In den frühen 1980er-Jahren erlebte die Welt der Sportwagenrennen eine Revolution. Die Einführung der Gruppe C läutete eine Ära ein, in der die Kraftstoffeffizienz von höchster Bedeutung war und die aerodynamischen Fortschritte die anerkannten Normen für Konstruktion und Leistung für immer veränderten. An der Spitze dieser „schönen neuen Welt“ stand Porsche: Mit dem 956 rollte ein echter Gewinner auf die Rennstrecke.
40 Jahre später ist das Vermächtnis des Prototyps der Gruppe C von Porsche noch immer ohne Konkurrenz. Auf dem Goodwood Motor Circuit an der Südküste Englands kamen am Wochenende 21 Exemplare zusammen, die für unglaubliche 12 Jahre internationalen Wettbewerb stehen – lebender Beweis für Art und Umfang einer einzigartigen Dominanz dieses Autos als Werks- und Kundensportwagen.
Von den in Goodwood versammelten Fahrzeugen nahmen 16 an einem Show-Rennen teil. Es war die grösste Teilnehmerzahl von Werks- und Kundenmodellen des 956 und dessen neuerer Variante 962 in der Geschichte. Ein einzigartiges und unvergessliches Ereignis, das die Sinne mit Farben, Gerüchen und vor allem dem unvergleichlichen, unverkennbaren Klang des Porsche Sechszylinder-Boxermotors mit Turbolader beschäftigte.
Im Dämmerlicht formierten sich die Wagen zur traditionellen Aufstellung eines Le-Mans-Starts, und die nach und nach aufleuchtenden Scheinwerfer tauchten das Fahrerlager von Goodwood in weisses und gelbes Licht. Es war leicht zu vergessen, dass seither 40 Jahre technische Entwicklung und Rennerfolge von Porsche vergangen sind – das Allerbeste der Gruppe C war für ein ganz besonderes Wochenende in vollem Glanz zurückgekehrt.
Zu den Le-Mans-Siegern 956 und 962 von Porsche in ihrem berühmten Rothmans-Design gesellte sich an der Startlinie der kürzlich restaurierte 962 C, der von Hans-Joachim Struck 1987 zu einem entscheidenden Sieg im ADAC Supercup gefahren wurde. Daneben gab es eine breite Palette von im Privatbesitz befindlichen vormaligen Werks- und Kundenwagen, von dem leuchtend roten Richard Lloyd Racing Cabin 962 bis zum Italya Sports „Schwesterauto“ im unübersehbaren Rosa. Nicht weniger beeindruckend waren der gelb-schwarze New-Man Joest Racing 956, der 1985 Le Mans gewann, oder der hellgrüne Skoal Bandit 956B, dessen Motronic-Motormanagement Derek Bell 1986 zum Fahrertitel der Sportwagenweltmeisterschaft verhalf.
Nach und nach erwachten die Autos zum Leben, erst brummend, dann donnernd. Die Cockpits wurden geschlossen, das Starterfeld leerte sich, und die Zuschauer, die in drei Reihen den Pistenrand säumten und die Tribünen bevölkerten, hielten gemeinsam den Atem an. Als die Flagge fiel und die Motoren gleichzeitig aufheulten, um möglichst rasch die rote 8000er Drehzahlmarkierung zu erreichen, schien die Menge in kollektiver Ehrfurcht zurückzuweichen. Der erste der Werkswagen von Porsche führte das Feld an, das sich in die Gerade hineinmanövrierte und in enger Formation die erste Kurve ansteuerte, um dann aus dem Blickfeld zu verschwinden.
In den darauffolgenden 20 Minuten absolvierte ein Pulk von Wagen des Typs, den viele als grössten Rennwagen aller Zeiten betrachten, die 3,8 Kilometer lange Strecke fast mit Renngeschwindigkeit. Die Wastegates ratterten und die Motoren lärmten schrill, als die Fahrer das Letzte an Leistung und Bremskraft herausholten und sich mit Lenkungen ohne Lenkhilfe, schweren Kupplungen und Schaltgetrieben abmühten.
Der rosafarbene Himmel über der Strecke verdunkelte sich, und die Scheinwerfer bohrten sich in die einbrechende Dunkelheit, als die Wagen nebeneinander die schwierigen Abschnitte von Fordwater und St. Mary's meisterten und im Windschatten die Lavant Straight hinunterjagten, bevor sie am Eingang von Woodcote und an der engen Schikane vor der Startlinie scharf auf die Bremse gingen. Für einen flüchtigen Moment hätte Goodwood auch Le Mans, Daytona oder Sebring sein können – diese Fahrzeuge kämpfen mit vollem Einsatz um die begehrtesten Titel im Langstrecken-Rennsport. Leider war das Rennen viel zu schnell vorbei, und das erstaunliche Erlebnis wurde bereits zur schönen Erinnerung, als die Wagen sich wieder im leeren Fahrerlager einfanden und die Motoren verstummten.
Für Fahrer und Zuschauer gleichermassen war es ein Privileg, dieses unglaubliche Schauspiel mitzuerleben – eine Feier, aber auch eine bewegende Erinnerung an eine Ära im Autorennsport. Nach dem historischen 1-2-3-Sieg von Le Mans im Jahr 1982 errangen der 956 und der 962 fünf weitere Siege in Folge für Porsche beim 24-Stunden-Rennen sowie drei fortlaufende Fahrer- und Werksmeistertitel bei der Langstrecken-Weltmeisterschaft. Im Jahr 1983 belegte der 956 sowohl in der Werks- als auch in der Kundenversion sagenhafte neun der ersten zehn Plätze in Le Mans. Im selben Jahr stellte Stefan Bellof während der Qualifikation für das 1000-km-Rennen auch den langjährigen Rundenrekord auf der Nordschleife des Nürburgrings auf. Dank der bemerkenswerten Kombination von Norbert Singers Bodeneffekt-Ausführung und Hans Mezgers leistungsstarkem Boxermotor mit Turbolader erreichte er eine Rundenzeit von sechs Minuten und elf Sekunden – die schnellste Zeit für ein Serienrennfahrzeug auf der berühmt-berüchtigten Strecke.
Die Vorrangstellung des 956 und des 962 zeigte sich nicht so sehr durch seinen frühen Erfolg, sondern eher durch die stetige Ansammlung von Titeln, die er über die Jahre auf der ganzen Welt errang. Das letzte Rennen bei der IMSA GTP Championship auf der Road America gewann er im Jahr 1993. 1994 ging er als neu klassifiziertes Strassenfahrzeug zum letzten Mal als Sieger in Le Mans ins Ziel. Sein Auftritt in Goodwood, 40 Jahre nach seinem eindrucksvollen Einstand, war eine willkommene Erinnerung an eine unvergleichliche Epoche für Porsche und an ein goldenes Zeitalter für den gesamten Rennsport.