Es ist 1967 und Porsche hat gerade das Tuch vom neuen Einstiegs-Elfer gezogen – dem 911 T. Die Philosophie ist simpel, man nehme einen 911, verzichtet auf ein wenig Ausstattung und fertig ist der Puristischste aller Elfer. Es ist das Auto, das viele ihren Traum in Erfüllung gehen liess – einmal hinter dem Lenkrad des eigenen Porsche 911 sitzen. Für £2,110 konnte man in gerade 10 Sekunden von 0 auf 100km/h beschleunigen – mit der Frau auf dem Beifahrersitz und den Kindern im Fond. 130 PS waren nicht viel, genau wie die 1020 Kilogramm Leergewicht. Der T war gebaut zum Fahren und zum Begeistern.
Mehr als 30 Jahre später, Ende der wilden Neunziger, treffen wir den zweiten Hauptdarsteller der Geschichte: Graham. Wie bei so vielen, begann auch bei Graham die Faszination für Porsche schon früh. Als Zehnjähriger sah er jeden Morgen einen bronzefarbenen 911 in der Hampstead High Street parken – er wusste sofort: Irgendwann wird er auch einen haben. Als er sich mit den Jahren auf Arbeit und Karriere konzentrierte, verlor er seinen Traum zwar nicht aus den Augen, aber mehr Zeit als ab und an in den Kleinanzeigen zu stöbern blieb ihm nicht. Als er dann unverhofft nach einem erfolgreich abgeschlossenen Projekt einen Tag frei bekam, wollte er nicht länger warten. Der passende Elfer war schnell ausgemacht, bloss: er stand nicht in London, sondern in den Niederlanden. Es war sein damaliger Mitbewohner, der ihn überredete es doch einfach trotzdem zu versuchen.
Als er den Elfer nach der Probefahrt wieder rückwärts in die kleine Garage des Verkäufers parkte, hatte Graham das Auto innerlich schon gekauft. Es musste einfach seiner sein. Zurück in London raffte er alle Ersparnisse zusammen, darunter auch das Geld, dass er sich von seiner Familie eigentlich für die erste eigene Wohnung geliehen hatte und schickte es über die Nordsee. Dabei hatte er vor lauter Aufregung während der Probefahrt gar nicht genau auf den Zustand von Karosserie, die Wartungspapiere oder überhaupt der Ausstattung des Fahrzeugs geachtet. Egal. Der £2,110-Porsche hatte nun für 21.000 Euro den Besitzer gewechselt.
Am folgenden Wochenende holte Graham seinen 911 T ab und überführte ihn auf Achse. Nach bestandener MOT-Prüfung und Zulassung in London wurde der Elfer sein Alltagsauto in den folgenden vier Jahren. Und was für Alltag! Der violette Elfer sah mehr als bloss die rush-hour der britischen Hauptstadt. Der 911 T bereiste in dieser Zeit beinahe ganz Europa. Ob in den Urlaub, oder einfach übers Wochenende. Ob in die Normandie oder mit den Eltern und der Freundin quer über den Kontinent bis nach Süditalien, der Elfer war immer Teil des Erlebten. Daheim in England war Grahams 911 T oft gesehener Gast in Goodwood, den Classics at the Castle oder vor dem Ace Café.
Graham und sein Elfer waren unzertrennlich. Bis zu dem Tag, als er erfuhr, dass er beruflich in den Nahen Osten musste. Ein Projekt für ein Jahr, dachte er, vielleicht zwei. Nach einer ausgedehnten Abschlusstour über die schönsten Alpenpässe der Schweiz und Italiens stellte Graham seinen 911 T im Parkhaus ab und flog in die Vereinigten Arabischen Emirate. Seine Familie sollte ab und an nach dem Elfer sehen. Der 911 T, der so viel Freude und unvergessliche Moment beschert hatte, stand nun verlassen in der Ecke und begann Staub anzusetzen. Aus einem Jahr wurden zwei, aus zwei fünf und aus fünf letztendlich ein volles Jahrzehnt. Die Reifen waren längst platt, die Staubschicht zentimeterdick. Es war nie Grahams Plan das Auto so lange im Parkhaus stehen zu lassen, es ist einfach so passiert.
Mehr als 70 Prozent aller je produzierten 911 existieren noch
So waren es die Elfer-Mechaniker von Tower Porsche, die auch schon in den Jahren davor mit der Wartung des violetten 911 T betraut waren, die von Graham den Spezialauftrag erhielten: Holt den 911 wieder zurück ins Leben. Der erste Schlüsseldreh blieb naturgemäss erfolglos, die Batterie mausetot. Auch die Reifen waren nicht nur platt, sondern auch alt und hart. Mit einer neuen Batterie und einem Satz moderner Michelin-Reifen sprang der 911 T daraufhin direkt zurück ins Leben.
Zehn Jahre Spinnweben, Staub und in den Lack geschrieben Botschaften der anderen Parkhausnutzer später, fuhr der 911 T die ersten Runden aus eigener Kraft. Die Zündung hatte es ein bisschen verstellt und eine Kraftstoffleitung musste sich dem Zahn der Zeit geschlagen geben – doch ansonsten: keine Probleme. Zurück in der Werkstatt wurde neben einem Austausch der Flüssigkeiten nur die Zündung justiert, der Schlauch ersetzt und die Lichtmaschinenleitung mit einem Kabelbinder neu fixiert, sonst nichts. Der Elfer war nach 50 Jahren noch in Form wie eh und je.
Zur Feier des Tages nahm Graham seinen alten Schatz direkt mit zum Goodwood Festival of Speed. Der 911 T kannte den Weg, auch nach zehn Jahren noch. Auf dem Parkplatz wurde er selbst zum Star. Nicht einmal die Scheiben hatte Graham geputzt und schnell war der alte Elfer umringt von Schaulustigen mit gezückten Smartphones und Kameras.
In Goodwood wurde dann auch die Familienzusammenführung der etwas anderen Art geplant: eine Ausfahrt im alten 911 T mit dessem jüngsten Bruder. Zwei Wochen später war es soweit. Beide 911 T nebeneinander, einer schöner als der andere, auf den besten Strassen, die die Yorkshire Dales zu bieten haben, bleibt ein unvergesslicher Anblick.
Doch viel tiefer geht das Fahrerlebnis. Auf den im Morgengrauen absolute menschenleeren Bergstrassen, abwechselnd mal im Alten, mal im Neuen, war die Ausfahrt der beiden Elfer ein absoluter Traum. Auch wenn sie 50 Jahre trennen, sie unterschiedlicher nicht sein könnten, so sind die beiden 911 doch gleich. Ihre Philosophie, dass es nicht immer nur um Leistung, Geschwindigkeit und nackte Zahlen geht, sondern um das Erlebte, das Ereignis und das Gefühl. Dass ein Porsche 911 immer ein Auto ist, dass zum Fahren gebaut ist, zum Freude bereiten und vor allem dafür dem Fahrer ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Und es ist erstaunlich, wie robust sie dabei sind. Denn wir erinnern uns: Grahams 911 T, Baujahr 1969, wurde nach mehr als 30 Jahren Alltagsbetrieb einfach so weggestellt. Ein ganzes Jahrzehnt unberührt. Und heute fährt er wieder, als wäre nichts gewesen. Was für ein Auto. Möge es Graham noch viele weitere Jahrzehnte begleiten.
Info
Text und Fotos: Zaid Hamid
Dieser Beitrag wurde vor dem Start des Porsche Newsroom Schweiz in Deutschland erstellt. Die genannten Verbrauchs- und Emissionsangaben richten sich daher nach dem Prüfverfahren NEFZ und wurden unverändert übernommen. Alle in der Schweiz gültigen Angaben nach WLTP-Messzyklus sind unter www.porsche.ch verfügbar.