Es riecht nach frischer Farbe und die mobilen Plattformen, auf denen die Werker die Fahrzeuge montieren, laufen noch nicht mit voller Geschwindigkeit. Der Mitarbeiter eines Anlagenherstellers folgt einem kleinen fahrerlosen Transportsystem, das gerade durch die Halle navigiert, um die Wege kennenzulernen. Demnächst wird es – zusammen mit vielen „Kollegen“ – selbstständig die einzelnen Montage-Stationen mit Teilen versorgen.

So sieht es Ende Juni 2019 in der modernsten Automobilproduktion der Welt aus. Sie befindet sich an einem der traditionsreichsten Standorte der Automobilindustrie: in Stuttgart-Zuffenhausen, dem Hauptsitz des Herstellers sportlicher Fahrzeuge. Dort wird der am 4. September offiziell vorgestellte Porsche Taycan gebaut.

Aus emotionaler Sicht ist es sehr stimmig, dass die Sportwagen-Ikone 911 und die möglicherweise neue Ikone aus dem Hause Porsche im gleichen traditionsreichen Werk entstehen. Aus der rationalen Sicht der Planer und Fertigungsexperten bei Porsche war diese Idee – um es vorsichtig zu formulieren – gewagt. Man hätte es auch einfacher haben können. Christian Friedl, Leiter Werk Zuffenhausen: „Wir sind bereits bestens ausgelastet, haben hier kaum Erweiterungsmöglichkeiten und produzieren mitten in einer Stadt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohngebieten.“

Dass dieser Plan dennoch realisiert wurde, hat viel mit Begeisterung und Anstrengung zu tun. Zunächst entwickelten die Planer ein Konzept, das auch den Vorstand begeisterte. „Für die neue Fabrik wurde kein einziger Quadratmeter Bodenfläche zusätzlich versiegelt, alles ist auf bestehendem Industriegelände entstanden“, berichtet Friedl mit Stolz. Zudem wird der Taycan vollkommen CO₂-neutral produziert. Damit die Fabrik an diesem Ort auch wirtschaftlich interessant wurde, holte Porsche die eigenen Mitarbeiter mit einem Standortpaket ins Boot: „Alle Mitarbeiter haben sich zumindest indirekt an diesem Vorhaben beteiligt. Wenn es so erfolgreich wird, wie wir glauben, werden sie auch entsprechend davon profitieren“, so Friedl. Ende 2015 fiel die Entscheidung. Dann lief die Zeit. Wolfram Kirchert, Leiter Planung: „Uns blieben nur 40 Monate, um die neue Fabrik zu planen und zu bauen.“

„Während sich auf dem Gelände gerade eine 25 Meter tiefe Baugrube befand, konnten wir mit der Datenbrille schon durch die fertiggestellte Produktion gehen.“ Reiner Luth

Möglich war das nur, weil die Porsche-Planer erstmals zunächst einen „digitalen Zwilling“ der Fabrik erstellten. Das heisst: Sämtliche Daten – der Gebäudehülle, der Produktionsanlagen, der umfassenden Gebäudetechnik und vom Fahrzeug selbst – wurden zu einem Datenmodell zusammengefügt. Reiner Luth, Projektleiter der Taycan-Fabrik und nun Leiter des Segments E-Fahrzeuge: „Das war auch für gestandene Planer absolut faszinierend. Während sich auf dem Gelände gerade eine 25 Meter tiefe Baugrube befand, konnten wir mit der Datenbrille schon durch die fertiggestellte Produktion gehen.“ Das ist keineswegs Spielerei, sondern spart viel Zeit, weil man zum Beispiel die Installation der Produktions- und Förderanlagen zentimetergenau planen kann. „Kollisionen“ und Planungsfehler werden sofort sichtbar. „So haben wir auch die durchaus vorhandenen Risiken – neue Fertigung, neues Fahrzeug, neue Antriebstechnologie, viele neue Mitarbeiter – minimieren können“, sagt Kirchert.

Das Ergebnis: Die Fabrik stand nach einer Rekordbauzeit von nur 17 Monaten – davon zwölf für das Gebäude selbst und fünf für die Anlagen. Parallel dazu wurden im Pilotcenter bereits die ersten Vorserienfahrzeuge produziert. „Dabei haben wir bewusst Personal aus der späteren Serienfertigung eingebunden und auch die späteren Betriebsmittel wie fahrerlose Transportsysteme und Handlingsgeräte eingesetzt“, erklärt Luth.

Inzwischen läuft die Serienproduktion. Weil die Grundfläche begrenzt ist, wird der Taycan auf drei Ebenen produziert. Was den Besucher der Taycan-Produktion vielleicht überrascht: Die Fabrik ist keineswegs menschenleer. Christian Friedl: „Wir haben für den Taycan und das Derivat Cross Turismo 1.500 neue Mitarbeiter eingestellt und intensiv qualifiziert.“ Denn zum Grundprinzip der „Porsche Produktion 4.0“, wie das aktuelle Produktionskonzept heisst, gehört es, dass nach wie vor der Mensch im Mittelpunkt steht: „Industrie 4.0 hat aus unserer Sicht das Ziel, Mitarbeiter zu unterstützen. So werden die Prozesse in unserer handwerklichen Fertigung effektiver und qualitativ noch hochwertiger. Damit perfektionieren wir unser Produktionssystem.“ Er erinnere sich noch gut daran, wie die Anfänge dieses Konzepts mit Porsche Consulting erarbeitet wurden. „Viele der Ideen von damals sind inzwischen Realität.“

Die sichtbarste Innovation der Taycan-Produktion ist der Verzicht auf fest installierte Fördertechnik in der Montage. „Das ist eine Weltpremiere in der Automobil-Fliessfertigung“, so Luth. Das Fahrzeug wird auf fahrerlosen Transportsystemen (FTS) montiert, die selbstständig navigieren. Die Materialversorgung erfolgt über rund 50 kleinere FTS. Dieses Konzept schafft einen erheblichen Zugewinn an Flexibilität. Wenn eine weitere Karosserievariante hinzukommt, kann man die gleichen Anlagen nutzen, und selbst wenn der Taycan in einigen Jahren einen Nachfolger erhält, muss man die Montagestrasse weder umbauen noch austauschen. „Die Montage ist sogar unabhängig vom Antrieb der Fahrzeuge“, so Kirchert. „Wir können mit diesem Fertigungskonzept von batterieelektrischen Fahrzeugen bis zu Verbrennern alle Varianten montieren, weil wir die Standardaufbaureihenfolge einhalten. Und wir fahren zwar ohne Takt, aber in stets gleicher Reihenfolge.“

Taycan-Fabrik, Stuttgart-Zuffenhausen, 2019, Porsche AG

Dabei kann die Montagelinie durchaus atmen: Wenn ein Montageschritt bei einem Fahrzeug länger dauert, fährt das FTS langsamer und holt später wieder auf. Zudem können die Werker über mehrere Stationen bei „ihrem“ Fahrzeug bleiben und es montieren. „Es ist uns wichtig, dass unsere qualifizierten Mitarbeiter abwechslungsreiche Tätigkeiten haben und ihre Leistung sehen können“, betont Friedl.

Das gelte natürlich auch für die anderen Fertigungslinien, wie beispielsweise die der zweitürigen Sportwagen in Zuffenhausen. Auch sie werden auf den technologisch neuesten Stand gebracht und waren bei manchen Neuheiten sogar schneller. Christian Friedl nennt ein Beispiel: „Bei der Endkontrolle muss das korrekte Ein- und Ausfahren des Heckspoilers geprüft werden. Früher musste sich der Werker ins Fahrzeug setzen, den Spoiler ausfahren und wieder aussteigen, um die Funktion und Optik zu prüfen. Heute betätigt er diese Funktion einfach über seine Smartwatch. Das spart Zeit.“ Das Konzept wurde in der bestehenden Sportwagen-Produktion erstmals angewendet, optimiert und kommt jetzt auch beim Taycan zum Einsatz. Mit dieser Technologie ist künftig noch viel mehr möglich: Die Funktionen des Fahrzeugs werden nicht mit externen Testgeräten geprüft. Stattdessen loggt sich der Werker in die On-Board-Elektronik des jeweiligen Fahrzeugs ein. In Zukunft werden hier, so Wolfram Kirchert, Produktions- und Fahrzeugdaten verschmelzen: „Wir werden die Elektronik und damit die Intelligenz des Fahrzeugs nutzen, um sich selbst zu prüfen, zu kalibrieren und Unregelmässigkeiten mitzuteilen. Dabei kommt auch künstliche Intelligenz zur Anwendung.“ Auch der „digitale Zwilling“ der Fabrik wird weiter genutzt und soll künftig die Entscheidungen in der Produktion unterstützen, indem Szenarien virtuell durchgespielt werden können.

Den Verantwortlichen sind ihre Begeisterung und der Stolz auf ihr Projekt deutlich anzumerken. Knapp vier Jahre lang waren 200 Planer und bis zu 2.000 Bau- und Anlagenexperten beteiligt. Jetzt läuft termingerecht die erste Autofabrik, bei der die Fahrzeuge in Fliessfertigung auf fahrerlosen Transportsystemen montiert werden. Das ist die Smart Factory in Reinkultur oder, wie es bei Porsche heisst, das Porsche-Produktionssystem 4.0, das künftig auf weitere Standorte übertragen und weiterentwickelt wird.

Info

Text: Gerald Scheffels
Fotos: Jörg Eberl

Dieser Beitrag wurde vor dem Start des Porsche Newsroom Schweiz in Deutschland erstellt. Die genannten Verbrauchs- und Emissionsangaben richten sich daher nach dem Prüfverfahren NEFZ und wurden unverändert übernommen. Alle in der Schweiz gültigen Angaben nach WLTP-Messzyklus sind unter www.porsche.ch verfügbar.

Weitere Artikel

Verbrauchsangaben

Taycan Turbo

WLTP*
  • 0 g/km
  • 23,6 – 20,2 kWh/100 km
  • 435 – 506 km

Taycan Turbo

Kraftstoffverbrauch / Emissionen
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km
Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 23,6 – 20,2 kWh/100 km
Elektrische Reichweite kombiniert (WLTP) 435 – 506 km
Elektrische Reichweite innerorts (WLTP) 537 – 627 km
Effizienzklasse: C

Taycan Turbo S

WLTP*
  • 0 g/km
  • 23,4 – 22,0 kWh/100 km
  • 440 – 467 km

Taycan Turbo S

Kraftstoffverbrauch / Emissionen
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km
Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 23,4 – 22,0 kWh/100 km
Elektrische Reichweite kombiniert (WLTP) 440 – 467 km
Elektrische Reichweite innerorts (WLTP) 524 – 570 km
Effizienzklasse: C