besonders schwierig. „Im Zweifelsfall würde ich an so einer Stelle mit Anhänger nie rückwärts einfahren. Durch das Gefälle funktioniert die Auflaufbremse des Hängers nicht. Er zieht uns ungebremst nach unten.“ Also: umdrehen.
Vorwärts hilft die Auflaufbremse des Hängers, das Gespann zu verzögern. Der Cayenne meistert die Prüfung mit Bravour. Wir laden ab – und müssen nun den leeren Hänger wieder von der Wiese runterkriegen. Sprich, denselben Weg zurück. Nachdem alles so gut geklappt hat, scheint der Porsche nun zu versagen – die Vorderachse auf Schotter, die Hinterachse noch auf der nassen Wiese. Das deutsche Performance-Gummi dreht durch.
Nur nicht aufgeben
Bestätigen sich jetzt doch die Vorurteile? Wir bleiben dran, nur nicht zu früh aufgeben. Wir nehmen noch einen Anlauf – aber nicht mit Schwung, denn das kann die Kontrolle kosten. Stattdessen Streicheleinheiten fürs Gaspedal. Die Räder beginnen erneut durchzudrehen. Und das sollen sie auch. Der Fuss bleibt drauf, denn nur so kann die Regelelektronik arbeiten. Sie spürt den Grip regelrecht auf, findet Halt und verteilt nun die Kraft über die Sperrdifferenziale sowie mittels gezielter Bremseingriffe. Und tatsächlich: Das Gespann setzt sich wieder in Bewegung. „Das hätte ich jetzt nicht gedacht“, staunt Marco. „Nicht mit diesen Reifen.“
Ein Traum-Dienstwagen
Kurz vor Feierabend, es nieselt nicht mehr. Die Wiese ist gemäht, die Mähmaschine und der Anhänger parken wieder in der Garage des Werkhofs – was der Anhänger-Rangierassistent, der per Touchscreen bedient wird, übrigens fast alleine bewerkstelligt hat. Zeit für ein Fazit.
Den anfänglichen Zweifeln an seiner Arbeitstauglichkeit setzte das Cayenne S Coupé beim Waldeinsatz so manches entgegen. Der 2002 eingeführte erste Serien-Porsche mit vier Türen nimmt das U in SUV ernst: utility, Nützlichkeit. Sogar abseits von Strassen und Alltag. Ja, er kann ordentlich zupacken, und seine glänzenden Sport Design-Rädern lassen sich waschen. Also darf er auch gern mal im Dreck wühlen. Logisch: Sein hochglänzendes Äusseres ist ein Hemmnis im Forstalltag. Mit matschigen Stiefeln in den Innenraum zu treten, das braucht Überwindung. Kratzer und Dellen gehören im Feld-, Wald- und Wieseneinsatz sowieso dazu.
Seine Meisterprüfung im Unterholz hat der Cayenne aber bestanden – und sich gehörig Respekt verschafft. Unvernünftigerweise einen Cayenne als Dienstgefährt zu fahren: für Oberförster Marco und seine Crew ein Traum.