Mit Eis hat alles begonnen. Und mit einer Portion Mut. „Manche Menschen erinnern sich nach interessanten Begegnungen an Lieder oder Düfte. Ich merke mir automatisch Farben“, sagt Daniela Milošević. Sie ist Designerin im Entwicklungszentrum Weissach. Color & Trim Design heisst die Abteilung. Zurückgedacht an den gemeinsamen Besuch des Dornier Museums in Friedrichshafen, bleibt, mit ein wenig Abstand, die Farbe Oliv als Assoziation zu Milošević in Erinnerung. Mit dem Effekt von goldfarbenen Perlglanzpigmenten. Jung und unbesiegbar, expressiv und dynamisch.
Die nächtliche Beleuchtung des Museums und der Porsche Taycan teilen sich die Farbe Frozenberry, gefrorene Beere. Eine Mischung aus Altrosa und Hellgrau mit einem Hauch von Pink. Bei der Entwicklung der Farbe hat das Color-&-Trim-Team noch nicht an die Form des vollelektrischen Sportwagens gedacht, vielmehr an das Thema, das den Taycan umgibt. „Die Elektrowelt ist geprägt von Reinheit und Klarheit. Sie ist sozusagen weiss. Wir wollten unseren Kunden aber auch Alternativen anbieten“, erklärt die gebürtige Stuttgarterin.
Mut bei der Farbwahl
So tastete sich das Team an die Pastellwelt heran. Kreierte eine Eiskollektion, ein Metallictrio, bestehend aus Frozenblue, Frozenberry und Coffee Beige. „Wir haben die Pastellwelt aufgegriffen, um die Elektrifizierung perfekt zu transportieren“, sagt Milošević. Alle drei Farben kommen bei den Kunden sehr gut an. Bei der Entwicklung von Frozenberry dachten die Farbdesigner ursprünglich an den asiatischen Markt: „Die Asiaten sind sehr mutig in der Farbwahl.“ Doch dann zeigten auch die Europäer Mut. Eigentlich sei Frozenberry nur der Arbeitstitel gewesen, verrät sie, doch der Name habe allen Beteiligten so gut gefallen, dass es keiner Alternative bedurfte.
Inspiration holen sich die Kreativen vor allem in der Möbelindustrie. „Wir orientieren uns an Interieurdesign und Architektur. Mode ist zu schnelllebig. Ein Sofa wiederum kaufen Kunden für mehrere Jahre – wie ein Auto auch“, sagt Milošević. Polarisieren ist in Weissach erlaubt, ja gar erforderlich, um visionär zu sein. Nach der Mailänder Möbelmesse überlegen die Designer, welche Farben im Programm fehlen und welche schon lange nicht mehr im Serienprogramm waren. Dann reisen sie gedanklich in die Zukunft. „Wir sind unserer Zeit immer mindestens zwei Jahre voraus, müssen Trends erkennen und Trends setzen. Dabei dürfen wir nie die DNA der Marke aus den Augen verlieren“, erklärt die Farbdesignerin, die seit 13 Jahren bei Porsche arbeitet.
Zwischen Realität und Vision
Als 17-Jährige hat sie ihre Ausbildung zur Fahrzeuginnenausstatterin in Zuffenhausen begonnen, später Transportation Interieur Design in Reutlingen studiert. Sie entwickelt nicht nur Lackfarben, sondern ist auch für Folien- und Felgenfarben zuständig. „Es ist schön, beides gesehen zu haben. Das Machbare als Innenausstatterin und das Visionäre, Freie als Designerin.“
Die Farbe, die sie heute als Idee im Kopf hat, wird frühestens in drei bis vier Jahren zugelassen. Bis dahin durchläuft sie viele Tests. So muss sie unter anderem Bewitterung überstehen: Dafür werden Testplatten zwei Jahre lang in die pralle Sonne gelegt. „Wer den Farbbeständigkeitstest in Florida übersteht, ist auf jeden Fall lichtecht“, fasst sie zusammen. Es folgen Brandschutztests, Salzwasserprüfungen und Steinschlagtests. Pro Jahr kreiert das Team etwa zwölf Farben für neue Modelle und Derivate, davon werden meist vier ausgewählt und entwickelt.
Pantone- und NCS-Farben
„Ich habe meine eigene Mischbank und liebe es, Rezepturen nachzumischen oder selbst zu kreieren.“ Dabei sei die Basis immer sehr wichtig, alles beginnt hell und weiss, anschliessend tasten sich die Designer mit Eimerchen und Waage in die Pastellwelt oder in die Welt der knalligen Farben vor. Sie verwenden dafür Pantone- und NCS-Farben, denn: „RAL-Farben haben zu wenige Abstufungen, Pantone bietet uns viel mehr Nuancen.“
Danach tragen Lackierer die Farbe auf Musterplatten auf, sogenannte Color Frogs. Die Farbfrösche sehen aus wie kleine Modelle mit Elfer-Silhouette. Um zu testen, ob die Exterieurfarben auch perfekt zu möglichen Innenraummaterialien und -farben passen, halten die Designer die Muster daneben und stimmen sich mit den Kollegen aus dem Interieur ab. „Viele unserer Kunden möchten die Aussenfarbe auch innen sehen. Deshalb müssen die Farben miteinander harmonieren, den Charakter und die Eigenschaften des Fahrzeugs unterstreichen.“
„In meinem Leben dreht sich viel um Farben. Es gibt keinen richtigen Feierabend für mich als Designerin. Selbst Stimmungen nehmen bei mir eine Farbe an.“ Eine Lieblingsfarbe hat sie nicht, denn: „Ich kann mich nicht auf eine Farbe konzentrieren. Vielmehr lasse ich mich von Farben leiten und führen“, sagt Milošević. Auf dem Weg nach Hause wird sie später an Rosa denken. Eine beruhigende Farbe, mit der sie das Gefühl von Vertrauen verbindet. Bis dahin ist die Nacht im Dornier Museum frozenberry – geheimnisvoll.
Info
Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik 20.
Autorin: Christina Rahmes
Fotografie: Maximilián Balázs
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