32 Meter hoch ragt das Bauwerk in den Himmel. Von weitem wirkt es wie der Kontrolltower eines Flughafens. Die meisten Menschen erinnert die konische Form allerdings an einen geschliffenen Diamanten. So erhielt das Wahrzeichen des Porsche-Werks seinen Spitznamen. Er passt gut. Denn der Diamant verkörpert eine brillante Erfolgsstory. Nur zwei Jahre vergehen vom ersten Spatenstich im Jahr 2000 bis zum Produktionsstart des Porsche Cayenne. Das Werk Leipzig entsteht im Turbotempo und birgt dabei zugleich grosse unternehmerische Risiken. Doch die Architektur zeugt von Mut und nicht von Angst.
Parallel zum ersten SUV wird hier ab 2003 der Supersportwagen Carrera GT gefertigt – 1.270 Exemplare in Handarbeit. Und weil der Cayenne als besonders sportlicher Geländewagen sofort erfolgreich ist, wird bereits 2004 die erste von mittlerweile fünf Werkserweiterungen notwendig. Die Modelle Panamera und Macan sorgen für die weiteren Ausbaustufen.
Zudem halten Hybridisierung und Elektroantrieb Einzug. „Wir haben Leipzig immer strategisch mitgedacht und weiterentwickelt“, sagt Albrecht Reimold, Porsche-Produktionsvorstand und Beiratsvorsitzender der Porsche Leipzig GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Porsche AG. „In Zukunft planen wir dort mit weiteren elektrischen Modellen.“
Ein Team, eine Linie, drei Antriebe – dieses Motto begegnet einem überall in den riesigen Werkhallen. Auf Shirts, Aufklebern, Infotafeln. Der Zusammenhalt ist gross, die Fluktuation minimal. 4.300 Menschen produzieren in Leipzig heute mehr als 550 Fahrzeuge – pro Tag. „Unser Erfolg“, sagt Gerd Rupp, „ist massgeblich unserer hochqualifizierten und motivierten Mannschaft zu verdanken.“ Als Vorsitzender der Geschäftsführung der Porsche Leipzig GmbH leitet er das Werk. 1.000 hochmoderne Roboter unterstützen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sie nehmen ihnen vor allem ergonomisch unangenehme Arbeiten ab.
Ein Highlight ist das Modul 321, die vollautomatisierte Hochzeit. Hier gehen die bereits mit dem Antriebsstrang versehenen Chassis und die Karosserien den Bund fürs Leben ein. Dass immer zusammenfindet, was zusammengehört, ist einer ausgeklügelten Logistik zu verdanken. Fahrerlose Transportfahrzeuge gleiten über Induktionsschleifen und liefern an, was gebraucht wird. Die kleinen Helfer sind enorm belastbar, kompromisslos pünktlich – und liebevoll gestaltet in berühmten Porsche-Renndesigns.
Direkt nach den Stationen Karosseriebau, Lackiererei und Montage wird jeder einzelne Wagen auf der hauseigenen Prüfstrecke eingefahren. „Ausserdem“, erklärt Rupp, „erhält jeder Kunde, der seinen Wagen bei uns persönlich abholt, eine Einweisung auf der Strecke. Natürlich nicht mit seinem nagelneuen Fahrzeug, sondern in einem baugleichen Modell.“ Bis zu 2.800 Kunden pro Jahr entscheiden sich für dieses Erlebnis.
Zertifizierte Rundstrecke vor dem Diamanten
Die 3,7 Kilometer lange Rundstrecke erstreckt sich vor dem Diamanten. Entworfen hat das Kurvenband Formel-1-Rennstrecken-Architekt Hermann Tilke. Sechs Volllastpassagen, sechs Bremspunkte. Der zwölf Meter breite Parcours erfüllt die Anforderungen an professionelle Motorsportaktivitäten und ist von der Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) zertifiziert. Er wird ergänzt durch die 2,2 Kilometer lange Dynamikstrecke mit bewässerbaren Flächen für Handling- und Bremstrainings.
Beim Spatenstich zum Werk gab es keine Infrastruktur, dafür viel Platz, den Porsche gestaltete. Geschichtlich treffen auf dem 132 Hektar grossen Offroad-Gelände Welten aufeinander. Was heute konstruktiv wächst, war einst für Destruktives bestimmt. Vom deutschen Kaiserreich bis 1999 diente das Terrain wechselnden Regimes für militärische Zwecke. Die heutige sechs Kilometer lange Geländestrecke bezieht sogar ehemalige Bunker mit ein. 15 Module bietet der Offroad-Kurs – inklusive einer 100 Meter langen Wasserdurchfahrt und einer Extremrampe mit 80 Prozent Steigung. Das einzigartige Terrain macht nicht nur die Werksabholung zur unvergesslichen Erfahrung. Das zum Porsche Experience Center weiterentwickelte Kundenzentrum bietet sportlich ambitionierten Fahrern aus aller Welt emotionale Erlebnisse am Steuer. Ausserdem Werksführungen und erstklassige Gourmetangebote – neuerdings auch für spontane Besucher.
„Fred ist das völlig gleichgültig“, sagt Rupp lächelnd. Der Chef steht auf einer Wiese vor dem Werk. Sein Gegenüber ist ein Auerochse. Einer von 75, die Porsche dort angesiedelt hat. Fred fühlt sich wohl im sorgsam renaturierten Gelände. Zusammen mit 25 frei lebenden Exmoor-Ponys, drei Millionen Honigbienen und zahlreichen Wildtieren. „Wir übernehmen ökologische Verantwortung – innerhalb der Werkshallen und darüber hinaus“, betont Rupp. Während Vögel, Rehe und Dachse auf idyllischen Auenflächen ein neues Zuhause geniessen, wird Nachhaltigkeit auch in der Produktion gelebt. Durch den effizienten Einsatz von Rohstoffen, Materialien und Produktionsmitteln sowie Prozessoptimierungen.
Die Liste der Auszeichnungen für das Werk ist lang. Es gewann unter anderem zahlreiche Preise für Umweltschutz, Biodiversität, Energie-Ökobilanz und den Umgang mit Ressourcen. 2021 zum Beispiel den Lean & Green Management Award. 250 Werke aus mehr als zehn Ländern und 20 Industriezweigen hatten sich beworben.
Werk arbeitet bilanziell CO₂-neutral
Die Leipziger Produktion wird vollständig mit Strom aus regenerativen Quellen betrieben. Allein die eigenen Photovoltaikanlagen liefern bis zu 5.000 Megawattstunden pro Jahr. Ein direkt am Werk angesiedeltes Biomassekraftwerk deckt den Wärmebedarf der Lackiererei zu 80 Prozent CO₂-neutral. Bilanziell arbeitet das gesamte Werk bereits heute CO₂-neutral. Bald soll es zur Zero Impact Factory werden. Also zu einer Produktionsstätte, die keinen ökologischen Fussabdruck hinterlässt.
„Besonders stolz bin ich auf unser Ausbildungszentrum“, wechselt Rupp das Thema. „Es ist wunderbar zu erleben, wie junge Leute hier in die Zukunft starten.“ 1.600 Quadratmeter misst der zum Ausbildungsjahr 2021/2022 eröffnete Erweiterungsbau. Die Berufsausbildung am Standort ist über zwei Jahrzehnte mitgewachsen: von fünf Azubis bei der Eröffnung auf heute 120 Einsteiger. Sie kommen, um zu bleiben. Das liegt auch an der Philosophie des lebenslangen Lernens als Schlüssel zum Erfolg. Ausgebildete Fachkräfte kehren regelmässig zur Weiterbildung in das Schulungszentrum zurück.
Wer bei Porsche tätig ist, geniesst Ansehen in Leipzig. Das Unternehmen sorgt für Arbeitsplätze und lockt mit seinen Erlebnisangeboten Touristen aus der ganzen Welt in die Messestadt. Der Sportwagenhersteller unterstützt das berühmte Leipziger Gewandhausorchester sowie Benefizkonzerte und schafft Kulturereignisse für jedermann. In diesem Jahr ergänzt Wagner 22 das Kulturprogramm des Standorts – ein Opernfestival zu Ehren des in Leipzig geborenen Komponisten Richard Wagner.
Sportlich treibt Porsche seine langjährige Jugendförderung Turbo für Talente mit dem RB Leipzig voran, dem Fussballclub aus der 1. Deutschen Bundesliga. „Im Bereich Bildung unterstützen wir vor allem sozial schwächer gestellte Kinder, Jugendliche und Studierende mit Ausbildungsprogrammen im Werk und Hochschulstipendien“, zählt Gerd Rupp weiter auf. Seit 2013 unterhält das Unternehmen auch einen eigenen Management-Stiftungslehrstuhl an der Handelshochschule Leipzig. „Wir sind hier angekommen“, bilanziert der Werksleiter, „wir bekommen viel, geben aber auch viel an den Standort zurück.“
Daten & Fakten
550 Fahrzeuge
So viele Exemplare der Modelle Macan und Panamera werden jeden Tag im Werk Leipzig gefertigt.
88 Prozent
Der Grossteil der Fahrzeuge sind Linkslenker. Die weltweite Auslieferung erfolgt direkt vom Standort mit Gleisanschluss.
3 Schichten
Montags bis freitags wird im Schichtbetrieb rund um die Uhr gearbeitet. Am Wochenende stehen die Bänder üblicherweise still.
18 Prozent
Zu den beliebtesten Upgrades gehören die Sportsitze. Fast ein Fünftel aller Fahrzeuge wird damit ausgestattet.
1.000 Roboter
Im Porsche Werk Leipzig sind hochmoderne Spezialroboter im Einsatz. Sie erleichtern den Mitarbeitern die Arbeit.
430 Einzelteile
In mechanischen und thermischen Fügeverfahren werden die Komponenten in der Karosserie des Panamera vereint.
Info
Text erstmals erschienen im Christophorus Magazin, Ausgabe 402.
Text: Heike Hientzsch
Fotos: Benjamin Antony Monn, Porsche
Copyright: Alle in diesem Artikel veröffentlichten Bilder, Videos und Audio-Dateien unterliegen dem Copyright. Eine Reproduktion oder Wiedergabe des Ganzen oder von Teilen ist ohne die schriftliche Genehmigung der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG nicht gestattet. Bitte kontaktieren Sie newsroom@porsche.com für weitere Informationen.