Mit Daten auf Wolke sieben - datengestützte Entwicklung

Porsche Engineering nutzt die immer grösseren Datenmengen von Prüfständen, Simulationen und Versuchsfahrzeugen, um die Entwicklung massgeblich zu beschleunigen und auf eine breitere empirische Basis zu stellen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei Cloud-Technologie, die gleichzeitig zu einer effektiveren Nutzung der IT-Infrastruktur führt.

Früher endete eine Erprobungsfahrt, wenn das Fahrzeug in der Garage geparkt wurde. Heute geht sie sogar danach noch weiter – etwa beim Test der Fahrbereitschaft von batterieelektrischen Modellen, der auch nachts und am Wochenende durchgeführt wird. Dabei versetzt sich das Fahrzeug viele hundert Malselbstständig in den Startmodus: Temperatur, Spannung sowie Kapazität der Hochvoltbatterie werden überprüft, die Bordsysteme auf das Losfahren vorbereitet. Bei jedem Startvorgang zeichnen Datenlogger die gesamte Kommunikation im Fahrzeug auf – bis zu drei Gigabyte Rohdaten pro Test, was 40.000 E-Mails ohne Anhang entspricht. Danach gehen die Messdaten per Mobilfunk oder WLAN in die Cloud, wo sie aufbereitet und analysiert werden. All das läuft automatisch ab. „Wenn der Ingenieur oder die Ingenieurin morgens ins Büro kommt, ist eine E-Mail im Postfach, die auf die Daten und Ergebnisse des Tests hinweist“, sagt Jonas Brandstetter, Entwicklungsingenieur bei Porsche Engineering.

Schub durch die Cloud

Diese Art der datengetriebenen Fahrzeugentwicklung gewinnt rasant an Bedeutung. Bei immer mehr technischen Fragestellungen liefern umfangreiche Datenanalysen eine breitere empirische Basis und ergänzen die Erfahrung der Ingenieure. Zusätzlichen Schub bekommt die datengetriebene Entwicklung durch die Cloud, da sich mithilfe von Online-Rechenkapazitäten viel mehr Testdaten auswerten lassen. Das beschleunigt die Entwicklungsarbeit und führt gleichzeitig dazu, dass IT-Infrastrukturen effektiver genutzt werden. „Die Cloud kann in fast allen Teilbereichen einen Mehrwert liefern“, fasst Brandstetter zusammen.

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Experten schätzen, dass sich die Menge digitaler Informationen im Fahrzeug in den letzten Jahren um den Faktor zehn erhöht hat. Kommen moderne Fahrerassistenz-, ADAS und Sicherheitssysteme hinzu, steigt das Datenaufkommen erneut um den Faktor. „Was Kunden- und Erprobungsfahrzeuge in Zukunft liefern, lässt sich manuell nicht mehr verarbeiten“, sagt Daniel Schumacher, Spezialist Cloud-Architektur bei Porsche Engineering.

„Morgens ist eine E-Mail im Postfach, die auf die Daten und Ergebnisse des Tests hinweist.“ Jonas Brandstetter, Entwicklungsingenieur bei Porsche Engineering

Eine konkrete Zahl: Die Bus-Technik CAN (Controller Area Network) kommt in der ursprünglichen Version auf eine Million Bits pro Sekunde. Der Nachfolger Automotive Ethernet kann das Zehntausendfache übertragen – zehn Gigabit pro Sekunde. Das heisst, durch das Fahrzeug fliessen in 3,5 Sekunden so viele Daten, wie ein kompletter Spielfilm auf DVD benötigt. Ausserdem sprudeln die Daten aus immer mehr Quellen. Porsche Engineering hat die neuesten Versuchsfahrzeuge mit JUPITER-System (Joint User Personalized Integrated Testing and Engineering Resource) rundum mit Laserscannern ausgestattet, die in jeder Sekunde 1,5 Millionen Messpunkte erfassen.

Mithilfe der sogenannten ComBox, die sich mit wenigen Handgriffen im Fahrzeug installieren lässt, können diese und andere Informationen in Echtzeit in die Cloud übertragen werden. Eine weitere Datenquelle sind Hardware-in- the-Loop (HiL)-Systeme, in denen Teile des Fahrzeugs nachgebildet werden, zum Beispiel das Cockpit samt Kombiinstrument und Bedienelementen. Damit lässt sich das Infotainment-System eines neuen Modells testen, bevor das eigentliche Fahrzeug zur Verfügung steht.

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In der Vergangenheit wurden Daten meist vor Ort (on premise) analysiert. Die Entwicklungsingenieure übertrugen Messwerte aus den Testfahrten auf lokale Rechner und werteten sie dort aus. Die Nachteile dieses Vorgehens: Es muss viel händisch gearbeitet werden, nur Personen in der jeweiligen Abteilung haben Zugriff auf die Daten, ausserdem muss für jede Aufgabe eine eigene IT-Infrastruktur aufgebaut werden, die später unter Umständen nicht optimal ausgelastet ist.

Beide Nachteile lassen sich mit der Cloud beseitigen. Sind Daten in einen zentrale „Data Lake“ hochgeladen, können beliebig viele Entwickler darauf zugreifen –ganz gleich ob sie in Tschechien, Rumänien, China, Italien oder Deutschland arbeiten. „Das ist die ideale Plattform, um Spezialisten aus aller Welt teilhaben zu lassen“, so Daniel Meissner, Senior Spezialist IT bei Porsche Engineering. Zudem „atmen“ die externen Rechnerkapazitäten: Ganze Systeme oder Rechenknoten lassen sich je nach Aufgabe beliebig hinzufügen oder entfernen.

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Einheitliche Datenstruktur

Um die Vorteile der Cloud ausschöpfen zu können, sind allerdings Vorarbeiten nötig. „Wir müssen alle Daten in einer einheitlichen Struktur verfügbar machen“, erklärt Schumacher. In welchem Format ein Messgerät oder ein Sensor seine Daten liefert, hängt nämlich vom Hersteller und von der intern verwendeten Software ab. Zudem existieren mehrere Standards für die interne Fahrzeugkommunikation (CAN, FlexRay, Automotive Ethernet). Um die Daten von der jeweiligen Hardware losgelöst betrachten zu können, verwendet Porsche Engineering eine Art Zwischenschicht – das Robot Operating System (ROS). Dieses Programmiergerüst, das ursprünglich für Industrieroboter entwickelt wurde, stellt ein einheitliches Datenformat und Werkzeuge zur Auswertung bereit.

Anders als beim Arbeiten „on premise“ kann die Auswertung einer Testfahrt heute schon beginnen, während sich ein Fahrzeug noch auf der Strecke befindet – egal wo auf der Welt. JUPITER-Fahrzeuge etwa sind über 5G direkt an die Cloud angebunden. So kann schon während der Fahrt der erste Arbeitsschritt stattfinden, das sogenannte Pre-Processing: Man versetzt die Daten, die für den Transport komprimiert wurden, in den Ausgangszustand. Danach wird eine Auswahl getroffen – da nicht jede digitale Information für die Entwicklung einer Fahrfunktion relevant ist. Bei den eingangs erwähnten Fahrbereitschaftstests etwa selektiert ein Algorithmus diejenigen Versuche, in denen ein Steuergerät am Fahrzeugbus nicht schnell genug reagiert hat – wenn es zum Beispiel nicht in den geforderten 200 Millisekunden hochgefahren ist, sondern 400 Millisekunden benötigt hat.

„Ich sehe nur noch die ein bis zwei Fälle von 100, in denen etwas nicht optimal lief“, sagt Adalbert Rosinski, Experte für Vernetzung und Bussysteme bei der Porsche AG. Früher hätte er diese Vorauswahlzeitaufwendig selbst durchführen müssen. Ausserdem liegen viel mehr Daten vor, seit die Versuche automatisch durchgeführt und vorausgewertet werden. „Die Zahl der Testfälle hat sich um den Faktor 20 bis 30 erhöht“, schätzt Rosinski. So steigt die Chance, Optimierungspotenziale zu entdecken.

„Was Kunden- und Erprobungsfahrzeuge in Zukunft liefern, lässt sich manuell nicht mehr verarbeiten.“ Daniel Schumacher, Spezialist Cloud Architektur bei Porsche Engineering

Auswertung mit Machine Learning

Neben den Daten müssen auch die Analysewerkzeuge, mit denen die Entwickler bisher lokal gearbeitet haben, in die Cloud überführt werden. Dieser Schritt ist meist mit dem grössten Aufwand verbunden. „Bei der Umformung in Code arbeiten wir intensiv mit dem jeweiligen Fachbereich zusammen“, berichtet Schumacher.

Typisch für die Automobilentwicklung ist zum Beispiel eine Schwellenwert- oder Kennlinienanalyse, bei der eine Software eine Zeitreihe untersucht und Bereiche markiert, in denen die Daten ein kritisches Niveau erreicht haben. Daneben verbreitet sich zunehmend die Auswertung mithilfe von Machine Learning: Ein Algorithmus wird mit grossen Realdatensätzen gespeist und lernt von selbst, kritische Momente zu erkennen. Beide Analysemethoden lassen sich problemlos in die Cloud übertragen. Um eine Analyse parallel auf mehreren Rechnern durchführen zu können, muss die Arbeit in kleine Pakete aufgeteilt werden – Fachleute sprechen davon, sie cloudfähig zu machen.

Eine achtstündige Erprobungsfahrt zum Beispiel wird in Abschnitte von jeweils einer Stunde unterteilt. Die Messdaten verschnürt man zusammen mit dem Analysecode zu Paketen; diese sogenannten Container lassen sich dann an virtuelle Maschinen im Netz verteilen. „In der Cloud lassen sich bis zu 200 Prozesse parallel starten“, ergänzt Brandstetter, „dafür hätte man früher 200 Rechner lokal vorhalten müssen.“

Das Ergebnis der Cloud-Auswertung erhalten die Entwickler im sogenannten HyDA-Format (hybride Daten und Analyse), also als eine Mischung aus Messdaten und Auswertung. „Das macht es dem Ingenieur möglich, auf jedem Level eine Analyse durchzuführen“, erklärt Brandstetter. Er kann sich zum Beispiel eine fertige True/False-Auswertung für eine Datenreihe anzeigen lassen – oder bei Bedarf tief in die Analyse von 300 Einzelsignalen einsteigen.

„Ich sehe nur noch die ein bis zwei Fälle von 100, in denen etwas nicht optimal lief.“ Adalbert Rosinski, Experte für Vernetzung und Bussysteme bei der Porsche AG

Auf lange Sicht alternativlos

Die Vorteile des Arbeitens in der Cloud sind offensichtlich: mehr Tempo, grössere Datenmengen und eine breitere Datenbasis für Entscheidungen. Allerdings ist der Umzug in die Cloud anspruchsvoll. „Das bedeutet ein völlig neues Arbeiten“, räumt Meissner ein.

Um den Einstieg zu erleichtern, arbeiten die Cloud-Experten von Porsche Engineering intensiv mit den Fachabteilungen zusammen. „Wir wollen die Arbeit nicht übernehmen, sondern die Kollegen mitnehmen“, formuliert Meissner das Motto. In kleinen Workshops und begleitet von Beratern bringen die Fachabteilungen ihre Prozesse selbst in die Cloud. In einem Punkt sind die Fachleute einig: Datengetriebene Entwicklung ist auf lange Sicht alternativlos. „In Zukunft geht es darum, eine Software schon abzusichern, bevor sie überhaupt auf das Steuergerät im Fahrzeug kommt“, erklärt Vernetzungsexperte Rosinski. Versuche würden mehr und mehr in virtuellen Testumgebungen stattfinden. Gleichzeitig fänden in der gleichen Zeit deutlich mehr Absicherungszyklen statt. Ohne die neue Architektur in der Cloud sei dieses Tempo nicht machbar.

Zusammengefasst

Die datengetriebene Entwicklung gewinnt rasant an Bedeutung. Zusätzlichen Schub bekommt das Thema durch die Cloud, da sich dort viel mehr Testdaten in kurzer Zeit auswerten lassen. Porsche Engineering setzt auf datengetriebene Entwicklung und nutzt die Methode in immer mehr Fachbereichen.

„Software ist der Motor der Zukunft – das unterstreichen wir mit der engen Partnerschaft, die wir mit der Volkswagen Gruppe eingegangen sind.“ Dr. Markus Stinner Automobilexperte bei Microsoft Deutschland

Datenanalyse bereits während der Fahrt – bei maximalem Sicherheitsniveau

Porsche Engineering nutzt für die Prozessierung von Entwicklungsdaten die Microsoft Azure Cloud als Plattform. Für die maximale Sicherheit der sensiblen Daten sorgt dabei das sogenannte Zero-Trust-Modell. Man geht zunächst davon aus, dass alle Geräte unsicher sind, auch solche, die über ein virtuelles privates Netzwerk (Virtual Private Network, VPN) angebunden sind. „Jeder Zugriff muss authentifiziert, autorisiert und verschlüsselt sein“, erklärt Dr. Markus Stinner, Automobilexperte bei Microsoft Deutschland.

Ein Entwicklungsfahrzeug wird als Internet-of-Things-Gerät mit eigenen Sicherheitszertifikaten behandelt. Daten-Uploads können individuell authentifiziert und autorisiert werden. „Über diese Architektur können wir zudem Entwicklungsdaten aus dem Fahrzeug mit geringer Verzögerung streamen“, so Stinner. Die eigentliche Analyse findet in einem sogenannten Kubernetes-Cluster in der Cloud statt.

Es handelt sich um eine Gruppe virtueller Rechner, die viele Aufgaben parallel erledigen können. Voraussetzung ist, dass die Aufgaben zunächst parallelisierbar gemacht – also in kleine Pakete aufgeteilt – wurden. Dafür nutzt man sogenannte Docker-Container. Sie enthalten alles, was der virtuelle Rechner braucht, um arbeiten zu können: Betriebssystem(teile), Programmcode und zu verarbeitende Daten.

Eine achtstündige Testfahrt zum Beispiel wird in Segmente von jeweils einer Stunde unterteilt und dann samt des jeweiligen Analyse-Werkzeugs in einem Container hinterlegt. So lassen sich in der Cloud mehrere Hundert Stunden Testfahrt parallel auswerten. Für den Cloud-Anbieter Microsoft hat der Automotive-Sektor eine grosse Bedeutung. „Software ist der Motor der Zukunft – das unterstreichen wir mit der engen Partnerschaft, die wir mit der Volkswagen-Gruppe eingegangen sind“, so Stinner. Das autonome Fahren werde die Komplexität von Software noch einmal erhöhen. „Diese Herausforderung wollen wir gemeinsam mit Porsche Engineering angehen.“

Info

Text erstmals erschienen im Porsche Engineering Magazin, Ausgabe  2/2023

Text: Constantin Gillies

Illustrationen: Dan Matutina

Copyright: Alle in diesem Artikel veröffentlichten Bilder, Videos und Audio-Dateien unterliegen dem Copyright. Eine Reproduktion oder Wiedergabe des Ganzen oder von Teilen ist ohne die schriftliche Genehmigung der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG nicht gestattet. Bitte kontaktieren Sie newsroom@porsche.com für weitere Informationen.

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Verbrauchsangaben

Taycan Turbo GT

WLTP*
  • 0 g/km
  • 21,6 – 20,7 kWh/100 km
  • 528 – 554 km

Taycan Turbo GT

Kraftstoffverbrauch / Emissionen
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km
Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 21,6 – 20,7 kWh/100 km
Elektrische Reichweite kombiniert (WLTP) 528 – 554 km
Elektrische Reichweite innerorts (WLTP) 638 – 677 km
Effizienzklasse: B

Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket

WLTP*
  • 0 g/km
  • 21,3 – 20,6 kWh/100 km
  • 538 – 555 km

Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket

Kraftstoffverbrauch / Emissionen
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km
Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 21,3 – 20,6 kWh/100 km
Elektrische Reichweite kombiniert (WLTP) 538 – 555 km
Elektrische Reichweite innerorts (WLTP) 673 – 699 km
Effizienzklasse: B